Sun Oct 20 12:03:04 CEST 2024 | Trottel2011 | Kommentare (17)
Hallo Motor-Talker!
XJ41 Mule Vorne LinksNoch immer tauchen besondere Versionen des XJ-S auf. Von einer Version habe ich erst im UK-Urlaub erfahren können.
Dieser Artikel behandelt den mit am meisten Gripp: der XJ-S Ferguson Four Wheel Drive und hier die Version: Twin Turbo
Es gibt sehr wenig Information zu den Fahrzeugen, da es Testfahrzeuge für die Entwicklung des Nachfolgers (XJ41) waren. Insgesamt gab es 3: 1x V12 mit AWD, 1x 3.6l mit AWD und dann der hier, mit 4.0l und BiTurbo Aufbau und AWD. Leider hat es nur der 4.0l geschafft der Presse zu entkommen. Als Nachfolger des XJ-S sollten die Fahrzeuge alles haben, was Autos der späten 80er haben sollten: Turbolader, Allradantrieb, Luxus, ... Aber wie im Artikel Aston Martin DB6 Artikel geschrieben, wurde das aber langfristig zu schwer und man wich auf die bestehende Plattform des XJ/XJ-S aus. Dennoch mussten Erprobungsfahrzeuge her.
XJ41 Mule Seite Links in BewegungDazu rüstete man im Werk ein XJ-S aus der laufenden Serie mit einem anderen Motor aus. Normal war der XJ-S mit 2 Motoren in den 80ern zu bekommen: entweder der 5.3l V12 oder der 3.6l AJ6. Diverse Umbauten auf den 6.0l bzw. 6.1l V12 ausgenommen. Als 6 Zylinder leistete der Motor 147 kW (ca. 200 ps) und konnte in Verbindung mit dem Schaltgetriebe dem V12 schon einiger Maßen zeigen was Sportlichkeit und Sparsamkeit betrifft. Das Problem: der 3.6l Motor war nie ausreichend kraftvoll, was nicht heißt, dass es schwach war aber für ein Prototyp reichte die Leistung nicht und der AJ6 war nicht leicht in seiner Leistung zu steigern. Aus diesem Grunde griff man zum AJ16 (Nachfolgermotor), der im XJ40 seine Debüt feierte, zurück. Dieser hatte 4.0l Hubraum und war deutlich moderner.
Verbunden mit dem neuen AJ16, wollte man dem 6 Zylinder alles geben, was überhaupt ginge. In den 80ern heißt das dann ein Turbolader. Nein, nicht nur einen Turbolader, es sollten ZWEI sein. So konnte dem XJ-S Mule dann ca. 350 ps (andere Quellen sprechen von 400 ps) entlockt werden - in 1987! Beide Garratt Turbolader schafften es den relativ langsam drehenden AJ16 (ca. 5000 U/Min war der Begrenzer) auf Trap zu bringen. Es reichte aber nicht. Die beiden Hinterräder waren mit der Leistung überfordert. Wenn man bedenkt, dass der Porsche 911er Turbo (3.3l) zum Zeitpunkt ca. 30 ps weniger leistete, hat Jaguar schon was Geiles gebaut
XJ41 Mule MotorraumUm den Bi-Turbo AJ16 überhaupt richtig reinbekommen zu können, musste es tiefer, weiter hinten und aufrechter montiert werden. Normal steht der 6 Zylinder leicht schräg um die Haube ordentlich flach zu bekommen (wobei das selbst nicht reichte und die R6 Motoren an einer etwas mehr gewölbten Motorhaube erkennbar sind). Das Gleiche gilt für Kühler, Klimakondensator und Ladeluftkühler. So konnte man die Luftfilter und die Luftansaugung vor den Kühlern platzieren und sie über die Kühler zu den Turboladern und dann durch Aluminiumrohren zu den Ladeluftkühlern und final zur abseits liegenden Drosselklappe führen.
XJ41 Mule HinterachseMit Ferguson, dem Partner, der einst mit Jensen im Interceptor/FF den ersten europäischen Allrad Sportwagen baute (Chrysler V8 mit deutlich viel Hubraum ), sollte ein Allradsystem für die XJ-S Basis entwickelt werden, welches den hohen Ansprüchen von Jaguar genügen sollte. Hierzu wurde das Fahrwerk komplett auf dem Kopf gestellt. Da die Jaguar Einzelradaufhängung (Jaguar Independent Rear Suspension -> IRS I) langsam an seine Grenzen gelangte, wurde eine modifizierte Hinterachse der 2. Bauform aus dem XJ40/XJ81 eingebaut. Dieser unterscheidet sich von der serienmäßig verbauten Achse dadurch, dass es keine Längslenker mehr hat sondern geschmiedete untere Querlenker, nur 2 statt 4 Federbeine und das Ganze nicht mehr in einem Käfig. Diese Achse bietet auch mehr Platz um Auspuffrohre durchzuführen, und hat die Bremsscheiben außenliegend, statt innen, wie es bis zum großen Facelift des XJ-S (daraus wurde dann der XJS) der Fall war. Mit dieser Hinterachsänderung konnte schon mal das Antriebssystem von Ferguson im Heck untergebracht werden.
Es wurde zu einem Kraftakt das Verteilergetriebe hinter dem Getriebe zu platzieren und davon abgehend eine Kardanwelle nach Vorne zu verlegen. Dies erforderte eine Vergrößerung des Kardantunnels und damit verbunden neue Längsträger, die entsprechend nach oben gebogen wurden, damit man das Differenzial und die Antriebswellen vorne unterbringen konnte. Die neue Kardanwelle sowie das Differenzial wurden links am Motorblock entlang geführt bzw. angebaut und die Antriebswelle für die rechte Seite, für die Zeit typisch, durch die Ölwanne geführt. Allgemein war es nicht schwer die Vorderachse umzubauen, da die Achsschenkel zwar Spindel hatten, diese aber gegen Wellen ausgetauscht werden konnten. Mit späteren Versionen des XJ (X308) wurden die Radlager sogar hohl ausgeführt - ob das eine Mitnahme aus dieser Entwicklung war?
XJ41 Mule RadkastenverbreiterungenXJ41 Mule RadkastenverbreiterungAufgrund des geänderten Fahrwerks und dem Bedarf an mehr Breite, mussten Radhausverbreiterungen montiert werden. Das Ergebnis kann man gut an den Bildern erkennen. Breite Arschbacken an einem ziemlich zierlichen Design. Hinten fallen einem die beiden lieblos wirkenden Auspuffrohre, die deutlich mittiger aus dem Nichts auftauchen im Vergleich zu den üblichen weit außenliegenden Endrohren.
Innen fallen die Unterschiede kaum auf, weshalb ich darauf nicht viel eingehen werde. Bis auf eine etwas breitere Mittelkonsole, welches man nicht erkennen kann, ist nicht viel passiert. Dadurch konnte Jaguar das Modell ziemlich gut vor den Augen der Bevölkerung und der Presse testen, ohne dass erkannt werden konnte, was drunter steckt. Ein Fahrbericht von vor wenigen Jahren besagt, dass der typische Turboschlag - wie bei Volvo und Saab in den 80ern und frühen 90ern noch generell üblich - nicht vorhanden war. Stattdessen zeigte sich der AJ16 mit BiTurbo Aufbau wie ein größerer Motor. Wie ein V12 der wirklich gut abgestimmt war. Beschleunigungswerte und Verbrauchswerte sind unbekannt, aber auch unnötig, da es nicht für den Serienbau gedacht war.
XJ41 Mule Vorne Links in BewegungXJ41 Mule Hinten Rechts in BewegungDas Fahrverhalten soll sehr agil gewesen sein. Der XJ-S war bekannt für eine so schon präzise Fahrweise verbunden mit viel Komfort. Der Prototyp soll aber an der Straße geklebt haben. Der XJ-S war schon mit RWD schon kein Leichtgewicht. Ca. 1.7T konnte es auf die Waage bringen. Fügt man Verteilergetriebe, vorderes Differenzial, neue Antriebswellen, weitere Kardanwelle, Turbolader, Ladeluftkühler und die schwerere Hinterachse hinzu, sind die 2 Tonnen schnell geknackt!
Am Ende hat man festgestellt, dass der XJ41 mit Allrad, Turbos und co zu schwer werden würde für den Markt, den er besetzen sollte. Es gab aber dafür viele Entwicklungsergebnisse, die besonders in der X300 Baureihe verwendet werden konnten. Besonders die Ergebnisse der Zwangsbeatmung des R6 Motors sollten Früchte tragen. Mit dem X300 XJ6R wurde dann der erste Zwangsbeatmete Motor dert Jaguar Serienfertigung vorgestellt - jetzt aber mit einem Eaton Kompressor statt den beiden Turboladern. Statt 350 ps waren es zwar "nur" noch 320 ps aber dafür deutlich einfacherer Aufbau und sofort abrufbarer Leistung. So haben ALLE Fahrzeuge mit Kompressor ihren Ursprung im XJ41 Prototyp.
(Quelle Bilder: prestigeandperformancecar.com und eigene Aufnahmen) |
Mon Oct 21 02:03:53 CEST 2024 | LT 4x4
Schönes Stück Autogeschichte.
Mon Oct 21 08:09:48 CEST 2024 | Andy B7
Cooles Auto! Den XJ-S fand ich schon immer schön, aber dieser ist dazu auch noch ganz besonders. Danke für die ausführliche Vorstellung!
Mon Oct 21 10:04:30 CEST 2024 | Gany22
Toll geschrieben und mega krank geile Karre um es mal frei Schnautze zu sagen. Löst unglaubliche "HABEN-WILL-GEDANKEN" aus. Wobei der Gedanke an die Unterhaltskosten den Wunsch danach sofort und vollumfänglich auslöscht!
Tue Oct 22 07:42:50 CEST 2024 | Malcolm-zodiac
Obwohl mein Herz den US Cars gehört, gefällt mir der Wagen sehr gut, auch die Farbe weiß. Allerdings 2 Details lassen mich zusammenzucken.
1. Die riesigen Beulen oberhalb der Radkastenverbreiterung
2. Die Heckpartie unterhalb der Stoßstange. Sieht aus als ob da Papier mit Tesafilm zusammengeklebt worden wäre.
Die Heckpartie kann man sicherlich noch verbessern, allerdings die 2 Beulen wird man nicht mehr wegkriegen. Das hätte man eleganter lösen können.
Ansonsten Daumen nach oben.
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Tue Oct 22 08:20:55 CEST 2024 | PIPD black
Mule halt. Nix serienreif. Da wird nunmal improvisiert, was das Zeug hält, nur damit das Ding endlich fahrbar ist.
Tue Oct 22 09:19:56 CEST 2024 | Trottel2011
Naja, dafür dass die Kiste nur zugesammengeschustert wurde um das Allradsystem und die Turbos zu testen, ist das schon ausreichend Wie gesagt: Mule.
Tue Oct 22 09:49:34 CEST 2024 | Malcolm-zodiac
Jetzt habe ich mir erst mal den Artikel richtig durchgelesen, vorher waren es nur die Zeilen mit den Leistungsangaben. Ich dachte, es wäre dein Auto, du hätttest ihn zusammengebaut. Jetzt ergeben auch die englischen Nummernschilder einen Sinn.
Also immer erst den ganzen Beitrag lesen, bevor man schreibt. Shit happens !
Tue Oct 22 09:59:36 CEST 2024 | LT 4x4
Ich finde die form der Kotflügel mal gar nicht so schlecht. Müßte man alles mal im Original gesehen haben. Bilder können da auch ganz schön täuschen. Da wurde eben Platz geschaffen, der wenigstens auf den Bildern nicht benötigt wurde. Man weiss ja nicht, was alles da so alles noch auf der Agenda gestanden ist. Breitere Achsen ? Größere Räder ? Dann macht es auf einmal Sinn. In jedem Fall ist es so schöner als, wie neuzeitlich üblich, einfach freizuschneiden und eine Kunststoffverbreiterung mit Spax draufzutackern.
Tue Oct 22 10:30:34 CEST 2024 | Trottel2011
Die Spur ist aufgrund der IRS II breiter (darum auch die breiteren Radkästen hinten, da ca. 2 cm breiter). Leider ist nicht bekannt welche Felgen auf dem Fahrzeug waren, als es getestet wurde. Wenn man den XJ220 bedenkt, hatte der deutlich breitere Räder. Es würde mich nicht wundern, wenn diese auch auf dem Testfahrzeug oben montiert waren/wären. Nur sind eben die Felgen auf dem Fahrzeug genau die, die auf dem Auto im Museum stehen.
Ich habe mir das Fahrzeug auch Live im Museum in Gaydon angeschaut (die richtig breiten Fotos sind meine) und man sieht echt, dass die Kiste zusammengeschustert wurde. Es sollte halt nicht wunderschön werden.
Tue Oct 22 12:28:34 CEST 2024 | PIPD black
Wie heißt es so schön: Technologieträger.
Funktionieren muss es.
Tue Oct 22 12:40:45 CEST 2024 | Lambo-Fan
Die Anmerkung "Wenn man bedenkt, dass der Porsche 959 zum Zeitpunkt ca. 30 ps weniger leistete,..." verstehe ich nicht so ganz. Hatte der Standard 959 doch 450 PS und somit nominell wenigstens 50-100 PS mehr.
Wed Oct 23 12:38:59 CEST 2024 | Trottel2011
Danke für den Hinweis! Ich hatte irgendwie nur 300 ps in Erinnerung... Ich korrigiere das mal eben. Danke! Ich dachte der 959er wäre der normale Turbo... Habs oben angepasst. Gegenüber dem normalen Turbo hat der XJ-S mehr.
Wed Oct 23 12:39:08 CEST 2024 | Andi2011
Ich "bewundere" grundsätzlich Leute die es sich leisten (können) einen älteren Jaaaaaag zu fahren, die bekannten Probleme aus der Bauzeit, von Rost über Getriebe/Fahrwerks/Lenkunsgprobleme und
Undichtigkleiten bis zum kompliziert zu wartenden V12 Motoren werden im ALter nicht besser - plus die Kosten für Unterhalt /Reparatur/Wartung....das muss man wollen!!
Hab letztens bei einem Oldietreffen ein nettes Gespräch mit einem älteren Herrn der sein XJS Coupe dabei hatte, ich glaube zweite Baureihe war das -. jedenfalls sah der optisch top aus, verschlang pro Jahr aber irgendwas um die 8-10tsd Euro im Mittel.
Unbestreitbar allerdings: Ein otisch wirklich schönes Auto!
Davon ab, sehr interesaanter Blog, hab von der Testversion noch nie gehört, vielen Dank dafür
Wed Oct 23 14:48:52 CEST 2024 | Dynamix
Ja, so Mules sind immer interessant! Man denke da unter anderem an den BMW "Goldfisch", einen E32 mit einem V16 Prototypen der dann auch so formschöne Lufteinlässe in den hinteren Kotflügel bekommen hat. Schön war das aber nicht, aber nötig weil die Kühler ins Heck gewandert sind.
Oder der Boxy Caprice den GM auf Basis einer Corvette C4 umgebaut hat um ein Fahrzeug zu haben das mit den Testvetten mithalten konnte, aber genügend Platz für Werkzeug, Ersatzteile und anderes Equipment der Testcrew hatte. Das Ding hast du auch nur an den Corvette Alus erkannt
Gleiches Spiel beim Prototypen für den 94-96 Impala SS. Den hat man sogar mehrfach umgebaut. Anfangs mit dem LT1 (glaube in dem Falle sogar wirklich aus der Corvette) und einem Handschaltgetriebe und ich meine gegen Ende hin mit dem 572er Big Block. Das hat bei GM auch ne gewisse Tradition: Man nehme ein Testmule und missbrauche das Ding als Testobjekt für neue Crate Engines. Es gab auch einen 57er Chevy in deren Portfolio der auch schon den ein oder anderen Vollumbau hinter sich hat. Da gab es mal nen Artikel in der C&F wo man den damals aktuellen Umbau vorgestellt hat. Der hatte meines Wissens einen LSX Motor bekommen.
Wed Oct 23 15:14:57 CEST 2024 | LT 4x4
Den habe ich mir neulich mal angeschaut.
Schon spannende Konstruktion.
So richtig Schick ? Naja, sagen wir mal: anders
Aber mehrteilige BBS mit Kreuzspeichen drauf.
Wed Oct 23 16:34:10 CEST 2024 | Trottel2011
Volvo hat damals z.B. gerne den Chevy Citation als Basis für Testfahrzeuge genutzt
Mon Oct 28 11:06:22 CET 2024 | kappa9
Es gibt so viele schöne Fahrzeuge, die es nie in die Serie geschafft haben.
Dieser gehört weit oben auf diese Liste.
Sehr schöner Beitrag! Danke dafür.
Deine Antwort auf "Die Unbekannten Schwestern - Teil 11, 4x4 Twin Turbo"