Fri Apr 24 20:47:37 CEST 2020 | Trottel2011 | Kommentare (17) | Stichworte: Automatik, Automatikgetriebe, Getriebe, GM, Iron Lady, Jaguar, TH400, turbohydramatic, überholung, V12, XJS, XJ-S
Hallo Motor-Talker!
Der SchieberkastenWir haben es geschafft, wir sind bei Teil 10 der Getrieberevision angekommen. Teil 10 von 4 Da meine Pläne sowieso immer wieder über den Haufen geworfen werden, ist das hier also nicht verwunderlich
Wählhebelventil, verbogenIn Teil 9 haben wir die Modifikation am R-Gang vorgenommen, indem wir den Aktuatorstab austauschten und den Druck bzw. Zuflussmenge per Reduzierung, angepasst haben. Dadurch sollte R deutlich weicher eingelegt werden können - dies ist eigentlich die einzige Stelle im Getriebe, welches vereinzelte Probleme bereitet. Somit können wir uns an den schwersten (Gewicht!) Teil des Getriebes machen: dem Schieberkasten.
Gefühlt wiegt das Ding eine Tonne. Es ist aus Gusseisen (ggf. sogar Gussstahl) und mit vielen Kanälen und Fräsungen ein kleines Wunderwerkchen amerikanischem Ingenieurskunst, welches heute leider doch stark nachgelassen hat... Ich gehe im Schieberkasten nicht tief in die Materie. Das Problem: man sieht leider zu wenig, was darin passiert. ABER, es passiert eine Menge und das alles mechanisch bzw. hydraulisch. Die einzigen "Inputs" die der Schieberkasten bekommt sind:
- manuelle Fahrstufenwahl (Eingabe per Wählhebel) - Kickdown (Eingabe per Schalter am Drosselklappenturm per Magnetschalter im Getriebe) - Fliehkraftregler (welches die Drehzahl per Ventilöffnungsstellung meldet) - Unterdruck (per Anschluss an Ansaugbrücke, wirkend auf Unterdruckmodul am Getriebe)
Check Balls eingesetztAnsonsten gibt es keine weiteren Signale im Getriebe. Alles Andere ist unnötig. Wer braucht schon "Schließungsmeldung" im Getriebe. Wer braucht Temperaturen und co. Das ist alles unnötig
Ein Versuch den Kasten soweit kurz zu erklären indem ein Ablauf von Signalen und Befehlen eingehalten werden:
1. Motor gestartet, ich lege D ein. 2. Wählhebel wirkt auf Fahrstufenschieber ein. Ventil öffnet den Zulauf zur 1. Fahrstufe 3. 1. Fahrstufe wird per Öldruck aktiviert (Bremsband und/oder Kupplungspaket werden betätigt) 4. Man rollt los und beschleunigt. 5. Fliehkraftregler erkennt Drehzahl, öffnet aber noch keine Kanäle. 6. Fliehkraftregler öffnet Kanäle da Drehzahl X erreicht wurde. 7. Ventil im Schieberkasten öffnet, drückt 1. Fahrstufe raus, aktiviert 2. Fahrstufe (per Bremsband und/oder Kupplungspaket) 8. 2. Fahrstufe ist drin. Beschleunigung endet, Drehzahl ist aber schon recht hoch. 9. Unterdruckdose registriert hohen Unterdruck, öffnet Ventil 10. 3. Fahrstufe wird aktiviert/eingelegt. 11. Das Gaspedal wird durchgetreten, die Übergasschaltung betätigt ein Schalter am Gaszug. 12. Im Getriebe wird ein Magnetschalter betätigt 13. Wenn Fliehkraftregler unter Wert X liegt, wird die 2. Fahrstufe eingelegt.
Schieberkasten eingefädelt und Leitungen eingestecktSo quasi dürfte das im Groben bei der TH400 funktionieren. Und das alles reinmechanisch/-hydraulisch. Es ist schon spannend. Natürlich wurde die Funktion immer erweitert. Die 4L80E (Nachfolgegetriebe) bekam ein elektrisch zuschaltbares Overdrivegetriebe hinten als 4. Fahrstufe. Wann welches Ventil im Schieberkasten betätigt wird, kann ich nicht einfach nachvollziehen.
Zurück zu unserem Schieberkasten. Den wollen wir wieder einbauen. Der Schieberkasten benötigt noch eine Trennplatte zwischen den ATF Gängen im Gehäuse sowie dem Schieberkasten. Dieses wird durch 2 Dichtungen (Papier) und eine kleine Platte erreicht. Dadurch sind verschiedene Kanäle von einander getrennt. Die Dichtungen sind beide unterschiedlich und werden durch Kennbuchstaben hervorgehoben.
Ich habe bei der Begutchtung meines Schieberkastens festgestellt, dass ein Schaden vorhanden ist. Das Ventil, welches durch den Wählhebel betätigt wird, ist am Betätigungsende leicht verbogen. Kann das einmal daher kommen, dass ich evtl. zu rabiat damit umging? Oder war es vielleicht vorher schon defekt? Egal, es ist zu spät. Das Ventil MUSS stramm sitzen. Zwar nicht schwergängig sein aber stramm, dass es alle Öffnungen abdichten kann. Schliesslich wird durch dieses Ventil entschieden, welches "Programm" gefahren wird. Zum Glück habe ich noch einen 2. Schieberkasten mit Ventil. Also wird hier geschaut: wie schaut der Schieber aus und passt es in den alten Kasten rein? Selbstverständlich! Präzision kann GM Das Ventil ist sogar vom Material her im besseren Zustand als das was vorher drin war.
Parkkralle eingebautSchieberkasten ist am dran sein Endlich! Und was taucht auf? Eine beschädigte Stelle zwischen 2 Kanälen. Die Oberfläche ist hier leicht aufgeraut. Ich vermute mal ein Transportschaden oder irgendwas ist drauf gefallen. Alles gar kein Problem. Wir können z.B. die Stelle vorher abschleifen und die Defekte mit Flüssigmetall ausfüllen und wieder glätten. Oder wir schauen einfach dass wir kein Materialabtrag haben und prüfen die Dichtheit... Ich habe mich dazu entschieden die Stelle zu glätten. Sollte das nicht reichen, kann ich noch immer im Fahrzeug die Stelle wieder richten. Hier muss ich gestehen, sehe ich den Sinn nicht ein, die Stelle soweit zu perfektionieren. OB das Getriebe wieder 1A funktioniert, sehen wir sowieso erst wenn die Iron Lady wieder ein Herz hat
Wir haben den Magnetschalter für den Kickdown noch einzubauen. Dieses wird nur mit 2 Schrauben festgeschraubt. Natürlich muss man noch eine Dichtung einsetzen... Vorher muss die Gehäusedichtung, gefolgt von der Separation Plate, auf die Kanäle gesetzt werden. Dann kommt das Magnetventil. Das "Kabelchen" stecken wir dann an die Gehäusedurchführung und haben da schon mal die Kickdownfunktion wieder hergestellt. Bestens!
Alles für den Filter vorbereitetFilter eingesetztSetzen wir den Schieberkasten ein. Hier muss noch ein Aktuator eingesetzt werden. Es ist schon mal für das kleinere der beiden Bremsbänder. Einfach langsam reindrücken, ohne zu viel Kraft zu verwenden. Nun vorsichtig die 2. Dichtung zwischen Separation Plate und Schieberkasten aufstecken und die "Valve Body" soweit vorsichtig herablassen. Die Leitungen müssen ohne Druck in die Öffnungen gesetzt werden. Die Dichtungen sitzen? Sehr gut! Wir ziehen alle Schrauben fest und sind da schon mal gut vorangekommen.
Die Parkkrallenhalterung sowie die Fahrstufenarretierung sind fällig. Die Parkkralle ist Fummelkrams. ABER ich habe mir erlaubt ein Video zu machen wie es funktioniert. Sowas ist schon spannend. Eine einfache Sache, wie den Wählhebel auf P zu stellen, wird über diverse kleine Ecken umgelenkt und verhindert, dass das Fahrzeug wegrollen kann.
Nun ist es Zeit den neuen ATF Filter einzusetzen (Achtung! Der Filter ist "schwebend" zu montieren). Dazu setzen wir den Ansaugstutzen in die rechte Ecke des Getriebes - hierbei passen wir drauf auf, dass der Stutzen mit einem neuen Gummiring versehen wird. Ist kein Gummiring vorhanden, muss man eins aufsetzen, ansonsten zieht die Ölpumpe auch einiges an Luft. Stutzen drin, Ölfilter drauf, die zentrale Schraube samt Abstandshalter festziehen und der Filter ist drin. Das Getriebe benetze ich noch mit ATF, damit sich hier kein Rost bilden kann. Besonders weil ich nicht weiß wie lange ich brauche bis es im Auto wieder drin ist...
Getriebe endlich komplettSeite/HintenNun die Ölwanne. Tja, die Ölwanne. Dieses gestanzte Teil ist mir ein Dorn im Auge! Kaltes ATF ist für das Getriebe ein Segen. Wenn der Motor läuft und das Auto gefahren wird, wird auch viel Wärme erzeugt. Dieses wird zwar per Öl-Wasser-Kühler im Motorkühler gekühlt, aber wirklich "kühl" wird das nicht. Besonders nicht, weil es auf der Warmseite des Kühlers "gekühlt" wird. Dü dümm... Nicht sehr klug. Die Seite des Kühlers ist meistens um die 95°C (wenn der Motor nicht gerade ordentlich Dampf bekommen hatte). Um diese Problematik zu beseitigen, gibt es die Möglichkeit das ATF in der Ölwanne mittels Ölwanne mit Kühlrippen zu kühlen. Das Problem, die Ölwannen sind nicht günstig UND, das viel schlimmere, es ist evtl. nicht im XJ-S passend. Also muss ich mich vorerst mit der ollen Ölwanne abmühen. Darum nutze ich nicht die neue silikonhaltige Dichtung, wie ich es bereits liegen habe, sondern die normale Korkdichtung. Es soll halt nur dicht sein. Wenn die neue Wanne irgendwann dann doch rein soll, tausche ich sie eben aus. Wenn es nicht passt, wird eben die Dichtung ausgetauscht.
Und hiermit sind wir am Ende der TH400 Sanierung. Das ist wahrscheinlich das komplizierteste Teil, welches ich bisher angegangen bin. Es ist nochmal eine Nummer anders als eine 5HP24. Einen letzten Artikel dazu wird es noch geben. Das wird aber die Zusammenfassung samt Kosten sein. Mal schauen was als nächstes kommt Wahrscheinlich den Motorraum schick machen Alles Andere ist ja bereits fertig. |
Fri Apr 24 21:28:56 CEST 2020 | PIPD black
Sehr sehr geil mal wieder.
Respekt, dass du das Ding wieder zusammenbekommen hast.
Das wäre nicht meins.
Fri Apr 24 22:39:31 CEST 2020 | ElHeineken
Da wundert es mich nicht, dass Heynes bei ihren Reparaturhandbüchern zwar die komplette Motorrevision drin hat aber beim Automatikgetriebe immer "wenden sie sich an einen Spezialisten" schreibt
Fri Apr 24 23:34:41 CEST 2020 | AgilaNJOY
Sehr schön beschrieben - ich versteh jetzt ein bisschen mehr davon !
Würde mich nie an sowas ran trauen, aber ich glaube, bei Dir wird's was...
Sat Apr 25 09:45:10 CEST 2020 | Sir Firekahn
Beeindruckende Arbeit. Vielleicht mache ich nächstes Jahr mal ein manuelles Fünfganggetriebe neu, aber das hier ist ja Raketenwissenschaft
Sat Apr 25 12:48:03 CEST 2020 | Trottel2011
Es geht eigentlich. Ein Schaltgetriebe würde ich eher als schlimmer bezeichnen. Wobei beim Schaltgetriebe alles beim Zusammenbau getestet werden kann. Hier erst mit laufendem Motor
Sat Apr 25 12:48:39 CEST 2020 | Trottel2011
Haynes sollte einfach ein Bild von einem Eimer voll mit Teilen in die Anleitung stellen...
Sat Apr 25 12:49:12 CEST 2020 | Trottel2011
Mach mal Dann wären beide Getriebeversionen mal hier
Sat Apr 25 18:18:14 CEST 2020 | Jungbiker
Der Murmelautomat ist der absolute Wahnsinn. Sieht aber schön aus.
Ist das Ameisenlabyrinth eigentlich Dichtfläche? Ich stell mir gerade den Spaß vor, wenn man da Dichtmasse auftragen muss.
Respekt, dass Du da durchblickst. Ich gehe mal davon aus...
Sat Apr 25 18:29:33 CEST 2020 | Dynamix
Durch das Labyrinth geht meines Wissens die Getriebeflüssigkeit durch. Aber Trottel kann das sicherlich noch besser erklären
Sat Apr 25 19:48:18 CEST 2020 | Trottel2011
Ja, aber man dichtet mit Papier ab statt mit Dichtmasse. Alles Andere würde die Kanäle verstopfen. Und ein verstopftes Kanälchen bedeutet Schmiermangel oder keine Hochschaltung
Es ist schwer zu sagen wo was lang läuft, weil die Dichtplatte (Separator Plate) teilweise das ATF komplett umleitet. Teilweise auch einfach stoppt.
Mon Apr 27 14:59:00 CEST 2020 | falloutboy
Ich weiß gerade nicht ob ich es früher schon mal gepostet habe, wenn nicht ist es hoffentlich noch nicht zu spät.
https://www.sonnax.com/.../...play-to-prevent-th400-gear-train-failure
Mon Apr 27 18:51:31 CEST 2020 | Trottel2011
Keine Sorge, das passt alles Alle Angaben gemäß Jaguar Vorgabe
Sat May 02 18:58:30 CEST 2020 | Espargon
Eine wirklich saubere Dokumentation - alle Achtung!
Und das, was ich erlebte, soll allen eine Warnung sein, die ihr Automatik-Fahrzeug jeden Tag beruflich benötigen:
Was sagte der Peugeot-Markenhändler zum ZF-(Wandler-)Getriebe seinerzeit?: "Hier kommt nur ein Austauschgetriebe in Frage. Wir beschaffen es Ihnen auch gerne, aber am V6 haben wir das noch nie getauscht, weshalb sie den Austausch woanders machen lassen müssen".
Was sagte der Citroen-Markenhändler 1 Stunde später dazu?: "Aus- und einbauen tun wir Ihnen das Getriebe, aber nicht reparieren". (Ersatzteilpreis bei ZF: knapp 100,-)
2 x Audi-Wandlergetriebe und 1 x Mercedes Wandlergetriebe: Auch hier versagten die Markenwerkstätten, also jeweils Eigenregie - umgangssprachlich auch Sklavenarbeit genannt.
Aber immerhin bekommt man von ZF die technischen Unterlagen und die Ersatzteile. Die Werkstätten waren zur Beschaffung nicht in der Lage.
Sat May 02 19:25:12 CEST 2020 | Trottel2011
Früher hätte man sie ausgebaut und überholt. Heute wird nicht einmal gerne getauscht. Das Personal ist nicht ausreichend geschult...
Sat May 02 21:05:41 CEST 2020 | PIPD black
Wundert ja auch nicht, wenn man bedenkt, dass so ein blöder Simmerringwechsel an der Kurbelwelle beim Ford Ränger mit 3-4 Tagen Werkstattaufenthalt gerechnet wird. In der Zeit kann man mit Ölwechseln deutlich mehr Kohle verdienen.
Sat May 02 23:02:32 CEST 2020 | Trottel2011
3-4 Tage? Bauen die dir dann einen neuen Motor zusammen!?
Selbst Motor raus, Motor rein dauert keine 3-4 Tage...
Sat May 02 23:14:29 CEST 2020 | PIPD black
Kann ich dir nicht genau erklären, aber das Auto haben sie mir sicherheitshalber für die ganze Woche abgenommen. Mittwochabend kam aber der Anruf, dass er fertig sei. Macht dann effektiv 2,5 Tage Werkstattaufenthalt für Getriebe raus, Wellendichtring wechseln und Getriebe wieder rein. Werksvorgabe sind 3 Tage.
Zum Glück gibt es IMMER einen kostenlosen Ersatzwagen.
Deine Antwort auf "Getriebeallerlei auf Amerikanisch, Teil 10: der Schieberkasten und die Ölwanne"