Mon Apr 23 15:46:35 CEST 2018 | GaryK | Kommentare (53) | Stichworte: Stickoxide
Im zweiten Teil zum Thema "Stickoxide" gehts nun um die Realität der Euro-5 Diesel sowie die "Vorschriften", die sowas angeblich zugelassen haben. Ums vorweg zu nehmen - würden wir als Bürger das Steuerrecht bzw. die daraus entstehenden Zahlungsverpflichtungen derartig großzügig "interpretieren", säßen wir alle im Knast. Warum Stickoxide limitiert sind? Eigentlich wärs einen eigenen Artikel wert. Die BLÖD Zeitung und denen intellektuell ziemlich nahestehende Foristen weist immer wieder darauf hin, dass der MAK Wert weitaus höher ist. Was aber nicht interessiert - MAK Werte sind Kurzzeitexposition "junger und gesunder Menschen", für die Bevölkerung gelten jedoch solche Werte, die alle (also auch Kinder, Alte und Kranke) wahrscheinlich nicht beeinträchtigt. Wer eine Kurzzusammenfassung lesen möchte:
... diese Stellungnahmen waren u.a. die "wissenschaftliche Reaktion" auf den ziemlich weichgespülten Abschlussbericht der VW Kommission. Leitung: Sigmar Gabriel, ehemaliges VW Aufsichtsratsmitglied und als Niedersachse (bzw. dessen Politiker) quasi Miteigentümer. Für die Politik ist im Zweifelsfall (also immer) "alles noch nicht ausreichend geklärt", "es gibt noch Forschungsbedarf...." um einen Grund zu finden nicht handeln zu müssen. Besonders die Datensammlung von Frau Prof. Peters gibt eine gute Übersicht über den Stand der Forschung. Und da steht nicht wirklich "eigentlich ists halb so wild". Ganz im Gegenteil. Sieht das Positionspapier der deutschen Gesellschaft für Pneumologie sowie das Schweizer Umweltministerium sehr ähnlich.
Sonstige Studien: http://erj.ersjournals.com/content/38/2/303 " Another systematic review of the health effects caused by environmental NO2 reported that there was moderate evidence that short-term exposure (24 h), even for mean values <50 µg/m³ NO2, increased both hospital admissions and mortality [21]. The review also reported that there was moderate evidence that long-term exposure to an NO2 level below the World Health Organization (WHO) recommended air quality annual mean guideline of 40 ?g·m?3 was associated with adverse health effects (respiratory symptoms/diseases, hospital admissions, mortality and otitis media)."
Und https://academic.oup.com/aje/article/165/4/435/109238 sagt: "A consistent effect on all causes of death was found for both sexes and age groups by all indicators of air pollution. The effects appeared to increase at nitrogen dioxide levels higher than 40 µg/m³ in the youngest age group and with a linear effect in the interval 20–60 µg/m³ for the oldest. An effect of all indicators on cardiovascular causes, lung cancer, and chronic obstructive pulmonary disease was also found in both age groups and sexes. The effects were particularly strong for chronic obstructive pulmonary disease, which appeared to have linear effects, whereas cardiovascular causes and lung cancer seemed to have threshold effects. Results show that vulnerable persons with chronic obstructive pulmonary disease and the elderly seem to be susceptible to air pollution at lower levels than the general population."
https://www.uniklinikum-jena.de/.../...%9Fert%20Herzinfarktrisiko.html
"Prof. Matthias Schwab, Leitender Oberarzt der Klinik für Neurologie und Koautor der Studie erklärt: „Das akute Herzinfarktrisiko in unserer Studie verdoppelte sich in etwa, wenn die Stickoxidkonzentration innerhalb eines Tages um 20 Mikrogramm pro Kubikmeter anstieg“. „Rasche Anstiege der Stickoxidkonzentrationen treten auch in einer vermeintlich sauberen Stadt wie Jena etwa 30-mal pro Jahr auf. Verantwortlich hierfür ist wahrscheinlich ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen oder meteorologische Faktoren, die eine Smogentwicklung begünstigen“, führt Dr. Rakers weiter aus."
Die "Wissenschaft" ist sich relativ einig, dass die NO2 Grenzwerte streng sind, aber eher zu hoch als zu tief angesetzt sind. Was manche "Bild/Focus" Experten unter Verweis auf MAK Werte schreiben ist an Schwachsinn kaum zu überbieten.
WHO Paper zu NOx samt Quellenangaben: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK138707/ ... siehe auch https://academic.oup.com/ije/article/27/6/995/668541 (1998), https://academic.oup.com/ije/article/29/5/862/821457 (2000) oder https://erj.ersjournals.com/content/38/2/303 bzw. für den Einfluss von NOx auf Kinder bzw. Schwangere https://link.springer.com/article/10.1186/1476-069X-9-6
Kommen wir nun zum Standard-Schuldigen sobald es um Dieselmotoren bzw. NOx geht. Angeblich ist die EU an allem Schuld. Thema "ungenaue Vorschriften" . Was ist eigentlich "gefordert"? Relevant ist die EU Richtlinie 715/2007, diese ist im Originaltext unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32007R0715&from=de abrufbar.
Was steht drin? Noch kein Grenzwert, aber die grundlegenden Anforderungen.
Zitate aus dieser Vorschrift - Artikel 4 Absatz 2:
Artikel 5
Was eine Abschalteinrichtung ist, das steht in den Begriffsbestimmungen.
Zwei wichtige Punkte: Den Passus "dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht" kann ich als juristischer Laie sogar so lesen, dass die präzisen NEFZ Vorgaben für Grenzwerte nicht nur bei Test-Temperatur und -Bedingungen, sondern bei allen "normalen Betriebsbedingungen" einzuhalten seien und der NEFZ ist eben eine Teilmenge davon. Autsch, das wäre bitter. Und damit wären auf einmal alle Diesel dieser Baujahre "illegal". Dürfte der Politik klar sein ....
Trotzdem lautet(e) die amtliche Lesart "NEFZ ist NEFZ und alles andere ist nicht begrenzt". Was nicht stimmt. Thema "Abschalteinrichtung" und deren Definition. Wichtig ist der Passus "die Bedingungen in den Verfahren zur Prüfung der Verdunstungsemissionen und der durchschnittlichen Auspuffemissionen im Wesentlichen enthalten sind." ... wenn also z.B. eine Abschaltung des AGR bei bestimmten Lastzuständen im Prüfzyklus enthalten wäre und der Karren schafft die Norm trotzdem - ok. Enge "Thermofenster" wie bei Opel/Mercedes, Zeitschalter wie bei Fiat oder gar gleich eine Prüfstandserkennung wie bei VW - klar illegal, da die Abgasreinigung unter "üblichen Bedingungen" nicht mehr arbeiten kann. Ob sowas installiert ist - bisher hat es das KBA und Verkehrsministerium nicht wirklich interessiert. NEFZ nebst TÜV Siegel bestanden? Ok, Stempel drauf.
Apropos Abschalteinrichtung: Auf die Idee, dass diese beim Anlassen des Motor ausnahmsweise zulässig ist - darauf kann auch nur ein EU-Bürokrat kommen. Ein Drehzahlbegrenzer ist unabhängig von diesem unfreiwilligen Humor somit genau so eine "zulässige" Abschalteinrichtung wie die (kurzfristige) Volllastanfettung bei Benzinern. Diese senkt nunmal Temperaturen am Auslassventil und verhindert ein "Durchbrennen" dessen. Wenn der Motor in den ersten Sekunden nach Start "gemäß Kennfeld ohne Lambdaregelung" fährt - ists im NEFZ mit geprüft worden, das ist ok. Wenn ein Hersteller jedoch seinen Motor so bauen würde, dass diese Anfettung bei "normalem Fahrzeugbetrieb" ständig anspricht - hab nicht den Eindruck, dass dieses laut dieser angeblich unklaren / schwammigen EU 715/2007 ansatzweise "zulässig" sein kann.
Edit und Update 12/2018: Ists auch nicht. Siehe https://www.n-tv.de/.../...Diesel-werden-moeglich-article20771341.html als es um die Zulässigkeit höherer RDE Grenzwerte als "Normgrenzwerte" ging:
Scheinbar lag ich mit meiner Ansicht gar nicht mal so falsch. IM PRAKTISCHEN FAHRBETRIEB bedeutet, eigentlich hätten die Euro-2 bis 5 Diesel das auch schaffen müssen. Real, nicht Prüfstand. Keine Dauerausnahmen. Egal ob RDE gemessen wurde oder nicht.
Das Landgericht Stuttgart siehts genau so: http://lrbw.juris.de/.../document.py?Gericht=bw&nr=26496 .... Eine "Dauerausnahme" ist unzulässig.
Das betrifft wie das LG Stuttgart festgestellt hat nicht nur Schummelsoftware zur Prüfstandserkennung, sondern auch die engen "Thermofenster" wie diese u.a. Opel und Mercedes Benz benutzt hat. Wenige Grad um den NEFZ Prüfzyklus herum ist dieses aktiv, sonst "eher nicht". Dass ein AGR mit dem Wasserdampf im Abgas bei Minusgraden des Motors nicht sauber funktionieren kann - bestreitet keiner. Niemand will in diesem einen Eisklumpen züchten. Aber wenn alles schön warm ist - dann ists klar illegal das AGR nur innerhalb des NEFZ Last- und temperaturbereichs zu nutzen und ansonsten "gar nicht". Apropos Temperaturbereich: https://www.gruene-bundestag.de/.../Gutachten_Abschalteinrichtungen 400s nach einem -7°C Kaltstart hat die Abgasreinigung auch im Winter zu arbeiten. Wer die Messungen der DUH/ADAC verfolgt - praktisch betrachtet "vermutlich nicht".
Wer übrigens ein Rechtsgutachten zum Thema "Abschalteinrichtungen" lesen will, dem sei die Stellungnahme von Professor Führ (Verwaltungsrechtler) ans Herz gelegt: https://www.bundestag.de/blob/481344/c6f582c8598c9d6b62fcfb2acd012462/stellungnahme-prof--dr--fuehr--sv-4--data.pdf ... dieser verwaltungsrechtlichen Ansicht hat sich die damalige "Regierung" unter Minister Dobrindt (ich enthalte mich einer Wertung über seine Person) "erstaunlicherweise" nicht angeschlossen. Ich würde bei meiner Steuererklärung auch gerne Werbungskosten (bzw. "Motorschutz") deklarieren, ohne deren Notwendigkeit bzw. Angemessenheit überhaupt nachweisen zu müssen und hätte gern die Rückendeckung des zuständigen Finanzministers für diese Einstellung.
Update: Mittlerweile ist auch das KBA aus dem 20-jährigen Tiefschlaf aufgewacht. Daimler darf wegen Abschalteinrichtungen AUSSERHALB des NEFZ Zylus zurückrufen (https://www.zeit.de/.../...774000-diesel-zurueckrufen-180611-99-676858). Zitat: "Für das Bestehen des maßgeblichen Test-Zyklus NEFZ sind die in Frage stehenden spezifischen Programmierungen nicht erforderlich". Was nichts anderes bedeutet als "außerhalb ist vermeidbarer Dreck nicht gestattet". Dass bisher "nicht geprüft" wurde scheint vorbei zu sein. Siehe auch https://www.welt.de/.../...el-soll-Diesel-Werte-manipuliert-haben.html ... auch bei Opel gehts nicht darum, dass der Prüfzyklus irgendwie erkannt und umgeschaltet wird, sondern dass deren Motoren auch unter geringen Lasten und moderaten Temperaturen Dreck erzeugen, wo physikalisch/chemisch eigentlich keiner entstehen muss. Aber z.B. Abgasrückführungsventile "billiger" und "haltbarer" konstruiert werden können.
Was sich das Ministerium (damals) erarbeitet hat, das ist unter http://www.bmvi.de/.../...t-untersuchungskommission-volkswagen.pdf?... abrufbar. Ich empfehle das zu lesen - viel Blabla und ansonsten nicht viel. Vorher bitte die Folien von Prof. Peters durcharbeiten. Und man vergleiche, was damals unter "Dobrindt" passiert ist und nun abgeht. Siehe https://de.wikipedia.org/.../Alexander_Dobrindt?...
Zurück zum Thema. Hätte "man" das sehen können, dass diese Motoren im Alltag dreckig sind? Ja, natürlich. Die Behörde hätte nur hinschauen und die richtigen Fragen stellen müssen. Wie man auch ohne Emissionsprüfstand sowas selbst als Beamter auf dem warmen Bürostuhl herausfindet, ich gehe es gerne beispielhaft an einem Diagramm durch. Dieses Diagramm ist der Studie des DVFG (Flüssiggas-Verband) unter https://www.dvfg.de/.../Untersuchung_HTW-Saarland-NOx-Pkw-final.pdf entnommen. Die sind auf den "abstrusen Gedanken" gekommen, einen PKW nach LKW Kriterien zu untersuchen. In der Abgasnorm für LKW und der starken Abhängigkeit des Verbrauchs von deren Beladung (Masse) ist in dieser Norm als "Limit" nicht die "mg/km" wie beim PKW vorgeschrieben, sondern Milligramm je Kilowattstunde Wellenarbeit. Ein leerer LKW mit 10t hat halt einen anderen Rollwiderstand als ein voller mit 40t. Für Euro-5 LKW liegt das Limit bei 2000 mg/kWh, bei Euro-6 sind es maximal 450 mg/kWh.
Für den Euro-6 Astra B16DTH mit rund 140PS@3500 RPM und 300 Nm Spitzendrehmoment sieht dieses Diagramm mit der spezifischen NOx Masse je kWh als Funktion von Drehzahl und Last ("quasi" Gaspedalstellung) wie folgt aus:
Die orangefarbene Linie ist das Limit, was ein Euro-5 LKW maximal ausstoßen darf und die "rote" würde für einen einen Euro-6 LKW gelten. Dieser "frühe" Euro-6 Opel-Motor ist ein typischer Schummeldiesel und hat die PKW Norm irgendwie auf dem Prüfstand geschafft. Ein VW, Fiat, Benz (you name it) dieser Hubraum- und Leistungsklasse hätte nicht anders ausgesehen.
Was als erstes auffällt: Das ausgesprochene Emissionsloch weit unten links mit kleinen Lasten. Da ist der sauber. Sonst "eher nicht". Will man den "sauber" fahren, darf man das Gaspedal wirklich nur streicheln und am besten mit Tempomat hinter nem LKW herzuckeln. Spendet auch noch Windschatten...
Wie viele Stickoxide kommen raus? Sobald das Gaspedal "relativ unten" ist und 70% Last überschritten werden, dann liegen faktisch "egal bei welcher Drehzahl" über 3000 mg/kWh an. Wie viele Stickoxide sind das je Kilo Brennstoff? Aus dem ersten Teil wissen wir, dass ohne jede Abgasreinigung und 30 Jahre alte Technik etwa 20 Gramm je Kilo "normal" sind. Wenn ich dem Dieselmotor 35% mittleren Wirkungsgrad unterstelle, dann werden aus einem Kilo Diesel mit thermischen 12,6 kWh/kg immerhin 4.4 kWh mechanische Arbeit. Bedeutet aber auch: 3000 mg/kWh mal 4.4 kWh sind somit 13 Gramm Stickoxide je Kilogramm verbrannter Dieseltreibstoff, bei 4000 mg/kWh liegen wir bei fast 18g je Kilo Brennstoff. Wir erinnern uns kurz an den ersten Teil dieses Beitrags - eine "effiziente Abgasreinigung" sieht anders aus. Zum Vergleich: Der Euro-5 LKW Grenzwert von 2000 mg/kWh erlaubt unter den selben Annahmen nur 8.8 Gramm/kg, bei Euro-6 wären es beim Brummi nur 2 Gramm.
Da wir aber keinen LKW haben, schauen wir in die Prüfnorm und rechnen etwas: Der Opel Diesel ist mit 5.1 Litern im NEFZ auf 100 km angegeben, kein untypischer Wert für diese Vierzylinder aus der 100kW Klasse. Das sind etwa 4.3 Kilo Brennstoff je 100km bzw. 43 Gramm Brennstoff je Kilometer. Als Euro-5 Diesel mit 160 mg/km Grenzwert erwartet der Prüfzyklus somit spezifische Emissionen UNTER 3.4 Gramm je Kilogramm Brennstoff, bei Euro 6 ists die Hälfte und damit 1.7 Gramm. Theoretisch sollte dieser Motor die LKW Norm packen. Kleines SChmankerl: Je größer und durstiger der Motor, desto geringer haben die "spezifischen Emissionen" in g/kg zu sein. Alltagswerte von real 800 mg/km (Euro-5) und jenseits 400 mg bei Euro-6 bedeuten für den "5l verbrauchenden Diesel" also spezifische Realemissionen von etwa 18 g / kg bzw. 9 g/kg. Erstes schafft man quasi ohne jede Abgasreinigung. Siehe Teil 1, die meisten Diagramme NOx in g/kWh gegen z.B. Partikel enden irgendwo bei 20 g/kg. Übrigens auch vor 30 Jahren, lediglich die Partikelmasse sinkt im Laufe der Zeit deutlich. Dem hohen Einspritzdruck sei es gedankt.
Würde ein Amt dieses Emissionskennfeld für verschiedene "typische" deutsche Lufttemperaturen anfordern (was es laut der EU 715/2007 Artikel 13 Buchstabe C, D und E darf und der Hersteller zu liefern hätte), wäre sehr leicht zu ermitteln ob und wo gepfuscht wird oder nicht. Dann kann man sich amtlich vom Hersteller gerne erklären lassen, wieso "sowas" zwingend sein muss und technisch gar nicht anders geht. Idealerweise könnte ein Amt einfach anfordern, wieviel Gramm je Kilo Brennstoff und typischen Temperaturen im gesamten Lastkennfeld bei (a) Kaltstart und (b) Betriebstemperatur emittiert wird. Da sieht dann auch der dümmste Verwaltungsbeamte mit der Vorgabe "Euro 6 sind unter 2 Gramm je Kilo Brennstoff, jenseits 10-20 bedeutet "quasi keine Abgasreinigung", wo der das zu prüfende Fahrzeug zunehmend "dreckig wird". Wie so ein Diagramm aussehen kann wenn die Abgasreinigung tatsächlich funktioniert - siehe https://www.motor-talk.de/.../nox-und-autogas-t5624549.html ... Wahrscheinlich ist jeder Euro-2 Benziner sauberer als das, was VW/Benz (you name it) mit dem Euro-6 Label der Schummeldiesel samt Energieeffizienzklasse-Aufkleber rausgebracht hat. Die hauen auf den ersten 5-10 Kilometern bereits mehr Stickoxide raus als ein Ottomotor während einer kompletten Tankfüllung.
Eine andere Option wäre ein simpler mathematischer Ansatz. Auch hier wird das Emissionskennfeld eines Motors genommen, wie man es leicht von LKW Prüfständen erhalten kann und was wie bereits erwähnt ein Hersteller im Rahmen seiner Nachweis- und Kooperationspflicht abzuliefern hat wenns ein Amt anfordert. Man muss sich nur ein paar "typische Lastpunkte" ausrechnen. Wie man sowas macht ist recht einfach. Die Bewegungsgleichung sagt: Gesamtwiderstand ist Rollwiderstand plus Windwiderstand plus ggf. "Trägheitskraft" beim beschleunigen und Kraft für Steigungen. Letzte lass ich außen vor.
Rollwiderstand ist typisch 0.01 mal Masse mal Gravitationskonstante Windwiderstand ist 1/2 mal Luftdichte mal Cw mal Stirnfläche mal Geschwindigkeit hoch zwei Trägheitskraft ist einfach Masse mal geforderte Beschleunigung.
Aus der jeweiligen Kraft kann die Leistung und aus der Leistung bei bekannter Drehzahl (Geschwindigkeit, Gang) nun das angeforderte Drehmoment berechnet werden. Leistung ist einfach Kraft mal Geschwindigkeit. Und nun gilt noch Leistung ist Drehmoment mal Drehzahl durch 9550 wenn man die Leistung in kW und die Drehzahl in "pro min" angibt. Schon hat man zusammen mit der Getriebeübersetzung Anhaltspunkte, die man in das Emissions-Diagramm einzeichnen kann.
Also nehmen wir ein paar typische Geschwindigkeiten wie die 50 innerorts, 80, 120 und 140 und rechnen dazu Drehzahlen (höchster Gang wenns geht, wir wollen schließlich "sauber" sein) sowie resultierende Drehmomente aus. Die Last ist einfach gefordertes Drehmoment durch maximales Drehmoment. Wenn ich also 300Nm maximal habe und 100 Nm brauche, ist das 33% Last. Für einen Wagen mit genannten 140PS, 3500 RPM bei Nenndrehzahl und maximal 300 NM sowie 1500 Kilo, 0.30 Cw und 2.2 qm Stirnfläche (Hochdachkombi/SUV mehr, Sportwagen weniger) ergibt sich folgendes Bild. Turbos setzen typisch bei 1300-1500 RPM ein, daher habe ich die Drehzahl bei 50 km/h auf 1400 RPM gesetzt um "im Arbeitsbereich des Turbos" zu bleiben. Fahrwiderstände, Leistungen und Drehmomente
Es ist eins gut zu sehen: Man braucht im "Alltagsbereich" erstaunlich wenig Last um die Fahrt konstant zu halten, aber Beschleunigung mit nur 1 m/s² (bzw. "kaum 27 Sekunden" für 0->100 km/h) fordert einiges ZUSÄTZLICH ab. Ab 120 km/h ist sogar die Last in Summe über 100% und damit die geforderte Beschleunigung nicht möglich. Eigentlich ist man bei "handelsüblichen Beschleunigungen" jederzeit über 50% Last, somit außerhalb der Grenzen jeder installierter Emissionsminderungsmaßnahme. Was die "roten Wellen" in Innenstädten bzw. "Känguruh-Verkehrsfluss" besonders emissionsstark gestaltet und somit Anwohner wie Mess-Stationen "freut".
Kurz gesagt: Es wäre IMHO leicht zu prüfen gewesen, ob die Hersteller die Wirksamkeit von Emissionsminderungsmaßnahmen herabsetzen und für diese Bereiche Erklärungen anzufordern. Zwischen den geforderten 1,7 bis 3,4 Gramm je kWh im Normzyklus (Euro-6 bzw. 5) und jenseits 10 g/kg außerhalb stellt sich die Frage nicht wirklich.
Wenn ich kein hauptberuflicher Sarkast wäre, dann könnte ein EU konformes Software-Update auch so aussehen, dass der Hersteller alle Regionen des Kennfelds für Dauerbenutzung (wie länger als 60 Sekunden) sperrt, bei denen die spezifischen Emissionen 50% des ohne jede Emissionsminderung "maximal möglichen Wertes" übersteigen. Was wäre das für ein Aufschrei an deutschen Stammtischen. Dieselfahrer "kastriert" und "rollende Verkehrshindernisse". Aber "konform" mit EU Vorgaben, gut für Anwohner und ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Chiptuner.
Es heißt so schön - ein Pessimist ist ein Optimist mit Lebenserfahrung. In dem Sinne - Prost! Auf die nächsten politischen Dummheiten, die nach "erfolgreicher Regierungsbildung" vermutlich nicht lange auf sich warten lassen werden. Auf Lobbyisten mit viel Geld und inkompetente Politiker ist immer Verlass, eine tolle Mischung!
PS: Leider hab ich kein Emissionskennfeld eines neuen Euro-6D Diesels mit typisch 50 mg/km und weniger. Mich interessiert brennend, was das Ding bei "außendienstlertypischen 160-180" bzw. der "platz da, ich bin wichtig" Fahrweise raushaut. |
Ergänzung von GaryK am Mon Apr 23 18:36:28 CEST 2018
Ich bin übrigens nicht der Einzige, dem die spezifisch hohen NOx Emissionen der PKW aufgefallen sind. https://www.vdi-nachrichten.com/.../...Maschinen-arbeiten-sauberer-Pkw
Zitat:
Die "Rechenmethode" dort über mittlere kW und über die Zeit/Weg des NEFZ/WLTP mittlere kWh je km halte ich jedoch für nicht wirklich "zulässig". Das gibt surreal tiefe Werte...
Ein Tesla Model S hat incl. Rekuperation angeblich 442 km Reichweite bei 70 kWh. Also 16 kWh/100km bzw. 6.25 km/kWh und das mit zwei Tonnen, aber immerhin "Rekuperation". Alles unter 10 kWh/100km wage ich ohne diese als "recht optimistisch" zu bezeichnen. |
Wed Apr 25 07:14:55 CEST 2018 | Steam24
@ GaryK: Saubere Arbeit, ein super Threadartikel! Besten Dank.
Wed Apr 25 10:33:20 CEST 2018 | Flaherty
Sehr überzeugend! Jetzt müsste @GaryK noch Gutachter sein, den man fürs Verfahren bestellen kann ...
Wed Apr 25 11:24:08 CEST 2018 | GaryK
Da wäre Professor Führ vermutlich besser. Denn verwaltungsrechtlich hat der Mann vollkommen recht. Ausnahmen eines Gesetzes (wie Motorschutz) sind immer zu belegen und zu beantragen, damit genehmigungspflichtig. Und nicht einfach stillschweigend "einzupreisen" und die Genehmigung vorauszusetzen.
Beim UBA/KBA werden leidlich fachlich kompetente Beamte kaltgestellt. Siehe https://www.stuttgarter-nachrichten.de/...-4379-87f9-70b5feeb5845.html bzw. https://www.stuttgarter-nachrichten.de/...-410b-923b-444f3eafdcbf.html ... es gibt sogar in Ministerien Leute, die mehr als "billigste Minimallösungen" fordern und zugleich wissen was die fachlich tun bzw. was eigentlich möglich sein sollte. Ich mag Trittin und seine Seilschafter vom linken Rand der Grünen so gar nicht (kompetenzbefreiter narzisstischer Dummpopulist), was aber nicht zwingend bedeutet dass er bzw. seine Leute mit jeder These Unrecht haben.
Die Autolobby ist seit Jahrzehnten stärker. Wer sich auch nur etwas auskennt, dem ist seit mindestens 20 Jahren klar wie dreckig die klassischen Diesel mit "Dauerausnahme" bei emissionsmindernden Einrichtungen im Alltag eigentlich sind. Wir reden über eigentlich völlige "Klarheit" nebst politischer Ignoranz seit Beschluss der Euro-4 Richtlinie. Statt Euro-5 und 6 zu beschließen, wäre eine konsequente Umsetzung der Euro-4 und Anwendung auf Alltagsbedingungen jedenfalls beim Diesel tatsächlich effektiver gewesen. Limit damals 250 mg/km, was die "modernen" Euro-6a und b im RDE noch reißen und erst seit den "Nach-Skandal" Motoren deutlich unterboten wird. Was nur zeigt "es ging, wurde nur nicht umgesetzt".
Und der Witz ist: Diesel zahlt trotz des Drecks nur 47 Cent/l Energiesteuer, was 180€ je emittierter Tonne CO2 entspricht, der Superbenziner mit 1/30stel der Emissionen liegt bei 65 cent/l bzw. 280€/t CO2. Was am Ende an der Zapfsäule ein Kostenvorteil brutto von 33 Cent/l Dieselkraftstoff ist. Saubere Kraftstoffe wie LPG/CNG spielen nur eine statistisch untergeordnete Rolle. Diesel ist schlicht zu billig und der "Leidensdruck" was saubereres zu nehmen nahe Null.
Wed Apr 25 11:41:04 CEST 2018 | Flaherty
Spannend übrigens, dass bei MT m.W. noch niemand ein Gegengutachten zu Führ benennen konnte ... seine überzeugenden Schlussfolgerungen werden von einschlägigen Kreisen immer nur als Meinung abgetan ... dazu kann ich mit meinen bescheidenen Mitteln nur satirisch antworten ...
https://www.motor-talk.de/.../...um-den-abgasskandal-t5444904.html?...
Wed Apr 25 11:47:54 CEST 2018 | Achsmanschette86
Neben dem
... lohnt sich auch ein Blick in:
Wed Apr 25 11:58:43 CEST 2018 | Achsmanschette86
Kennt Ihr zum Bericht des Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestags zum Abgasskandal auch das Plenarprotokoll* bzw. die stenografische Mitschrift (ab Seite 74 von 156 der PDF-Datei; Mitte rechts geht's los), u.a. zur Rede des Auschuss-Vorsitzenden Behrens?
Das ist wirklich krass und findet sich so deutlich natürlich nicht im Bericht selbst (siehe vorheriger Kommentar), weil einige daran mitwirkende Parteien andere Interessen hatten:
*Tagesordnungspunkt 31 - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des 5. Untersuchungsausschusses gemäß Artikel 44 des Grundgesetzes Drucksache 18/12900
.
PS:
Alle Reden zum Tagesordnungspunkt 31 - Bericht des 5. Untersuchungsausschusses (Abgas) - im Deutschen Bundestag (Sitzung 244 am 30.06.2017) findet Ihr auch dort.
Wed Apr 25 14:16:56 CEST 2018 | Ascender
Danke für die Aufklärung und die Zusammenfassung. Auch an AlphaOmega.
Es ist schon frech wie sich hier Hersteller aber auch Regierung und Behörden versuchen rauszuwinden.
Wed Apr 25 15:06:01 CEST 2018 | myinfo
Eigentlich OT, da Zukunft. So soll sie laut BOSCH aussehen.
SPON, 25.04.2018, Stickoxidemissionen
So will Bosch den Diesel retten - von Jürgen Pander und Christian Frahm
"Emissionen sind bald kein Thema mehr", behauptet Bosch-Chef Volkmar Denner. Angeblich konnten Ingenieure des Unternehmens den Stickoxidausstoß von Dieselmotoren drastisch reduzieren.
"(...)
Die Geschichte, die Denner erzählt, geht so: Bosch-Ingenieuren sei es gelungen, die bekannten Technologien zur Abgasreinigung derart zu verbessern und aufeinander abzustimmen, dass Testfahrzeuge erheblich unter dem ab dem Jahr 2020 geltenden Grenzwert von 120 Milligramm Stickoxid pro Kilometer blieben.
Bei Fahrten nach dem neuen, genormten RDE-Zyklus (Real Drive Emission) drückte die neue Technik den Stickoxidausstoß demnach teilweise auf den Rekordwert von 13 Milligramm pro Kilometer, im Stadtverkehr wurden im Schnitt 40 Milligramm emittiert - in jedem Fall aber erheblich weniger als künftig erlaubt.
Und das ist noch nicht die ganze frohe Bosch-Botschaft: Die neue Technik soll die Autos angeblich nicht teurer machen - und zudem den Verbrauch und damit den CO2-Ausstoß so gut wie gar nicht beeinflussen.
Kann das wirklich sein? Kriegt der Diesel als Pkw-Antrieb noch einmal die Kurve? Bosch-Chef Denner gibt sich überzeugt: "Der Diesel wird seinen Platz im urbanen Verkehr behalten. Ob für Handwerker oder Pendler.
Der Durchbruch in Sachen Stickoxidausstoß sei erst in den vergangenen Monaten gelungen. Und zwar durch "eine Kombination aus ausgeklügelter Einspritztechnik, neu entwickeltem Luftsystem und intelligentem Temperaturmanagement", wie Andreas Kufferath erklärt, bei Bosch verantwortlich für die Diesel-Systementwicklung. Eine Nachrüstungslösung für von Fahrverboten bedrohte Diesel-Autos ist die neue Technik allerdings auch nicht.
Weniger Schadstoffe mit gängiger Technik
Die einzelnen Komponenten seien prinzipiell nicht neu, wohl aber deren Zusammenspiel, sagt Kufferath, und nennt ein Beispiel. "Bis nach einem Kaltstart die Abgasnachbehandlung ihre Betriebstemperatur von mindestens 200 Grad Celsius erreicht hat, übernimmt der Motor die Aufgabe, möglichst wenig Schadstoffe überhaupt erst entstehen zu lassen. Sobald das Abgassystem heiß genug ist und die Schadstoffe minimieren kann, konzentriert sich der Motor wieder ganz auf Spriteffizienz."
Das klingt erst einmal banal, aber Kufferath sagt, dass in den vergangenen vier Jahren rund hundert Ingenieure an diesen und zahlreichen anderen Details gearbeitet haben, um die jetzt erzielte Schadstoffreduzierung zu realisieren. Wäre das nicht schon früher möglich gewesen? Zum Teil ist die geeignete Messtechnik für die RDE-Fahrten erst seit einigen Jahren verfügbar, zum Teil wurden gesetzliche Vorgaben erst noch verabschiedet (etwa 2016 jene für den Kaltstart). Jetzt jedenfalls ist die Technik grundsätzlich verfügbar, Serienautos mit dieser Art von Abgasreinigung könnten in etwa zwei Jahren auf die Straße kommen.
Dass Bosch genau jetzt mit der neuen Technik um die Ecke kommt, scheint kein Zufall zu sein, geraten die Stuttgarter doch zunehmend unter Druck. Denn welche Rolle der Zulieferer im Diesel-Skandal spielt, ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit wird untersucht, ob Bosch als Lieferant elektronischer Bauteile und der Steuerungssoftware von der Manipulation der Abgassysteme gewusst oder sogar aktiv daran mitgewirkt haben könnte.
Fest steht, dass Bosch bereits seit 2001 für Hersteller wie VW, Porsche, Audi, Mercedes und Opel das Motorsteuergerät EDC17 entwickelt hat. In den kleinen Boxen haben die Bosch-Ingenieure eine Software untergebracht, die neben dem kompletten Motormanagement, der Zündung und der Einspritzung eben auch das Abgasverhalten des Autos überwacht und regelt. Experten entdeckten in der Box zudem Funktionen zur Drosselung der Abgasreinigung, Abschalteinrichtungen oder Software, die erkennt, wenn ein Auto auf dem Prüfstand steht.
Rolle von Bosch noch unklar
Bosch selbst will davon nichts gewusst haben. Zwar habe man diese Komponenten geliefert und auch die Software programmiert, wofür diese aber genutzt wurde, entziehe sich der Erkenntnis des Zulieferers - so heißt es bei Bosch. Verantwortlich seien allein die Hersteller. Interne Protokolle von Treffen zwischen Bosch mit VW, BMW, Daimler und Audi deuten aber darauf hin, das Bosch eine weitaus aktivere Rolle in Sachen Betrugssoftware gespielt hat, als bislang bekannt. Demnach haben sich Bosch-Manager umfangreich mit den Autobauern über die Manipulationsfunktionen in der Software abgestimmt wie der SPIEGEL in der aktuellen Ausgabe berichtet.
(...)"
VG myinfo
Wed Apr 25 17:09:13 CEST 2018 | Achsmanschette86
Wie würde Bosch folgenden Bericht vom 27.09.2015(!) kommentieren?
Kann es sein, dass n-tv bereits Ende September "Wind" von der Sache hatte? Der Skandal wurde m.E. doch erst im Oktober 2015 publik. Naja, vielleicht stimmt das Datum bei n-tv nicht. Aber der Inhalt hoffentlich schon:
Wer kennt den Brief von 2007?
Bosch warnte VW vor Gebrauch der Technik
https://www.n-tv.de/.../...lle-Hinweise-ignoriert-article16020431.html
Wed Apr 25 17:17:54 CEST 2018 | GaryK
Ist schon erstaunlich wie auf einmal Technik fortschreiten kann. Kaum kam der Abgasskandal, schon waren unter 50 mg/km RDE drin. Was mir sagt: Geringe Emissionen waren früher nicht gewollt. Egal ob von Bosch oder einem PKW Hersteller. Letzter legt nämlich fest was ein System zwingend können muss und schreibt dann Kennfelder so, dass diese "die Normen" erfüllen.
Dass der Staat damals mit der Groko und Energieminister Gabriel bei VW seine Finger im Spiel hatte - https://www.focus.de/.../affaere-gabriel-wollte-mehr_aid_210720.html ... Niedersachsen als SPD Hochburg hat 25% Anteil an VW und sitzt somit über die IG Metall auf der Arbeitnehmer wie als "Land" auf der Arbeitgeberseite im Aufsichtsrat. Wo Gabriel ca 2003 als Niedersachsen-Ministerpräsi auch gesessen hat.
Wie üblich: tolle Aufsicht! Nix gemerkt, wie dumm aber auch.
Wed Apr 25 17:19:33 CEST 2018 | Achsmanschette86
Aber weshalb war das nicht erwünscht? Ging es nur um möglichst billige Produktion der Abgasreinigungssysteme zur Gewinnmaximierung oder steckt noch mehr dahinter?
Wed Apr 25 17:23:51 CEST 2018 | GaryK
Gehe ich stark von aus. Sauber zu sein kostet Geld. Siehe Soot/Nox Tradeoff. Ein Partikelfilter, der nicht mit Ruß belästigt wird (weil auf der NOx Seite) braucht viel Länger bis zur Regeneration als einer, der viel Ruß und wenig NOx abbekommt. Was auch die Kurzstrecken-"Tauglichkeit" der Diesel betrifft.
Wed Apr 25 17:35:26 CEST 2018 | Ascender
Defeat Devices waren schon Ende der 90er Gang und Gebe. Das war doch auch kein Geheimnis. Jeder, der sich mit dem Thema etwas auseinandergesetzt hat, wusste darüber bescheid.
Dass das Thema im Jahr 2015 plötzlich auf Initiative der Amerikaner so hochgekocht ist hat mich schon überrascht. Die Politik hielt sehr lange ihre Finger drauf, und alles war gut. Wir erhielten günstige Fahrzeuge und zahlten nebenbei bemerkt wenige Steuern, da der NEFZ-Verbrauch auch gleichzeitig Bemessungsgrundlage ist für die Kfz-Steuer. Allein die Grenzwerte wurden nicht eingehalten - und niemanden hat es interessiert! Selbst die Grünen nicht. Von denen sind genug in der Autolobby.
Nach dem Skandal ist nun plötzlich Tabula Rasa. Die Schummeldiesel sollen möglichst morgen schon weg, und der Endverbraucher soll dafür die Zeche zahlen.
Ausgerechnet der Abmahnverein DUH klagt sich nun durch alle Instanzen und erwirkt Fahrverbote. Von einem 200-Mann-Verein mit zweifelhaftem Ruf muss sich die Bundesregierung nun vorführen lassen.
Leider zahlt am Ende der kleine Mann.
Wed Apr 25 19:22:41 CEST 2018 | GaryK
Er erwirkt nicht Fahrverbote. Er hat nur feststellen lassen, dass Fahrverbote für Diesel rechtlich zulässig sind. Was das Verwaltungsgericht aber festgestellt hat - nur als allerletzte Option wenn keine Erfolg versprechende Option übrig bleibt. Ein Fahrverbot verhängt immer noch eine Stadt/Gemeinde, nicht die DUH.
Wed Apr 25 21:21:52 CEST 2018 | Ascender
Da habe ich mich natürlich unpräzise ausgedrückt. Das was du schreibst ist richtig. Trotzdem haben diese Urteile natürlich eine Nachwirkung, und die DUH hat diese mit ihren (legitimen!) Klagen herbeigeführt. Das meinte ich. Vor allem in der Hinsicht, dass ein kleiner Verein nun die Bundesregierung vorführt, und die Geschädigten die Endkunden sind.
Wed Apr 25 21:35:12 CEST 2018 | GaryK
... da die Politik nach wie vor im Allerwertesten der Lobbyorgane wie dem VDA (Chef. Wissmann, Ex-Verkehrsminister) ist. War sicher reines Versehen dass die Strafvorschriften aus der EU 715/2007 nicht in nationales Recht umgesetzt worden sind. Und VW somit für erstklassigen Betrug nicht mal nen ernsthaften Strafzettel bekommen konnte.
Thu Apr 26 14:25:02 CEST 2018 | Achsmanschette86
Muss eine EU-Verordnung überhaupt erst in nationales Recht umgesetzt werden, damit sie im jeweiligen Land in Kraft tritt oder tritt die EU-Verordnung automatisch in allen EU-Ländern automatisch in Kraft?
Falls ersteres, müsste die EU Kommission ein Verfahren gegen die BRD einleiten. Aber ob das jetzt (also in Hinblick auf den VW-Skandal) quasi rückwirkend auch noch zu Strafen von VW führen würde, weiß ich nicht.
Sorry, GaryK, falls das jetzt für Deinen Blog zu off-topic wird!
Thu Apr 26 14:34:58 CEST 2018 | Flaherty
Ich empfehle hierzu ausdrücklich nochmal Martin Führs Gutachten! Selten eine so stichhaltige Rechtsauslegung gelesen. Darüber wird Volkswagen noch stolpern ...
Verordnungen des Gemeinschaftsrechts binden die Akteure unmittelbar!
Thu Apr 26 14:49:50 CEST 2018 | Achsmanschette86
@Flaherty
Weißt Du wie das mit der Umsetzung oder dem automatischen Inkrafttreten dieser EU-Verordnung funktioniert?
Thu Apr 26 14:57:10 CEST 2018 | GaryK
Artikel 13 der EU 715/2007:
Noch Fragen? Ich persönlich hätte in Ermangelung einer Umsetzung das Umweltstrafrecht gezogen. https://dejure.org/gesetze/StGB/325.html ... bis 5 Jahre bei Luftverschmutzung. Wozu haben wir einen Vorstandsvorsitzenden der ein horrendes Gehalt bezieht und angeblich für alles am Ende rechtlich verantwortlich ist. Wenn er denjenigen benennen kann, der das ganze nachweislich verantwortet - gerne. Aber organisierte Unzuständigkeit im Sinne von "die Putzfrau hat zwei USB Sticks vertauscht und dann ist leider die falsche Firmware in Produktion gegangen" gibts nicht.
Leider gilt dieser Paragraph nicht für den betrieb von Kraftfahrzeugen. "(7) Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 4, gilt nicht für Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge."
Interessant ist Absatz 3: "(3) Wer unter Verletzung verwaltungsrechtlicher Pflichten Schadstoffe in bedeutendem Umfang in die Luft freisetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht nach Absatz 2 mit Strafe bedroht ist."
Die Frage wäre, ob die wissentliche Herstellung eines Fahrzeugs, was die Umwelt verschmutzt und jemand anders unwissentlich verschmutzen lässt von dieser Ausnahme ebenfalls abgedeckt ist. Bin Chemiker, kein Jurist. Es muss einen Paragraphen geben der verbietet einfach übermäßigen Dreck in die Umwelt zu pusten oder Sachen zu bauen, die genau das machen. Zwischen 1 Jahr und 5 Jahre Knast sind möglich. Und IMHO auch angemessen.
Thu Apr 26 15:29:50 CEST 2018 | Flaherty
@AlphaOmega
Die Hersteller sind unmittelbar an unionsrechtliches Regelwerk gebunden. Für die Durchsetzung haben die Behörden der Mitgliedstaaten zu sorgen. Das ist dann nationalstaatlich geregelt, Paragraph 5 EG-FGV bzgl. der Einhaltung der Typgenehmigungen! Gelten tun die EU-Verordnungen vorher schon, unmittelbar eben. Wir sind EU!
Das ist anschaulich alltäglich formuliert m.E. so wie du beim Tempolimit ja auch als Autofahrer unmittelbar gebunden bist, dich daran zu halten, durchsetzen tut's die Polizei mittels Kontrollen, die örtlichen Behörden entscheiden sich für evtl. Blitzer an beliebten Stellen für Überschreitungen und Bußgelder werden verhängt ...
Thu Apr 26 15:46:23 CEST 2018 | Achsmanschette86
Herzlichen Dank - auch wieder sehr informativ und lehrreich!
Sun Apr 29 17:07:08 CEST 2018 | myinfo
Noch kurz als Ergänzung zu oben ein Artikel in der SZ zur "neuen" Lösung von Bosch, Conti, usw.
SZ, 27. April 2018, Abgastechnik bei Dieselautos
Der Trick sind Temperaturen wie im Backofen - von Joachim Becker, Wien
"(...)
Kein Wunder, dass Städte wie München bei der Luftbelastung mit der roten Laterne hinterherfahren. Am Mittleren Ring im Münchner Westen strömen die Fahrzeuge von drei Autobahnen zusammen. Im dichten Verkehr kühlen auch moderne Dieselmotoren aus. Dann wird die Abgasreinigung bisher abgeschaltet - genau wie beim Kaltstart. Bauteilschutz nennen das die Hersteller, die sich damit in einer rechtlichen Grauzone bewegen und bisher nicht belangt werden können.
(...)
Thermomanagement heißt das Zauberwort. "Das Problem ist der Kriechverkehr in der Stadt, weil die Abgastemperaturen nicht ausreichen", bestätigt Oliver Maiwald vom Zulieferer Continental. Weil moderne Motoren im Schubbetrieb die Spritzufuhr und Zündung abstellen, genügt schon eine leicht abschüssige Straße, um nur noch kalte Luft durch den Katalysator zu pumpen. Beim Hochlaufen arbeitet das System dann wieder so ineffizient wie beim Kaltstart.
Deshalb arbeiten außer Bosch auch alle anderen Zulieferer für Abgastechnik daran, die Temperaturen konstant zu halten. Beim Bergabfahren wird zum Beispiel kaum noch Frischluft durch die Katalysatoranlage geleitet. Was ähnlich simpel wie eine Thermoskanne wirkt, setzt aber ein teures Gesamtsystem voraus. Mercedes hat seinen neuen Vierzylinderdiesel extra aufgerichtet, um genügend Platz auf der heißen Seite, also gleich zu Beginn des Abgasstrangs, zu schaffen.
(...)
Wirklich billig ist das alles nicht. Und in Serie gibt es den Superdiesel mit dem aufwendigen Thermomanagement von Bosch oder Continental auch erst in zwei Jahren. Wenn die noch strengere Abgasstufe Euro-6d-Final 2020 in Kraft tritt, wird der Diesel im realen Straßenverkehr wirklich so sauber sein wie ein moderner Benziner. Für die meisten Kleinwagen wird das System wohl zu aufwendig sein. "Wir können mit dem Thermomanagement die Abgasreinigung um 70 Prozent verbessern", sagt Andreas Kufferath, "wer aber immer nur mit schwacher Last in der Stadt fährt, sollte sich überlegen, ob ein Elektroauto nicht die bessere Wahl ist.""
VG myinfo
Sun Apr 29 17:17:03 CEST 2018 | GaryK
Ob das System wirklich so sauber ist wie ein Euro-4 Benziner (also fast 20 Jahre alte Fahrzeuge) glaub ich erst wenn der mit 160 über die Bahn getrieben vergleichbare Abgaswerte erreicht.
Sun Apr 29 20:49:52 CEST 2018 | Achsmanschette86
Dies zu Umrüstungen... Da werden offenbar Steuergelder für Gutachten etc. verbrannt, weil längst klar ist, dass nichts passieren soll:
Tue May 01 14:54:04 CEST 2018 | Achsmanschette86
Wed May 02 22:07:29 CEST 2018 | Multimeter17
Sehr interessanter Bericht und fundierte Kommentare. Das alles bestätigt nur meine Meinung, dass die politische Führung in D mal wieder komplett versagt hat bzw. den Lobbyisten bedingunglos verfallen ist.
Zu diesem Thema ist mir in der aktuellen AB ein Beitrag zum "unersetzlichen Dieselmotor" im PKW negativ aufgefallen. Die Betonköpfe in der Redaktion haben noch immer nichts begriffen und verbreiten ihre "fundierte Expertenmeinung" ungehindert weiter. Aber das gehört wohl zum Grundverständis im Springer Konzern.
Wed May 02 22:22:15 CEST 2018 | Achsmanschette86
Springer = Macht. VW = Macht. Politik = Macht. Immer dasselbe...
Fri May 04 21:02:15 CEST 2018 | Turboschlumpf6
Das ist interessant. Wir haben nämlich den B16DTH. Manchmal riecht man auch das Stickoxid.
Sun May 06 12:52:31 CEST 2018 | krani42
Inhaltlich/technisch sehe ich alles genauso. Ich frage mich nur was die Konsequenzen sind. Die Behörden haben immer gewusst (siehe z.B. hier) das die Grenzwerte nur Theorie sind aber sie haben jahrelang nichts getan. Erst als die Sache in den USA eskaliert ist tut man hier ganz überrascht. Dobrint hat damals 2015 den Vogel abgeschossen !
Aber im Nachhinein kann man da nichts machen, die Behörden haben das damals so durchgehen lassen. Jetzt nachträglich die Einhaltung der Grenzwerte und "normalen" Bedingungen zu fordern wäre in etwas so als wenn man nachträglich Strafzettel für alle Situationen bekommen würde in denen man zu schnell gefahren ist
Ich bin aber sehr froh dass jetzt endlich RDE eingeführt wird.
Das dürfte das NOx Problem bei Dieseln und auch das Partikelproblem bei Benzinern schnell lösen...
Denn technisch ist das alles machbar. Es macht das Auto nur etwas teurer aber so ist Mobilität in den meisten Fällen immer noch günstiger als mit E-Fahrzeugen oder Brennstoffzellenfahrzeugen.
Deine Antwort auf "Stickoxide und deren innermotorische Entstehung und Vermeidung. Teil 2: Die bittere Realität"