Wed Nov 07 20:59:13 CET 2007 | Designs | Kommentare (5) | Stichworte: BMW760i, Testbericht
Wann hat man schon die Gelegenheit ein Fahrzeug dieser Klasse zu bewegen. Mir zumindest passiert das äußerst selten. Ich möchte deshalb versuchen die gewonnenen Eindrücke aus meiner Sicht ein wenig an euch weiterzugeben, untermalt mit dem ein oder anderen Bild.
Leider fehlen mir direkte Vergleiche mit den Topmodellen der anderen deutschen Premiumherstellern, sprich dem A8 W12 oder einem S600. Im S600 durfte ich bisher wenigstens sitzen,den A8 nur in der 3.0TDI Version fahren.
Die Optik
Anfangen möchte ich mit der Optik, dem wohl subjektivsten aller Eindrücke. Der 7er BMW ist in seinem Kleid immer noch ein wenig gezeichnet vom Chris-Bangle-Style. Im alten Modell fand ich es schlichtweg schrecklich, das Facelift ist nach genauerer Betrachtung allerdings doch speziell in der umstrittenen Heckansicht deutlich entschärft worden. Der getestete Wagen in schwarz war frisch gewaschen und wirkte durchaus edel und mächtig. Bisher war mir dies weniger aufgefallen, man könnte also doch von gewissem Understatement reden.
Der 760i Schriftzug am Heck mag natürlich als prollig gewertet werden, aber dies unterstreichen auch die V12-Embleme an den Seiten. Ich bin der Meinung in dieser Leistungsklasse sei dies gestattet!
Die Front ist markant, die große Niere wirkt mächtig und verschafft Respekt, die langen Blinker über den Scheinwerfern „entschärfen“ den Blick allerdings etwas, so dass nur bedingte Sportlichkeit aufkommt. Soll oder muss sie allerdings auch gar nicht. Etwas störend in der Frontansicht finde ich den Radarsensor, bzw. die NightGuidekamera – aber das lässt sich wohl nicht vermeiden (?)
Der Innenraum
Der Innenraum präsentiert sich BMW-typisch. Der Tacho hat immer noch Züge der alten Generationen aus den 90ern, die Mittelkonsole wirkt zwar hochwertig, auf mich aber wenig ansprechend. Die Bedienung der Sitze befindet sich an der Seite der Mittelarmlehne – rein ergonomisch schlecht erreichbar und vor allem schlecht einsehbar. Die Sitze an sich bieten dafür sehr viele Einstellmöglichkeiten und sind sehr bequem. Eine gute Sitzposition ist schnell gefunden, der Seitenhalt gigantisch. Die Massagefunktion ist ein nettes Extra und vielleicht auf Langstrecken nützlich, ich konnte ihr auf die Schnelle jedoch nicht viel abgewinnen.
Das Raumgefühl des 7ers ist klasse, das große Schiebedach und der helle Himmel steuern ihren Teil dazu bei. Genug Platz findet man natürlich auf jedem Sitz des 7er – alles andere hätte mich auch schwer gewundert, denn bei 5,04m Außenmaß darf man das auch erwarten. Die üppigen 500L Kofferraumvolumen sollten auch für das mitgeführte Gepäck reichen. Das Öffnen und Schließen der Ladeluke erfolgt natürlich standesgemäß elektrisch.
Jedoch zurück zum Cockpit und der Bedienung: Der I-Drive-Regler wirkt schon sehr massiv und hochwertig, die Haptik ist perfekt. Die Bedienung des I-Drive selbst ist besser, als ich es aus den älteren Modellen kenne, aber dennoch ungewohnt. Dies dürfte aber jedem Markenfremden passieren und wichtig ist in meinen Augen nur, dass man sich innerhalb weniger Tage intuitiv damit zurechtfinden kann. Aus Zeitmangel kann ich das jedoch leider nicht beurteilen. Selbige Bedienung lässt sich übrigens auch von hinten aus erledigen. Der Monitor zwischen den Vordersitzen versorgt die Fondpassagiere mit dem nötigen Entertainment.
Der Motor
Nach einigen Minuten des Staunens und Betrachtens kommen wir also zum Motor.
„Ladies & Gentlemen, please start your engines..“ Ein kurzer Knopf auf den Start/Stop-Knopf und der V12 fängt an zu säuseln. Einen Moment innehalten und lauschen. Doch irgendwie ist kaum etwas zu hören. Gut so, schließlich sitzen wir in einer Limousine höchster Klasse.
Setzen wir uns also langsam in Bewegung – nur wie? Die Automatik steht laut Display auf „P“, das Gas wird nicht angenommen. Wie bei Automatikfahrzeugen üblich suche ich den Wahlhebel im Bereich der Mittelkonsole, aber Fehlanzeige.
Dank meines unterwiesenen Beifahrers werde ich hinterm Lenkrad fündig und bewege den kleinen Hebel nach unten und wechsle in „D“. Es scheint also, als wäre es bei diesem Fahrzeug tatsächlich empfehlenswert die Bedienungsanleitung zu lesen.
Dank der Parkautomatik bleibt das Fahrzeug auch nach dem Lösen des Bremspedals still stehen. Ungewohnt, aber praktisch. Ein sanfter Tritt aufs Gas lässt die 20 Zoll Felgen mit den 245ern vorne, sowie den 275ern hinten losrollen.
Nach wenigen Metern die erste Kreuzung, auf die Hauptstraße. Ein schlecht einzusehendes Eck, an dem ich mich vortasten muss. Bereits hier fällt die Parkautomatik das erste Mal negativ auf. Wo ich mich mit dem Schaltgetriebe mit getretener Kupplung langsam vorwärts rollen lasse, pendle ich hier zwischen Stillstand und Anfahren. Wenn man also nur wenige Zentimeter vor möchte, scheint dies hier eher nachteilig zu sein.
Dennoch geht es weiter und schon nach wenigen Kurven gewinnt man ein wenig Souveränität. Trotz der beachtlichen Außenmaße lässt sich das Fahrzeug übersichtlich bewegen.
Innerorts bei 50-55km/h pure Begeisterung. Wie sie hören, hören sie nichts! Einzig das leise Abrollen der Reifen ist im Inneren des Wagens zu vernehmen. Nichts knistert, nichts klappert, keine Vibrationen oder Geräusche aus dem Motorraum. Der Bayer rollt mit knapp über 1000 Umdrehungen über die Hauptstraße. Respekt BMW, hier habt ihr ganze Arbeit geleistet! Dies ändert sich auch beim 100km/h nicht wirklich. Tatsächlich eine Reiselimousine erster Klasse. Vielleicht empfinde ich dies auch als besonders extrem, denn wen man tagtäglich einen 1.9er Traktor bewegt, ist man anderes gewöhnt *g* Aber auch bei den bisher getesten Wagen, konnte ich dies so extrem nicht feststellen.
Wollen wir also einen Schritt weiter gehen, denn gemütlich cruisen lässt sich sicher auch mit einem 730i, dazu benötigt man keine 6 Liter Hubraum mit nahezu 450PS. Aktuelle Drehzahl ca. 2000U/min, dann folgt ein etwas beherzterer Tritt aufs Gaspedal. Die Drehzahl steigt leicht an, unbeeindruckt beschleunigt der BMW. Nett, aber nichts besonderes, also drücken wir noch etwas fester. Drehzahl ca. 3000U/min, der Vortrieb wird größer, aber von 450PS erwartet man etwas anderes. Ein Tribut an die 2180kg Leergewicht? Wo sind die 600Nm Drehmoment?
Phase 3: Kickdown! Die Drehzahl schnellt nach oben, bei ca. 4500U/min meldet sich der V12 erstmals deutlich hörbar zu Wort. Drehmoment, Leistung, Sound – plötzlich alles da. Die Finger krallen sich ins Lenkrad, die 2 Tonnen schieben erbarmungslos nach vorne. Das Grinsen im Gesicht lässt erst nach, als ich wieder vom Gas gehe. Glücklicherweise hatte ich keine Zeit den Spritverbrauch im Bordcomputer zu verfolgen. Den aktuellen Verbrauch konnte ich ohnehin nur als Balkenanzeige einblenden – wohl in traditioneller Hinsicht an die auch von früher gewohnten analogen Verbrauchsanzeigen.
Das Lenkrad, sowie die ganzen Hebel sind mit reichlich Knöpfen ausgestattet. Man kann die Anzeige links wie rechts variieren, vorne wie hinten am Lenkrad mit entsprechenden Knöpfen die Gänge wechseln, den Sportmodus aktivieren, das Radio bedienen und und und.. Zuviel, als dass ich in der kurzen Zeit den kompletten Überblick gewinnen konnte.
Bei einer kurzen Pause haben wir Zeit für die Fotos und einen Test der Nachtsichtoption. Funktionstest bestanden, selbst am Tag, jedoch bleibt der Zweck dessen etwas unklar. Technisch sicher ausgereift, lassen sich damit nachts möglicherweise Gefahren besser lokalisieren, doch wer sieht während der Fahrt – besonders nachts – auf das Display, um nach Gefahren am Straßenrand Ausschau zu halten? Sofern hier nicht zuverlässig akustisch vor möglichen Hindernissen gewarnt wird, wird dem Display niemand Beachtung schenken. Meiner Meinung nach kann hier nur ein HUD eine sinnvolle Alternative sein.
Aber fahren wir lieber weiter, um noch weitere Eindrücke zu gewinnen. Doch nach dem Betätigen des Start-Knopfs werde ich mit einem sanften „Bing“ daran erinnert die manuell aktivierte Parkbremse zu lösen. Nach dem Druck aufs Knöpfen rollen wir wieder los…
Eine abgelegene Strecke.. nach dem Ortsausgang ein beherzter Tritt aufs Gas. Wieder röhrt der V12 los, vermittelt Gänsehaut, wenngleich er nie zu aufdringlich wird und beschleunigt fleissig hoch. Kurze Zeit später passieren wir bereits die 150er Marke.. Oh oh… schön brav vom Gas und wieder auf 100km/h drosseln. Hier lauert das Fahrverbot im rechten Fuß.
Wenig später biegen wir links ab. Trotz nur halb getretenem Gas beim Anfahren droht das Kurveninnere Rad bereits durchzudrehen, welches sofort im Ansatz von der Elektronik erstickt wird. Die Abstimmung wurde scheinbar stark zu Gunsten der Sicherheit getroffen.
Kurvige Bergstraße voraus, doch kein Problem. Sicher zieht der 760er durch die Kurven, lässt sich weder durch Gasstöße, noch durch Kurvenwechsel beirren und wedelt sicher, ja fast leichtfüßig hinauf. Zweifelsfrei ein sehr aktives Fahrwerk.
Nur noch wenige Kilometer, dann sind wir wieder zu Hause angekommen. Per Knopf versetze ich den V12 wieder in Ruhezustand. Mein Nachbar blickt verdutzt zu mir herüber. Nein, keine Angst, es gehört mir nicht... *g*
Auf der kurzen Strecke von vielleicht 20km liegen wir trotz relativ normaler Fahrweise, von ein paar Zwischenspurts abgesehen, bei gut 20 Liter/100km. Wie man hier den angegebenen Mix von 13Litern/100km erreichen soll, bleibt mir ein Rätsel.
Noch ein abschließender Gang um´s Auto und ein Blick in den Motorraum, der mit dem V12 durchaus gut gefüllt ist.
Das Fazit
Es bleibt also nur, ein kurzes Fazit zu ziehen: BMW hat hier ein gigantisches Fahrzeug entwickelt, das mir zwar optisch nicht in allen Punkten zusagt, technisch jedoch auf höchstem Level liegt. Komfortabler kann man wohl kaum reisen. Mit dieser Leistung im Petto, kann einen auch kaum etwas erschüttern, denn diese steht in allen Lebenslagen zu Genüge zur Verfügung.
Über wirtschaftliche Aspekte muss man wohl kaum philosophieren. Wer das nötige Kleingeld hat diesen Wagen zu erwerben, den wird auch der horrende Verbrauch bei den aktuellen Spritpreisen nicht in den Ruin treiben.
Ich will nun nicht groß auf Vergleiche zu anderen Modellen eingehen, denn nach Ablegen aller subjektiven Einschätzungen wird man bei jedem Premiummodell dieser Klasse zu dem Ergebnis kommen, dass man vor einem nahezu perfekten Fahrzeug steht. Es war lediglich ein Verusch, euch ein wenig an einem – zumindest für mich – seltenen Moment teilhaben zu lassen.
Zuletzt sei jedoch noch bemerkt, dass wir in keiner Situation je am Limit gefahren sind, sondern bestenfalls manchmal „zügig“ unterwegs waren. Wenn man ein solches Fahrzeug überlassen bekommt, sollte man sich seiner Verantwortung bewusst sein und entsprechend damit umgehen. An dieser Stelle noch einen anonymen Gruß an den/diejenigen, die dies ermöglicht haben |
Thu Nov 08 09:09:23 CET 2007 | Pfauli
Ich hatte auch einmal so einen 7'er als Leihwagen, weil meiner in der Werkstatt war und kein anderer zur Verfügung stand. So groß die Freude über die Fahrt war, so traurig war die Erkenntnis, dass dieses Teil nicht in meine Garage passte.
Zum Verständnis der Größe des Raumes: Ich wechsel die Räder in der Garage und kann bei meinem privaten Wagen beide Türen bequem öffnen
Sat Nov 24 16:00:47 CET 2007 | Rostlöser27853
Gut geschriebener Bericht und vor allem klasse Fotos. In dieser Konstellation sieht der 7er richtig schick aus. Bin sonst auch kein Fan von dem 7er, vor allem VorFL, doch das Design hat mit dem FL deutlich gewonnen.
Sun Dec 02 12:43:35 CET 2007 | Designs
@Pfauli
Also sooo viel größer ist der 7er doch auch wieder nicht, oder? Wo ein Wille, da ein Weg.. In 20 Jahren wird in diese Garage wahrscheinlich nicht mal mehr einen Golf passen. Beim aktuellen Trend der Hersteller wird dann der Polo mit 4,80m wohl die Kompaktklasse eröffnen, der Golf hat dann durch verlängerten Radstand auf 4,30m erneut an Komfort im Fond gewonnen und für Familien mit 2 Kindern empfiehlt sich dann der Audi Q12, welcher mit 3750Liter Kofferraumvolumen auch für 2 Kinderwägen genug Platz bietet..
Wed Jan 28 19:51:57 CET 2009 | Trackback
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Testfahrt BMW 730D
[...] Seit dem letzten Testbericht mit dem damalig aktuellen BMW 760i ist ja bereits einige Zeit vergangen und so hat es sich jetzt spontan [...]
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Sun Oct 07 18:45:30 CEST 2012 | Trackback
Kommentiert auf: designs-world-of-weblog:
Purer Luxus auf 5,22m - Der BMW 750ld X-Drive
[...] bewegt.
Aber von vorne..
Ich habe hier in meinem Blog ja schon unter anderem vom 730d und dem 760i berichtet. Jetzt ist es der 750 in seiner längsten und stärksten Dieselversion, gepaart mit X-Drive.
5,22 [...]
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