Sat Aug 13 04:14:04 CEST 2016 | ElHeineken | Kommentare (10) | Stichworte: 1 (GD), Honda, Jazz, Standheizung, Verbrauch
Täglich mit dem Auto ins Büro zu fahren ist (zumindest für mich) ein etwas dröge Angelegenheit aber das sieht mit Sicherheit jeder anders.
Langeweile macht bekanntlich kreativ also sucht man sich eine Herausforderung, wie z.B. so schnell wie möglich am Arbeitsplatz zu sein (wie viele meiner Kollegen).
Ich habe drei Jahre lang versucht meine Fahrweise auf niedrigen Verbrauch zu optimieren und dabei Buch darüber geführt.
Geboren wurde die ganze Sache nach dem Einbau der Standheizung und die Skepsis an der Werbebotschaft des Herstellers die Anlage würde ihren Kaufpreis durch eingesparten Sprit im Winter wieder hereinholen.
Eine Fahrt dauert etwa 45 Minuten und besteht zu jeweils 1/3 aus Stadt, Land und Autobahn. Gefahren wurde "bewusst sparsam" aber ohne gefährliche Manöver wie Windschatten jagen, oder Ähnliches. Die Strecke führt von Stuttgart nach Heilbronn und es geht dementsprechend leicht auf und ab.
Die täglich gleiche Strecke mit ähnlichem Verkehrsaufkommen hat den Vorteil, dass man bei der Analyse der Daten ordentlich ins Detail gehen kann ohne Zufallseffekten aufzusitzen.
Datenerfassung
Datenbasis ist der Boardcomputer dessen Informationen zwar größtenteils Temperatur- und anderweitig kompensiert sind (es werden Daten, z.B. aus dem Motorsteuergerät und dem ABS benutzt die dort für eine exakte Funktion auch einigermaßen genau sein müssen). Trotzdem können die beobachteten Effekte eventuell andere Ursachen haben als das was ich hineininterpretiere..
Insgesamt 1187 mal wurde der Wert der eingebauten Verbrauchsanzeige aufgezeichnet. Dazu die angezeigte Strecke, die Außentemperatur, Straßenzustand und Wetter sowie ob die Standheizung zum Einsatz kam.
Hauptsächlich war ich an Antworten zu den folgenden Fragen interessiert:
Die zusätzliche Aufnahme der Kosten sollte ursprünglich dazu dienen das eingesparte Geld zu ermitteln aber dazu hätte man die Hälfte der Fahrten wieder "nicht sparsam" fahren müssen, was einem nach einer Weile "sparsam fahren" aber irgendwie erstaunlich schwer fällt.
Auswertung
Wie bei allen Datensammlungen gilt es als erstes eine solide Basis zu schaffen. Wer z.B. den Verbrauch in Abhängigkeit der Außentemperatur darstellen will sollte darauf achten, dass sich von Messung zu Messung wirklich nur die Temperatur verändert und nicht auch noch (z.B.) der Straßenzustand (trocken/Regen).
Für die Auswertung der ersten Frage (Außentemperatur und Verbrauch) wurden daher nur einwandfreie Fahrten (keine Umwege, Stau o. Ä.) von Stuttgart in Richtung Heilbronn, bei trockener Fahrbahn und ohne Standheizung ausgewertet.
Auch wenn die Werte etwas schwanken so ist erkennbar: Je kälter desto höher der Verbrauch. Zwischen -8 °C (5,5 l/100 km) und 20 °C (4,25 l/100km) liegen 1,25 l/100 km Unterschied (fast 23 % erstaunlich viel, finde ich)
Eine linear Annäherung scheint möglich: Standardverbrauch ist 5,15 l/100 km bei 0 °C. Für jede 10 Grad mehr oder weniger steigt oder sinkt der Verbrauch um 0,42 l/100 km
Entzauberte Standheizung
Wenn man auf Basis dieser Daten dem Hersteller der Standheizung Glauben schenken will so müsste der Verbrauch vom Sommer zum Herbst immer weiter ansteigen und dann (sobald die Standheizung genutzt wird) auf Sommer-Niveau fallen. Der Verbrauch der Standheizung geht am gesamten System vorbei wirkt sich also nicht auf den Boardcomputer aus.
Einzelverbräuche über alle FahrtenAlso habe ich dem ersten Frost entgegengefiebert und wurde dann recht herb enttäuscht. Die Verbrauchswerte blieben brav auf Winterniveau. Also auch wenn ein Auto bei kalten Temperaturen mehr verbraucht, es scheint nicht an der Motortemperatur zu liegen (die lag dank Standheizung bei molligen 60 °C).
Zu keiner Zeit wurden Verbräuche auf Sommer-Nveau erreicht. Der Unterscheid sollte also eher an Dingen wie einem kalten Getriebe und Lagern oder einem veränderten Wirkungsgrad des Motors bei kalten Temperaturen liegen. Also nix mit reinsparen der Standheizungskosten, zumindest nicht bei diesem Fahrzeug (jemand mit 12-Zylinder Gußeisenmotor und Vergaser kommt vermutlich zu anderen Ergebnissen..).
Winterreifen
Meinem Verständnis nach ist es technisch korrekt, das Winterreifen einen höheren Abrollwiderstand haben und daher mehr Sprit verbrauchen. Die Frage für die Praxis ist jedoch: Wie viel mehr?
Die Ermittlung des exakten Unterschieds war leider nicht möglich und zwar aus einem einfachen Grund: Der Reifendurchmesser. Auch bei exakt gleicher Größe haben sie (schon alleine wegen des Verschleißes) einen unterschiedlichen Umfang.
Wie man sieht schwankt die Strecke je nach Reifen um gut 10 % (32-33 km). Neue Reifen haben einen größeren Durchmesser und zeigen kürzere Strecken an, abgefahrene Reifen messen eine längere Strecke.
Dieser Fehler wirkt sich natürlich direkt auf die Verbrauchswerte aus und macht daher jede Analyse in Richtung Rollwiderstand unmöglich. Hier müsste man alternative Messmethoden einsetzen um sich unabhängig vom Reifendurchmesser zu machen.
Fazit und Vergleiche
Auch wenn die Analyse sich ausschließlich auf den kleinen 1.4er Jazz und mein spezifischen Nutzungsprofil beschränkt ist finde ich es trotzdem interessant was man da so alles herausholen kann.
Ein weiterer Vorteil so einer "Referenzstrecke": Man kann andere Autos drauf fahren und die Ergebnisse vergleichen.
Ein Toyota Prius (2te Generation) schaffte es den Minimalverbrauch des Jazz (trotz fast 70 % mehr Systemleistung und einem höheren Gewicht) noch um einen Liter zu unterbieten und landete bei knapp unter 3 Litern. Die Schwankungen von Fahrt-zu-Fahrt waren außerdem deutlich geringer.
Ein Seat Altea XL mit 1,2 l Turbomotor und Sechsgangetriebe lag trotz kleinerem Hubraum und längerer Übersetzung etwa 10 % über dem Jazz.. |
Sat Aug 13 05:53:29 CEST 2016 | BenutznameSchonVergeben
Witzig, arbeitest du auch bei einer der IT- oder Einzelhandelszentralen in Neckarsulm? Dahin bin ich auch mal gependelt.
Das erste halbe, dreiviertel Jahr hab ich auch versucht den Verbrauch zu drücken, irgendwann hab ichs aufgegeben. Die A8/81 ist so behinderter Haufen Betonmüll, die kann man sich keine Sekunde länger als nötig geben.
Sat Aug 13 08:07:48 CEST 2016 | ElHeineken
Momentan arbeite ich ja noch in Japan aber Ende des Jahres geht es wieder in die Region. Es wird aber wohl eine Weile dauern bis ich wieder stabile Fahrwege habe solange gibt es leider keine Möglichkeit das Projekt weiterzuschreiben.
Was die Autobahn-Fahrerei angeht sind das auch bei meiner entspannten Fahrweise nur etwa 15 Minuten, ist also auszuhalten :-)
Sat Aug 13 09:22:24 CEST 2016 | Khim
Huhu
Ein klasse Bericht! Das mit dem versuchen, anders zu fahren kenn ich.
Ich habe hin und zurück ca 46 km Arbeitsweg. Als ich die Strecke am Anfang noch nicht gut kannte, war der Verbrauch natürlich ganz anders als heute.
Jetzt geht es meist entspannt im 5.Gang die Strecke lang, außer einmal durch einen Ort im 3. Gang.
So merkt man echt, wenn was unbekannt ist, wie oft man *unnötig* schaltet und bremst
Weiterhin gute Fahrt und einen vollen Tank!
Sat Aug 13 12:56:26 CEST 2016 | Antriebswelle96
Warum hast du als Datenbasis denn den eher unzuverlässigen Bordcomputer verwendet? Ich protokolliere meinen Spritverbrauch schon seit Jahren auf Basis der gefahrenen Strecke und des real getankten Kraftstoffs.
Was die Standheizung angeht: Ich kenne keine Aussagen, dass sich der Anschaffungspreis wieder einsparen lässt. Sehr wohl kenne ich die Aussage, dass der Kraftstoffverbrauch der Standheizung durch den Minderverbrauch der fehlenden Kaltstartphase kompensiert wird - und das kann ich durchaus bestätigen.
Sat Aug 13 14:11:22 CEST 2016 | ElHeineken
Hier sind die Tankdaten aus dieser Zeit (ca. 180 Stück): https://www.spritmonitor.de/de/detailansicht/343772.html
Auf deren Basis wäre die Analyse wie oben nicht möglich gewesen da man Einflüsse wie Hin- oder Rückweg, Temperatur, Straßenzustand, usw. leider nicht voneinander trennen kann.
Was den eingesparten Kraftstoff durch fehlenden Kaltstart angeht, bei meinem Auto ist der Effekt nicht erkennbar. Ich bin mir sicher, dass eine Verbrauchseinsparung auftritt (denn warm ist immer besser als kalt) aber sie fällt zumindest hier so gering aus, dass sie in den Messungen nicht erkennbar ist.
Der Verbrauch einer Fahrt bei 0 °C sind etwa 1,7 l. bei 20 °C sind es ca. 1,4 l (Differenz: 0,3 l). Der Verbrauch der Standheizung liegt bei ca. 0.3 l für einmal Aufheizen. Damit die 0,3 l für den Vorheizvorgang wieder reinkommen müsste der Verbrauch der anschließend gefahrenen Strecke auf Sommer-Nivau (1,4 l) liegen. Leider liegt er jedoch immer noch bei ca. 1,7 l.
Die Rechnung kann bei größeren Motoren und mehr Hubraum anders aussehen aber bei meinem Jazz bleibt von der Standheizung wohl hauptsächlich der Komfort- und Sicherheitsgewinn übrig (den man natürlich nicht unterschätzen sollte :-) ).
Sat Aug 13 21:30:54 CEST 2016 | Multimeter77
Eine Standheizung macht bei einem Jazz 0,0% Sinn. Ich fahre die selbe Strecke in die entgegen gesetzte Richtung und im Winter hat der Jazz mit Klimasollwert "LO" nach 5km Landstraße seine 90%. Bei meinen 1.4 / 1.9TDIs kann man da noch 20km dazu rechnen. Da merkt man dann auch die Differenz zwischen Winter- und Sommerverbrauch deutlcher.
Sun Aug 14 00:33:58 CEST 2016 | Spiralschlauch42181
Ich hatte mir schon bei dem Bild gedacht "Komisch, dass sieht irgendwie nicht nach Japan aus", aber jetzt weiß ich auch warum. Für mich geht es nächstes Monat nach Japan
Der Jazz der 1. Generation ist ja mit 1.4L i-DSI Motor ausgestattet. Ob das einen Unterschied zu Motoren mit nur 1 Zündkerze macht?
Bei den Toyota HSD Hybriden muss es einen deutlicheren Unterschied geben, da hier für den Prius oder den CT 200h ein Abgaswärmerückführungssystem verwendet wird, dass im deutschen Yaris Hybrid z.B. fehlt.
Tue Aug 16 16:17:27 CEST 2016 | ElHeineken
@Kamui77 Wir machen sozusagen die Wachablösung :-) Unser Rückflug geht Mitte Oktober, da haben wir einen Monat Überschnitt aber leider bist du ja etwas weit weg von Tokio um sich da noch zu treffen. Wünsche dir auf jeden Fall viel Spaß und freue mich auf deine Berichte.
Wegen den Zündkerzen, die sind ich denke die haben nicht direkt eine Auswirkung außer dass der Motor eben dafür konstruiert ist. Interessanterweise hat der Vor-Facelift GD noch eine mechanische Drosselklappe und der nach-Facelift Throttle-by-wire und trotzdem kein Unterschied im ausgewiesenen Spritverbrauch (da hätte ich Vorteile erwartet, wozu sonst der Aufwand).
Verschiedene Hybride konnte ich leider nicht testen, die Autoauswahl beschränkte sich auf Kollegen und Familie. Der Gewichtsunterschied z.B. zwischen Yaris und Prius ist so hoch da wird es schwierig die Auswirkungen auf den Spritverbrauch rauszurechnen. Man müsste das System im Prius stillegen um den Unterschied im gleichen Fahrzeug zu ermitteln, ich schätze aber mein Kollege wird damit nicht einverstanden sein :-)
Tue Aug 16 16:42:19 CEST 2016 | Spiralschlauch42181
@ElHeineken
So kann man es sagen, nur mit dem Unterschied dass ich nicht beruflich nach Japan fliege sondern zu meiner Frau (sie ist Japanerin) ziehe. Versuche dann vor Ort Arbeit zu finden
Beim 1.8L R18 i-VTEC Motor hat Honda die by-wire Drosselklappe extra erwähnt, da das Motorenprofil im Niedriglastbereich quasi einen Atkinson-Zyklus fährt. Ich vermute, bei Honda hat man in diesem Zeitraum generell auf by-wire Technik umgestellt, um nicht mit zwei unterschiedlichen Systemen arbeiten zu müssen.
Sun Aug 12 19:43:18 CEST 2018 | Trackback
Kommentiert auf: Auch Trottel können richtig liegen...:
Hypermiling im Hubraumzwerg
[...] damit los. Habe dann auch viel Statistik dazu gemacht, viel gelernt und so manchen Mythos widerlegt: https://www.motor-talk.de/.../...lanalyse-spritverbrauch-t5778934.html
Jetzt mit dem Seat kann ich das gelernte weiter nutzen, trotzdem merkt man den Fortschritt zwischen [...]
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