Wed May 07 22:41:52 CEST 2014 | fate_md | Kommentare (7) | Stichworte: 500, CB, Honda Motorrad
Dauerläufer oder Pflegekind?
Es gibt Motorräder, denen werden Dauerläuferqualitäten nachgesagt. Einerseits gut, da man auch bei älteren Exemplaren noch relativ bedenkenlos zugreifen kann, andererseits für den Dritt-, Viert- oder Siebzehntkäufer gefährlich, da die Servicehistorie meist kaum oder gar nicht mehr nachvollzogen werden kann. Und wenn, dann zählt Öl wechseln und einmal Staub abwischen meist schon als kompletter Service. In gewissen Grenzen nachvollziehbar - wenn das ganze Mopped nur schon wenig Taler gekostet hat, will man nicht den halben Wert davon nochmal zur Werkstatt tragen. Sofern man es also nicht selbst kann, bleibt´s meist einfach liegen.
Striptease im Namen der Technik
Da meine Werkstatt aber einen kleinen Grundstock an Equipment aufweist und meine Oberkörpertentakel zum Glück dazu geeignet sind, die entsprechenden Werkzeuge auch zu bedienen, hatte ich mir auf die Fahne geschrieben, auch einen solchen Dauerläufer mit etwas Eigeneinsatz bei bester Gesundheit zu halten. Angeschafft wurde die kleine Rote ja schon letztes Jahr, als zukünftiges Mopped für die holde Weiblichkeit daheim. Somit konnte man schon im Vorfeld ein wenig üben und Grundlagen schaffen, die Fahrschulen machen das ja nicht mal eben nur für ein Dankeschön. Nun ist das Weibchen fast fertig mit dem Schein und die Zeit drängelte etwas, denn irgendwie schiebt man solche Arbeiten ja doch immer wieder gemütlich vor sich her. Bei den letzten Übungsfahrten quängelte die 500er dann allerdings doch mit Nachdruck, indem sie bei warmem Motor unangenehm hoch drehte und auch die Drehzahl nur langsam sinken liess, wenn man ihr per Drosselklappen die Atemluft raubte. Technisch nicht wirklich kritisch, für eine Fahranfängerin aber ein unnötiger Punkt der Unruhe im Lernprozess. Es war also an der Zeit, die 48000er Ventilspielkontrolle und eine Vergaserreinigung durchzuführen. Sternzeit 68800. Knapp drüber. Besser spät als nie...
In der Halle ging es der kleinen Roten dann also erst einmal an die Wäsche, nackig machen war angesagt. Das geht aber fix und nach ein paar Minuten stand ein schüchternes Häufchen Elend vor einem. Leitungen, Züge und Schläuche weg und mit theoretisch wenig Aufwand, praktisch aber ganz viel fluchen, weil alles eng verbaut und wild festgebappt über Jahre, wurde dann der Vergaserblock entfernt und auf die Werkbank verbannt für spätere Weiterbehandlung. Anschliessend Ventildeckel ab und Kerzen raus, damit man den Motor einfacher durchdrehen kann. Durchdrehen war scheinbar die Losung des Tages. Der Gummiring der Kerzennuss blieb samt Kerze im Schacht. Selbiger ist tief. Und die Ring eigentlich in die Nuss gepresst, also zu groß um letztere "einfach" wieder von oben aufzusetzen. Hat mich mindestens 10min fluchen und Fingerakrobatik mit zwei Feinmechanikerschraubendrehern gekostet, bis ich den kleinen Deserteur wieder rausgeangelt hatte. Anschliessend also zur Messmittelschublade tigern und die Fühlerlehre raus gekramt. Alle Ventile leicht unter Sollmaß. Wenig überraschend. Leider jedoch eben mit der Konsequenz, dass aus "schnell mal messen" eine größere Aktion von "bauen wir den ganzen Quatsch also aus" wird. Gesagt, getan. Markierungen gesetzt, Schrauben gelöst, Kette gesichert, Teile entnommen, Maße geprüft. Mit ein wenig Rechnerei stand dann fest, welche Shims geordert werden mussten, um das Ventilspiel überall wieder auf Sollmaß zu bekommen.
Innereien 1Innereien 2VentiltriebVentiltriebNocken
Während die Bestellung ihren Weg durch die Republik nahm, widmete ich mich dem Doppelherz der 500er. Das Mopped hat ja so einen hübschen Nebenluftfilter, den eigentlich nie jemand wechselt und wenn man dann nach 10-15 Jahren zufällig mal in den Nebenluftfilterkasten schaut, ist der leer. Das liegt daran, dass sich der Filter aus Depression aufgrund von zu wenig Beachtung zersetzt und anschliessend wimmernd im Vergaser versteckt. Den Filter hatte ich letztes Jahr schon durch ein Neuteil ersetzt (spannende 4,xx€), seinen Vorgänger hatte ich somit bei dieser Aktion jetzt auch kennengelernt. Die Vergaser wurde dann noch komplett zerlegt und gereinigt, die Chokekolben wieder aufpoliert und der ganze Siff der letzten 20 Jahre runtergespült. Danach war dann warten angesagt, bis der Postmann 2x klingelt...
Nebenluftfilter in VergaserChokekolben vorher / nachherVergaser
Tat er nicht, einmal reichte. Freudig sprang ich zur Tür und nahm ihm seine Transportlast ab. Auf ins Batmobil und ab in die geheime Höhle. Wa? Nee. Auf ins Baguette und ab zur Halle. Mit zitteriger Hand die poplig kleinen Shims per Pinzette an den Einbauplatz postiert. Nur nix in den Motor fallen lassen, sonst grüßt der Zonk. An ausgbauten und auf Montageständer geschraubten Motoren arbeitet es sich irgendwie viel entspannter. Schlimmster Teil geschafft, danach wurde es einfach. Tassen aufsetzen, Nockenwellen rein (hübsch markiert, der kluge Mensch baut vor ), Lagerdeckel drauf, Steuerkettenspannerschlüssel rein und.... wa... Steuerkettenspannerschlüssel? Sowas hab ich doch gar nicht. Mist. Also die Mechanik kurz beäugt, mit gefühlt 2,795 Händen und mindestens 14 Fingern improvisiert und das Teil auch so sauber eingesetzt bekommen. Weiter im Text. Alles fest, Steuerzeitenmarkierungen prüfen. Nochmal durchdrehen, nochmal prüfen, hübsch, gut, Deckel drauf. Restkliches Kabelklimbim und Schlauchgewirr dran, nebenher noch Luftfilterkasten und Vergaserbatterie reingepopelt und sich daran erfreut ( ), dass der Einbauraum immer enger wird. Den zuguterletzt übrig geblienen offenen Schlauchanschluss dann doch noch dem Luftfilterkastenablauf zuordnen können und dann den EKG Peak eines jeden Schrauberherzes anpeilen: Motorstart. Gedanklich nochmal schnell durchgehen, ob alles drin / dran / drum ist. Check.
neue ShimsTassenstößel wieder draufAuslassnockenwelleNockenwellenLagerdeckelEndspurtDeckel draufZiel in SichtEndmontageEndmontage
Wiederbelebung
Also Feuer frei. Noch nicht ganz. Erst noch kurz etwas Benzin in die Vergaser lassen per Unterdruck am Schlauch, damit die Kleine nicht allzulange orgeln muss. Musste sie dann auch nicht.
Sauber angesprungen und sofort lebhaft am Gas. Wäre fast die 100 Punkte Vorstellung gewesen, wenn es da nicht irgendwie tropfen würde?! Kühlwasser. Aber warum? Motor logisch sofort aus und den Fehler suchen. Die Leuchte förderte dann einen Riss in einem Vergaserheizungsschlauch zu Tage. Hatte die alte Schelle wohl über Jahre eingeschnitten. Zum Glück sind die Schläuche lang genug, damit man die ersten 2cm bedenkenlos kürzen kann. Problem geklärt. Wieder an, warm laufen lassen & Leerlauf einregeln. Dabei beobachten ob das Drehzahlproblem im warmen Zustand noch auftritt. Nö. Top. Gasannahme ist gefühlt auch viel direkter und es wird sauber wieder auf Leerlauf zurückgeregelt. Mal schauen ob das nochmal flinker wird, wenn die Vergaser synchronisiert sind, bis jetzt bin ich jedenfalls rundum zufrieden.
Fehlt nur noch der Darfschein vom Weibchen, aber auch hier gilt wohl, besser spät als nie... |
Fri May 09 12:56:27 CEST 2014 | Airway
..wenn man sich selbst helfen kann,können ältere Motorräder mit hoher Laufleistung durchaus ein Schnäppchen sein....zumeist,fallen eh nur Kleinigkeiten an...
Trotzdem ,Leuten mit "zwei linken Händen" ,würde ich so ein Motorrad nicht empfehlen....
Fri May 09 17:40:41 CEST 2014 | fate_md
Da stimmt, dann kann es chnell zum Groschengrab werden und einem den Spaß am Mopped fahren rauben. Das wäre ärgerlich.
Sat May 10 15:28:00 CEST 2014 | Rostlöser13288
Schön, wenn sich jemand um solche Motorräder kümmert. Lese ich sehr gern.
Die CB war mein Fahrschulmopped ... hab daher einen besonderen Bezug dazu.
Ps: Die Funzel vorne sieht echt gut aus!
Sat May 10 15:48:36 CEST 2014 | Magnus-Vehiculum
Hut ab! Ich hab regelrecht mitgefiebert, ob der Start am Ende problemlos von statten geht.
Glückwunsch und dir sei viel gutes Wetter für Ausfahrten gewünscht!
Sat May 10 18:26:54 CEST 2014 | fate_md
Komplimente richte ich aus, ich schraube nur, aussuchen tut´s Weibchen, ist ihr Mopped.
Vergaser sind jetzt fertig synchronisiert, das habe ich heute noch gemacht. Mopped ist wieder startklar zusammengebaut und macht jetzt den Schrauberplatz frei für den Neuzugang
Sat May 10 21:37:40 CEST 2014 | Trackback
Kommentiert auf: fate_md:
Die dicke Diva
[...] "Samstag kommt dein Motorrad". Uff. Cool. Eigentlich. Denn NOCH war die Halle alles andere als frei. Die 500er vom Weibchen stand komplett zerschraubt zum großen Service. Also da mal flinke Füße gemacht und pünktlich Freitag abend die 500er rollbar gehabt mit den meisten Teilen [...]
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Tue May 13 18:41:22 CEST 2014 | fate_md
Mittlerweile (seit Samstag) auch frisch synchronisiert und vorhin war ich dann endlich mal Probefahrt machen. Hach ja, macht Spaß
Zweizylinder und Leovince sind eine feine Kombination. Auch wenn die Nachbarn das sicher anders sehen würden.
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