Mon Jun 10 15:40:30 CEST 2013 | Druckluftschrauber2011 | Kommentare (6) | Stichworte: Gesellschaft, politik, wahl
Als ich heute Vormittag die Brandenburgs Straßen befuhr und zwischen Johannes Brahms Sinfonie Nr. 3 und Wolfgang Amadeus Mozart Hornkonzert Nr. 2 die Nachrichten beim Kulturradio lauschte, musste ich mir Erschrecken erfahren, dass der Pöbel / das Prekariat wohl zu dumm zum Wählen ist. So oder so ähnlich spielte es sich ab.
31 % der unteren Schicht wollen zur Wahl gehen, während es 68 % aus der oberen Schicht sind. So oder so ist es aber ein weiterer Trend in die, meiner Meinung nach, falschen Richtung in einem Land, in dem alle Macht vom Volke ausgehen sollte. Was ich noch viel weniger nachvollziehen kann, ist der Anlass für die perspektivisch sinkende Beteiligung. Sagt die gleiche Studie doch auch, dass die Leute insgesamt glück und zufrieden mit der Demokratie sind. Was mich noch mehr verwundert ist die Aussage, dass 65 % der Menschen einen großen Unterschied zwischen den Parteien ausmachen. Ich meine… ich schaffe es auch den Unterschied zwischen Pest und Cholera zu erkennen. (Ja okay, schaffe ich nicht.)
Ich persönlich kann dieses Desinteresse in der politischen Landschaft nicht in Gänze nachvollziehen. Meiner naiven Vorstellung nach sollten ja gerade die unteren Schichten politisch einen massiven Druck ausüben, da die Politik ja (auch) dafür sorgen muss, damit es aus einer Abwärtsspirale hinausgeht und sich kein „Sozialadel“ bildet, wo der Arbeitsvermittler dann 3 Generationen einer Familie betreut. Die Personen, denen es in unserem sozialen Staat theoretisch am schlechtesten geht, sollten doch die höchste Motivation haben, etwas an ihrem eigenen Status zu ändern.
Also stelle ich mir die Frage, was die Personen dazu treibt, nicht aktiv zu werden. Entweder ist es das Denken, dass man eh nichts bewirkt oder ist es das Empfinden, dass man sich reich fühlt, so lange einem RTL II immer noch einen zeigen kann, der noch viel ärmer ist. Arm und Reich bezieht sich hierbei nicht auf Geld allein. Oder ist es gezieltes und erwünschtes Desinteresse einer Unterschicht, die die Füße stillhält und nicht aufbegehrt. (Verschwörungstheorien sind gern gesehen)
Ich finde es persönlich sehr verwirrend, wie einerseits in einigen Ländern Bürgerkriege und halbe Volksaufstände von statten gehen, welche mehr Demokratie zum Ziel haben. Hier breite Bevölkerungsschichten in Stuttgart gegen S21, in Frankfurt bei Blockupy oder sonst wo antreten um ihrem Willen auf die Straßen zu bringen und dann dennoch das Interesse Politik durch Wahlen zu beeinflussen schwindet. |
Mon Jun 10 15:59:36 CEST 2013 | Trackback
Kommentiert auf: Mein Bloque:
Rächtsschreibung (oder Die Rache der Buchstaben)
[...] http://www.motor-talk.de/.../zu-dumm-zum-waehlen-t4562737.html
[...]
Artikel lesen ...
Tue Jun 11 03:20:54 CEST 2013 | PS-Schnecke26897
Ist es tatsächlich Unkenntnis oder einfach nur Desinteresse?
Ich glaube: Beides!
Das Wahlrecht haben wir uns erstritten - warum es nicht auch wahrnehmen?
Man sollte nicht so einfach darauf verzichten.
Bei eine einzigen Wahl haben ich nicht teilnehmen können, weil ich zum Zeitpunkt der Kommunalwahl erst wenige Wochen dort wohnte (es gab eine sinnvolle Wartefrist).
Tue Jun 11 11:05:42 CEST 2013 | Druckluftschrauber2011
Mensch Martin. Ich komme mir vor, wie in einer Beziehung. Ich habe wohl was falsch gemacht (Link zur Rächtschreibung) und weiß gar nicht was.
Wed Jun 12 22:50:12 CEST 2013 | Antriebswelle135730
Bei der nächsten lokalen OB-Wahl gibt es zwar 7 Kandidaten, aber keine Unterschiede im Wahlprogramm (Sparzwang schränkt Handlungsspielräume und politischen Gestaltungsspielraum ein), es unterscheiden sich nur die Slogans, von den denen einer schlechter ist als der andere. Somit wird es einfach eine Personenwahl ("Die hatten wir doch schon immer, die ist doch nett …"). Was bedeutet, dass 6 Kandidaten keine realistische Chance auf das Amt haben.
Ich frage mich, ob ich zu dieser Wahl gehe, denn (1) gewinnt mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit ein Kandidat, den ich kein Kreuz spende und (2) ich mich bloß als Stimmvieh sehe, da der politische Einfluss praktisch zu gering ist.
Und wenn ich die Biografien der Kandidaten betrachte – nicht einen würde ich in der Firma zum Vorstellungsgespräch einladen.
Und bei der nächsten Bundestagswahl gilt in etwa das Gleiche: Als einer von x Millionen Wahlberechtigten hat man ja doch keinen Einfluss auf das Ergebnis und nur wählen, damit Partei x die 1,5€ Wahlkampfkostenerstattung bekommt? Und wenn man eine Regierung hat, verliert die sich im Tagesgeschäft und gibt ihren "Markenkern" auf. Wer hätte vor 4 Jahren gedacht, dass die CDU - koste es was es wolle - einen Atomausstieg macht? Oder davor die SPD mit Agenda2010 einen Abbau des Sozialstaates forciert? Oder Grüne mit Kosovo den ersten Kampfeinsatz der BW im Ausland verantworten? Die Beispiele sind ohne Wertung zu sehen und sollen verdeutlichen, dass ich als Wähler keine aktive Mitgestaltung an den zukünftigen Herausforderungen habe, die ich zum diskreten Zeitpunkt der Wahl nicht voraussehen kann (Fukushima) oder geblendet werde.
Konkret: es wird eine gesamtschuldnerische Haftung in der EU geben (der Name Eurobonds sei mal dahingestellt), egal was ich wähle und ich als deutscher Steuerzahler zahle entweder direkt oder indirekt über Inflation für fremde Völker Süd. Ob ich will, oder nicht.
Wenn es konkrete Fragestellungen bei strategischen Entscheidungen, bei denen der Bürger mittels Volksentscheid sich einbringen kann, gäbe, wäre das Interesse sicher höher, wenn auch polemischer diskutiert werden würde.
Warum ich nicht selbst Politiker werde? Dazu bin ich nicht korrumpiert genug und will es auch nicht werden.
Tue Jun 18 10:14:17 CEST 2013 | Druckluftschrauber2011
Sehr schön.
Du hast natürlich Recht. Die Herausforderungen der Zukunft kann man in einer Wahl in der Gegenwart nicht so richtig überschauen.
Das Thema Volksentscheide als Möglichkeit zur Beteiligung der Bürger des Landes am politischen Geschehen teilzunehmen ist sicher sehr interessant. In der Schweiz gibt es damit ja Erfahrungen.
Die Art und Weise Diskussionen zu führen wäre dann wohl sicher eine andere. Der Aufwand solch Entscheidungen zu organisieren, auszuwerten etc. ist wohl groß und die Abgrenzung, wann man zu diesem Mittel greift spannend zu ergründen.
Mon Jun 24 18:40:00 CEST 2013 | Antriebswelle135730
Ich war übrigens zur Wahl, mit dem Ergebnis, dass (1) eintrat, also die Amtsinhaberin eine deutliche Mehrheit errang. Allerdings nicht die absolute, sodass ich demnächst an einem 2. Wahlgang mit deutlich reduzierter Auswahl teilnehmen darf.
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