• Online: 3.219

Kopfüber in Down Under

Ein Leben am anderen Ende der Welt

Sun Jun 06 00:13:11 CEST 2010    |    MartinSHL    |    Kommentare (13)    |   Stichworte: Australien, Dünen, Landcruiser, Outback, Perth, Toyota

Nach fast einer Woche Fahrt - weg vom für mich mehr als langweiligen Adelaide - war es nun endlich so weit.

Die Sonne ging mittlerweile goldgelb unter und am Horizont zeichnete sich glitzernd die Skyline von Perth ab, umsäumt von Palmen und einem See. Wer die Geschichte vom "Zauberer von Oz" und dort die Beschreibung der Smaragdstadt kennt, wird in etwa wissen, wie ich mich bei diesem Anblick gefühlt habe.

Zu Beginn ein kleiner Info-Exkurs in die unendlichen weiten von Perth und Umgebung, an denen jetzt wieder mal so deutlich wie bisher nie gezeigt wird, was für Extreme in Australien herrschen.

 

Perth, als Hauptstadt des australischen Bundeslandes "West Australia" (WA) gilt als "the most isolated Capital City in the World", also die abseits gelegenste Stadt der Welt, und zwar in Bezug auf die Entfernung zur nächsten Hauptstadt.

Nach Süden kommt nichts außer der Antarktis, nach Westen nur der Indische Ozean bis rüber nach Afrika, im Norden liegt die nächste Hauptstadt erst in Indonesien, einzig Richtung Osten liegt Adelaide in rund 3.000km Entfernung.

 

Von vielen Australienreisenden habe ich im Vorfeld gehört "in den Westen zu fahren lohnt sich nicht....ist zu weit weg und nix los".

Nunja, wer lieber an die Ostküste und damit stellenweise zu fast Ballermann-ähnlichen Verhältnissen will, sollte in der Tat nicht nach WA reisen.

Ich für meinen Teil kann jedoch rückblickend sagen, wer nicht in WA war, hat das wahre Australien nicht gesehen.

Nirgends auf der Welt kann man noch solche Wildnis, Einöde, unvorstellbare geografische/landschaftliche Erscheinungsbilder und vor allem Abenteuer erleben.

 

Das dieses Vorurteil vieler jedoch nicht von ungefähr kommt, liegt wohl auch in den folgenden Fakten begründet:

WA hat die 8-fache Fläche von Deutschland, jedoch leben nur rund 2Mio Menschen hier, davon allein 1,6Mio nur in Perth!

Weitere rund 200.000 Menschen leben in den recht fruchtbaren Regionen südlich davon...verbleibt ein minimaler Rest von weiteren rund 200.000 Menschen, welche sich auf eine Fläche 7mal so groß wie Deutschland verteilen.

Gnade dem, der da mal eben schnell eine Tüte Zucker beim Nachbarn borgen will.... ;)

 

Aber genau das machte für mich "das wahre Abenteuer" aus....hier endlich sollte es losgehen und die bisherigen Erfahrungen in den Schatten stellen. Das ich mich hier nahezu "wie zuhause" gefühlt habe wird auch daran ersichtlich, dass ich in Perth fast das nächste viertel Jahr, und in WA selber ein gutes halbes Jahr zugebracht habe. Auch auf meiner späteren Australienreise kehrte ich erneut für mehrere Monate nach Perth zurück.

 

Jedoch stand ganz am Anfang wieder erstmal das Arbeiten auf einer Obstplantage. Den Job hatte ich aber Dank miesen Wetters und schlechter Bezahlung nach einer Woche bereits satt. Es folgte ein Versuch als "Hochseefischer"....Bezahlung bis zu 1.000AU$ pro Woche (!!!), leider fütterte ich recht unfreiwillig bereits an meinem ersten Probetag auf See mehr Fische als ich herausholte, sodass dieser lukrative Job leider auch nicht in Frage kam.

 

Dann aber sollte ich meinen Traumjob finden!

Fässer in einer Wiederaufbereitungsanlage für landwirtschaftliche Düngemittel stapeln.

Hierbei handelte es sich um große Plastikfässer, welche - nun leer - vorher Pestizite, Herbizite u.ä. Pflanzenschutz-, -wachstums- und -vernichtungsmittel enthielten. Diese wurden in riesigen Roadtrains täglich hundertfach angeliefert, mussten farblich sortiert und anschließend innen und außen für die spätere Wiederbefüllung gereinigt werden.

Auch hier zeigte sich mal wieder die herzliche Art des Australier bei meinem ersten Tag in der Firma. ;)

Auf die Frage, woher ich komme und ich dies mit "Deutschland" beantwortete, zeigte man mir umgehend schwarz markierte Fässer und erklärte "Das ist das Zeugs, was ihr im ersten Weltkrieg gegen die Franzosen eingesetzt habt".

Super....das war dann wohl auch geklärt. Wie immer offen und direkt die Aussies. :D

 

Nichtsdestotrotz sollte ich hier Dank meiner "deutschen Gründlichkeit" zu Höchstformen auflaufen. Übrigens eine Sache, welche alle Australier an den deutschen Arbeitern sehr schätzen.

Ich konnte mich nun nach Herzenslust beim Fässer stapeln austoben und wurde so recht schnell zum "Lord of the Drums". Witzigerweise befand sich gleichzeitig in den australischen Charts ein Song "Sound of Drums" auf Platz 1 und wurde permanent gespielt. :)

 

Hier sortierte ich nun tagein, tagaus und wenn sich die Gelegenheit bot auch samstags meine mittlerweile heißgeliebten Fässer.

Offensichtlich machte ich meine Arbeit so gut, dass man mir hier sogar eine dauerhafte Stelle anbot, also nicht nur auf beschränkte Zeit, sondern so richtig mit allem drum und dran, sprich fester Arbeitsvertrag inkl. mehrjähriger Aufenthaltsgenehmigung.

 

Definitiv eine Versuchung wert, aber mein Ziel, den Kontinent einmal komplett zu umrunden war noch nicht beendet, so musste ich leider, aber dankend ablehnen.

 

Nach einer Weile kam, was kommen musste.....beim öffnen eines der berühmt-berüchtigten schwarzen Fässer spritzte eine gute Ladung heraus (in allen Fässern war i.d.R. noch 2-3L Neige drin) und ich bekam das Zeugs in die Nase.

Erst konnte ich ganz wunderbar frei durchatmen, dann dauerte es natürlich nur wenige Minuten bis mir das Blut strömte...Sicherheitsstandards sind nicht so relevant wie hier in Deutschland... ;)

Nunja, aber ein echter Indianer kennt keinen Schmerz, also weiter gearbeitet. Leider blutete das ganze noch mehrere Tage, jedoch irgendwann hörte auch das auf. Seither schnarche ich angeblich wie ein alter Sack. :D

Über manche Dinge die einem passieren darf man glaub ich einfach nicht nachdenken...die ganze Sache hätte wohl auch verdammt gut ins Auge gehen können...an dieser Stelle sogar im wahrsten Sinne.

Ich habs überlebt, das ist die Hauptsache. :)

 

Ähnlich grenzwertige Sachen sollten ab sofort ohnehin öfters an der Tagesordnung stehen....einzig ich wusste es noch nicht. :D

 

Um dem ganzen Arbeitsalltag zu entfliehen (hatte nun schon fast 2 Monate Fässer gestapelt) gönnte ich mir quasi einen "Urlaub im Urlaub" und flog für 2 Wochen nach Bali. Jaja, wer hat, der kann... :cool:

War dann aber auch sehr froh, wieder in meinem geliebten Perth zurückzusein um meine Tour fortsetzen zu können.

 

Durch die Geschichten eines anderen Backpackerpärchens heiß gemacht, entschloss ich mich nun, "Dorie" gegen was großes handfestes und vor allem outbacktaugliches zu tauschen.

Dorie verkaufte ich daher an 3 Kanadierinnen, natürlich für den selben Preis, wie ich die alte Kiste bereits 20TKM vorher gekauft hatte, nur mit ein paar Schäden mehr. Sie waren überglücklich und meinten, sie hätten bisher kein einziges Auto angeboten bekommen, was so gut in Schuss sei. Ähm....nunja....Frauen?! Kanadier?! :D *duck und weg*

 

Angeschafft wurde nun "Lanny" der Landcrusier , ein Toyota der Serie 60H, BJ1982, 6Zylinder mit 4.2L Hubraum und diesmal wirklich werksfrisch mit nur 210TKM auf der Uhr.

Ein Fahrzeug, welches bereits beim puren Anblick Abenteuer vermittelt.

Enorme Bodenfreiheit, riesiger Kuhfänger, Klappspaten und mehrere Reservekanister, umgebaut, sodass man die hinteren Reihen als Doppelliege nutzen konnte und vollgestopft mit allem nur erdenklichen Outback-Campingszubehör.

Ein "Wüstenschiff" mit fast 3,5t Lebensgewicht, robust, einfache Technik und wohl nahezu unverwüstlich.

 

 

 

Um diesen nun deutlich teureren Wagen nicht ganz allein unterhalten zu müssen, habe ich Daniel kontaktiert und gefragt, ob er mit einsteigen möchte. So kam es dann, dass wir die nächsten Monate gemeinsam unterwegs waren. Das jetzt fahrtlich anvisierte Ziel hies Broome ganz im Norden von WA, mal wieder nur läppische 3.000km entfernt.

 

Das erste Abenteuer wartete dafür gleich außerhalb von Perth auf uns.

In den Sanddünen von Lancelin durfte Lanny gleich mal unter Beweis stellen, wie gut seine Geländetauglichkeit ist.

Dieser Weg Richtung Norden führt direkt an der Küste durch ein riesiges Sahara-ähnliches Gebiet. Nur mit dem Unterschied, dass hier der Sand nahezu schneeweiß ist und einen perfekten Kontrast zu dem wie immer strahlend blauen Himmel bietet.

So ging es Dünauf, Dünab los durch eine uns bis dahin völlig fremde und neue Welt abseit geteerter Straßen.

Eine Fahrprüfung, die Lanny mit absoluter Bravour meisterte und uns nun zu den "Pinnacles" führte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hatten wir gerade eben erst eine neue Welt verlassen, tauchten wir sofort ein in die nächste, recht außerirdisch anmutende Landschaft.

Ähnlich den "12 Aposteln" (siehe Blog Teil 3 ) an der Great Ocean Road waren auch hier durch Verwitterung weichere Sandschichten herausgeschwemmt und nur die härteren Segmente übrig gelassen worden.

Dies führte dann zu einer Science-Fiction-gleichen Formation von wahllos herumstehenden Gesteinsspitzen.

Soweit mir bekannt, wurde diese Landschaft auch in diversen Sci-Fi-Filmen als Grundlage für "außerirdischere Planeten" eingesetzt.

 

Mit diesen außergewöhnlichen Landschaften verabschiede ich mich für heute und hoffe, Euch mal wieder etwas interessanten Lesestoff gebracht zu haben.


Sun Jun 06 08:29:33 CEST 2010    |    Dr Seltsam

Deine Fahrzeuge werden immer krasser :D :) :D

 

Und das mit den Fässern, nicht nur in Australien kannst du auf sehr maue Arbeitssicherheit treffen wie ich in meinem jetzigem Job feststelle. Aber im Gegensatz zu mir hast du wenigsten deinen Spass gehabt was sehr gut ist :) :D

Sun Jun 06 08:38:20 CEST 2010    |    Trennschleifer51433

Hallo Martin.

 

Danke für diesen schönen Bericht.

Genau das Richtige an einem Sonntagmorgen in meinem "freundlichen" Saar-Mosel-Ruwer-outback.

Interessante Bilder übrigens. Die SiFi-Landschaft gefällt mir. Quasi eine umgekehrte schwäbische Karstlandschaft.

Ich selbst hatte es leider nie bis Australien geschafft. Trotz Commonwealthpaß.

 

 

Ich freue mich auf weitere Berichte.

 

 

Gruß Thomas

Sun Jun 06 12:28:21 CEST 2010    |    PW2704

dieser Blog ist einfach toll. Er macht Lust darauf alles hinter sich zu lassen und ins Flugzeug zu steigen.

Jedoch fehlt mir dazu der Mut - Dich hingegen bewundere ich für diesen Schritt

Sun Jun 06 12:29:26 CEST 2010    |    Lewellyn

Sehr schön und unterhaltsam geschrieben. :)

 

Hast du eine Ahnung, was genau deine Nasenschleimhäute gehimmelt hat? Nicht dass da Spätfolgen bei rumkommen...

 

Auf Bali war ich auch mal. Um dann festzustellen, das "Kuta Beach/Bali" in etwa "El Arenal/Mallorca" entspricht. Nur mit Aussies statt Ossis. :D;)

Sun Jun 06 18:49:05 CEST 2010    |    MartinSHL

hehe...in meinem fall war ich dann sogar ein ossi-aussie auf bali... :D

 

was genau in dem fass war,kann ich heute nicht mehr sagen.

gekennzeichnet war es mit einem totenkopf, ich vermute, dies bedeutet nicht zwingend was gutes... ;)

soweit ich mich erinnere,enthielten die schwatzen faesser insektenvernichtungsmittel.

 

da fällt mir ein, was ich über bali nicht geschrieben hatte: 2 wochen später wurde dort der sprengstoffanschlag auf eine disko verübt,bei der unzaehlige touristen, die meisten australier, ums leben kamen. Wenige tage vorher stand ich noch vor dem gebäude... :eek:

Sun Jun 06 20:16:18 CEST 2010    |    Lewellyn

Jepp, in der Disko waren wir auch. Allerdings ein paar Jahre vorher (1997) zum letzten El Nino, was für Bali statt schwülheiss zwei Wochen traumhaftes Sommerwetter zur folge hatte. Ich wollte so gerne mal einen echten Tropenregen erleben und - nix. Sonne von morgens bis abends, angenehme Brise, nicht zu heiß (außer mittags inne Sonne, nicht zu kalt (rofl). Nun ja. Hätte schlimmer kommen können...:D

Sun Jun 06 22:38:31 CEST 2010    |    Dr Seltsam

Totenkopf bedeutet übrigens Giftig bzw wenn da noch n T+ dabei ist, sehr giftig. Was da also passiert is, war definitiv nicht gesund und hätte eigentlich nem Arzt, ach egal, du lebst noch und das ist das wichtigste :D :D :D :)

Mon Jun 07 09:33:28 CEST 2010    |    MartinSHL

Zitat:

Totenkopf bedeutet übrigens Giftig...

...nur gut, dass du es nochmal extra erwähnst... :D :D :D

 

Da kommen mir die fielen Redback-Spinnen, welche haufenweise dort im Außenbereich der Firma insbesondere zwischen den gestapelten Fässern zuhause waren, gleich gar nicht mehr so gefährlich vor. :D

(die führen zwar nur selten zum Tod nach einem Biss, aber starke Schmerzen sowie Lämungserscheinungen/schwere Krämpfe können durch sie ausgelöst werden) :eek:

Mon Jun 07 10:29:17 CEST 2010    |    MaCaddyGyver

Martin, das zeigt mir deutlich, dass ich unbedingt noch den Westen Australiens besuchen muss. Aber in Südaustralien war ich ja auch nicht...

 

Ich hoffe, ich finde bald die Gelegenheit dazu (und den Lottogewinn... ;))

Mon Jun 07 11:20:11 CEST 2010    |    MartinSHL

dann nimm mich unbedingt als Tourgide mit.... :D

 

ich meine, der osten mit dem great barrier reef, fraser island usw ist selbstverständlich auch traumhaft schön, gar keien frage. aber es ist eben doch recht touristenüberlaufen. stellenweise ist es - mit ausnahme des schönen wetters - fast europaähnlich, man fährt aus einer stadt raus und direkt in die nächste rein. handyempfang ist nahezu überall gegeben, überall partyhochburgen...man ist nie wirklich allein und auf sich gestellt.

in WA ist halt genau das gegenteil der fall. da kann man mitunter wirklich mehrere tage absolut mutterseelenallein unterwegs sein.

Deine Antwort auf "Teil 4: blutige Nasen, neue Welten und außerirdische Planeten"

Blogempfehlung

Mein Blog hat am 27.08.2010 die Auszeichnung "Blogempfehlung" erhalten.

Blogautor(en)

MartinSHL MartinSHL

Xenon-Blender :-)


Jahrgang 1980, schon von klein auf eine Leidenschaft für alles mit Rädern entwickelt. Erst wurde das Fahrrad gepimpt, später die Autos. :D

Auch beruflich voll dem Automobil verschrieben.

Banner Widget

Besucher

  • anonym
  • m.esser81
  • testsucher
  • Olli the Driver
  • Astramann
  • clickme
  • Bianca
  • MT-Matze
  • just_Chris
  • Sunny_28

Blog Ticker

Blogleser (24)