Thu Jul 08 16:36:02 CEST 2010 | MartinSHL | Kommentare (12)
Meine Schwester war nun wieder zurück nach Deutschland geflogen und ich trat meine vorerst letzte Reise an.
Da ich gerne die letzten 2 Wochen in "saus und braus" in Sydney verbringen wollte, musste ich vorher nochmal ein bisschen arbeiten gehen. So ergab es sich, dass ich erneut 600km ins Landesinnere fuhr, um nach Griffith zu gelangen.
Dieser Ort ist, ebenso wie bereits in meinem zweiten Australienblog über Shepparton berichtet, eine große landwirtschaftliche Farmerregion. Auch hier gabs mal wieder von Äpfeln, Birnen, Orangen....bis hin zu Zwiebeln und Karotten alles mögliche zum ernten.
Griffith ist eine recht coole Stadt, überall Backpacker und Farmer und genau richtig, um sich zum einen mal vom Getümmel an der Ostküste zurückzuziehen, zum anderen auch um ein bisschen Geld beim Arbeiten zu verdienen....denn hier mitten in der Pampa gibts eh nix, wofür man es ausgeben könnte...*gg*
Und die Region ist großer Anlaufpunkt für alle "Newbies"....daher war ich nach nun fast einem Jahr Aufenthalt ein "alter Hase" und konnte abends aufm Campingplatz die ein oder andere Geschichte erzählen. Bereits der Moment, wo ich mit meinem alten Geländewagen den Platz befuhr sprach Bände....alle standen mit offenem Mund rum und schauten interessiert zu mir rüber....
Nunja, genug des Eigenlobs.
Die erste Woche hier arbeitete ich in einer "Karottensortierfabrik". Möhren - hart, holzig, bitter im Geschmack und meist völlig deformiert - wurden hier an einem Fließband transportiert und mussten nach Größe sortiert und dabei vom oberen Teil (wo die Blätter raus kommen) getrennt werden. Wenn ich mich recht erinnere, wurden diese für Speißen und Karottensaft, der Ausschuß als Tiernahrung weiterverarbeitet.
Apropos Deformierung, ich darf vorstellen: Herr und Frau Karotte:
Auf dem Bild links ist auch an der Vorderkante des Fließbands eine aufstehende Blechkante zu sehen, hierauf wurden die Karotten geschlagen um den oberen Teil abzutrennen. Da es sich nicht um irgendein scharfes, sondern ganz gewöhnliches Baumarktblech handelte, ging die Tätigkeit ziemlich stark auf die Arme, insbesondere auf die Ellenbogengelenke. Da man nach geschaffter Menge bezahlt wurde, versuchte ich natürlich mal wieder der Schnellste von Allen zu sein. Nach ner Woche war ich reif für eine Reha-Behandlung, da ich kaum noch die Arme bewegen konnte.
Aber zum Glück war die Saison ohnehin grad zu Ende und ich nahm einen neuen Job, diesmal in einer "Zwiebel-Abpack-Fabrik" an. Auch hier liefen wieder über ein Fließband die Zwiebeln, mussten nach Größe sortiert und in die auch bei uns handelsüblichen Netze verpackt werden. Nur eben, dass es 50kg-Netze waren und diese anschließend auf Paletten 2m hoch gestapelt werden mussten.
Dreimal dürft Ihr raten, wer den schweren Teil der Arbeit übernommen hat....
Bereits beim Betreten der Arbeitshalle hat es einem für die nächsten 2 Stunden die Tränen in die Augen getrieben. Ich heule normalerweise schon beim normalen Zwiebelschneiden, aber die Arbeit hier stellte alles in den Schatten. Einzig der Firmenchef war da recht imun dagegen, sogar ganz im Gegenteil, er verspeißte die rohen Zwiebeln wie unsereins Äpfel ist!
Auch eine unschöne Sache durfte ich hier erleben, beim Abladen eines Trucks sprang der Fahrer vom Trailer und landete dummerweise auf einer Spanngurtöse, was dazu führte, dass er mit vollem Schwung umknickte und es ihm den Fuß regelrecht abgerissen hat. Das Schienbein stand nach vorne durchs Fleisch raus und der Fuß hing nur noch an einem kleinen Fetzen Fleisch.
Selbst die herbeigerufenen Rettungsdienste sagten, dass sie noch nie eine solch schlimme Fußverletzung gesehen hatten. Ein Anblick, der sich mir selbst heute noch beim bloßen Gedanken den Magen umdrehen lässt.
Aber davon abgesehen, war das Leben hier echt wunderbar relaxed und wir Campingplatzbewohner genossen an den freien Wochenenden die Zeit in einem etwas entfernt gelegenen Waldstück. Hier wurde gegrillt, die ganze Nacht über Lagerfeuer und Nacktbaden (scheiße....war ne verlorene Wette...) im angrenzenden Fluß gemacht. Einfach nur wunderbar zum entspannen, fast ein perfektes Strandfeeling mitten hier in der Einöde. Ein bisschen "rumposen im Gangsterstyle" gehörte natürlich mit dem passenden kultigen Auto auch dazu.
Aber alles Schöne hat irgendwann mal ein Ende und so rückte auch meine Visumbefristung unaufhaltsam näher. Da ich noch ein bisschen Zeit in Sydney verbringen wollte (Weihnachten stand vor der Tür), war es nun an der Zeit, Abschied zu nehmen. Abschied von allen hier auf dem Campingplatz neu gewonnen Bekanntschaften....und Abschied von meinem bis dahin so treuen Weggefährten Lanny. Um mir den Abschied jedoch etwas zu verschönern, schaffte ich es, den guten alten Wagen für nahezu das Doppelte zu verkaufen, wie ich ihn selber einst eingekauft hatte. Nochmals zur Erinnerung: das Dach war defekt und nur notdürftig repariert und auch sonst hatte der Wagen mittlerweile einiges an Strapazen hinter sich, war über Stock und Stein gejagt worden...
So konnte ich jedoch als "gemachter Mann" die restliche Zeit in Sydney gut über die Runden bringen.
Anschließend trat ich, vom neuen Autobesitzer noch zum Bahnhof gebracht, meine erste (und gleichzeitig letzte) Australienreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln an.
Und glaubt mir, 600km mit dem Zug durchs Niemandsland können wahnsinnig lang und einsam werden. So saß ich nun schweigend ans Fenster angelehnt und schwelgte in Erinnerungen, welche das letzte Jahr geprägt hatten. Gedanklich ging ich irgendwie nochmal meine komplette Reise durch, erlebte jeden einzelnen Moment nochmals im Schnelldurchlauf.
Ich hatte es geschafft...!!! Meinen lang gehegten Traum der Australienumrundung wahr gemacht und das alles mit eigenem Willen. Ich hatte wahnsinnig viel erlebt, ich hatte mich ein gutes Stück weit verändert, denke heute über gewisse Dinge einfach aufgrund meiner oft entbehrungsreichen Erfahrungen anders, als es mitunter die breite Masse tut. Aber ich kann sicherlich mit Fug und Recht behaupten, zu wissen warum ich eben so oder so denke und handel.
Ich habe Erfahrungen sammeln dürfen, welche mich wahnsinnig stolz machen und von denen ich gerne berichte. All dies ging mir auf dieser Fahrt durch den Kopf....und ja, ich gestehe, ich konnte es mir nicht verkneifen, die ein oder andere Träne auf dieser Fahrt zu vergießen. Denn eins war mir mit dem Verkauf von Lanny schlagartig bewusst: Mein Abenteuer war zu Ende.
All das Erlebte war vorbei und würde fortan nur noch in meinen Gedanken existieren. Der gute Lanny, der mich an all diese faszinierenden Orte gebracht hatte, ohne den dieses gigantische Abenteuer niemals in der Art möglich gewesen wäre...dass, was ich mit Australien verbinde, verbinde ich unweigerlich mit diesem Fahrzeug....und genau das war nun weg und ich allein.
Wenn immer ich heute an diese Zeit denke, lass ich dabei den australischen Sänger John Williamson laufen, und besser als er hätte ich es auch nicht sagen können: "It´s raining on the rock in a beautiful Country, and im proud to travel this big Land, like an Aboriginie".
Die letzten 2 Wochen in Sydney gingen recht schnell ins Land. Ich verbrachte die meiste Zeit wieder am Strand oder mit Vorbereitungen auf meine Rückkehr.
Dann kam Weihnachten....und das, liebe Blogleser, hat mal rein gar nix mit dem Weihnachten zu tun, wie wir es hier in Deutschland oder auch Europa kennen. Es ist australischer Hochsommer, es herrschen fast an die 40Grad im Schatten, daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die Aussies diesen Tag hauptsächlich am Strand verbringen und anschließend den Barbeque anwerfen.
Man ist mit Badehose und Flip-Flops unterwegs und im Radio läuft "Jingle Bells"....nein, eine wirkliche Weihnachtsstimmung will dabei nicht so recht aufkommen. Aber zumindest mal wieder eine Erfahrung wert gewesen.
Warum ich jedoch meinen Flug so legte, dass ich 2 Tage vor Sylvester abfliege, ist mir ehrlich gesagt bis heute ein Rätsel. Denn insbesondere das Feuerwerk in Sydney ist nachdem, was ich auf Videos gesehen habe, der absolute Wahnsinn, die gesamte Harbour Bridge steht dabei wohl in Flammen. Aber nunja, hat leider nicht sollen sein. Ein andermal ganz sicher!
So bestieg ich nun den Flieger um zum ersten mal nach gut einem Jahr wieder Fuß auf deutschen Boden zu setzen. Hinter mir lagen herrliche und unvergessliche Monate, Sommer/Sonne/Strand und Meer jeden Tag, ein unglaublich relaxtes Leben und wahnsinnig freundliche Menschen....
Und was lag vor mir?
Frankfurt/Main...Minus 11 Grad....und ein Zollbeamter, der mich früh um 5Uhr mit einem mehr als unfreundlichen "Morgen!" begrüßte. "Welcome back" sag ich da nur!
Ohje....wo war ich da nur gelandet... |
Thu Jul 08 16:47:32 CEST 2010 | FlashbackFM
Die Beschreibung der Verletzung hätte ja nun nicht ganz so ausführlich sein müssen, oder?
Thu Jul 08 16:57:19 CEST 2010 | Dellenzaehler
Eigentlich müsstest du ja jetzt schon ein Krüppel oder Frührentner sein .......
Gruß
Delle
Thu Jul 08 17:08:57 CEST 2010 | m.esser81
Ein super Bericht! Ich hoffe, Du lässt noch ein ausführliches Fazit folgen und wie das Leben in "Good old Germany" weiter ging (Job etc.)?!
Danke für die Schilderung Deiner Erlebnisse!
Thu Jul 08 17:29:50 CEST 2010 | Standspurpirat28409
Toller Bericht. Werde so nach und nach die anderen Teile lesen. War auch mal ein paar Monate da. Selberfahren war mir aber alles zu weit mit dem Motorrad. Bin meist geflogen oder Mietwagen, und für die Mitleser: Die Ostküste kann man am bequemsten mit einem Touri-Busticket erkunden. Aussteigen, wo es schön ist.........
Das mit den Jobs ist ja irre. Man kann sich aber auch aus D. (z.B. wenn man Bankmensch ist ) einen gut bezahlten Bürojob besorgen. Oder für die Harten, die z.B. Treckerfahren können, gibts noch mining. Ich hatte einen coolen Job in Sydney und bin dannach rumgefahren.
Super zu lesen, man bekommt direkt Lust hinzufahren.
Thu Jul 08 17:31:41 CEST 2010 | G0lf-V-GT
schade...
Wie kann man nach der ganzen schönen Zeit nur wieder nach Deutschland zurückgehen?
Hast du dir nicht überlegt vllt da unten deine Zelte aufzuschlagen,z.b. in Perth...
hier mal ein video das mich persönlich sehr fasziniert hat: http://www.youtube.com/watch?v=-RdOr4M-51E
Thu Jul 08 17:36:14 CEST 2010 | Standspurpirat28409
Ach so, jetzt hab ich erst gelesen, dass Du ja genau von dem Bürojob wegwolltest. Tschuldigung. Sylvester in Sydney musst Du Dir eben das nächste mal geben. Wahnsinn eben.
Ich wünsch Dir , dass Du Dich in D. wieder gut einlebst. Ich fand das damals schwer.
Thu Jul 08 20:57:53 CEST 2010 | Dr Seltsam
Also das schwerste wär für mich nach Deutschland zurück zu kommen. Das Leben suckt meiner Meinung jetzt schon episch hier, wenn ich dann von sonem Australientrip wie deinem zurückkämme würden mich die unerträgliche Gesetzes- und Vorschriftendichte, die ganzen Miesepeter und das alles wohl in den Selbstmord treiben
Aber aufjedenfall, geiler Blog
Fri Jul 09 07:45:12 CEST 2010 | MartinSHL
Moin,
danke für die kommentare.
aber wieso hier wieder einleben?
hat ja keiner gesagt, dass ich mit meinem blog schon am Ende angekommen bin....
Mon Jul 12 16:45:29 CEST 2010 | m.esser81
Versteh ich nicht ganz, aber dann mal her mit der "Verlängerung"!
Tue Jul 13 21:22:16 CEST 2010 | MartinSHL
grins...was gibts denn da nicht zu verstehen?
die anderen artikel aus der australienreihe nicht aufmerksam gelesen...?
der (vermutlich) letzte teil muss aber noch ein paar tage warten, ich hab aktuell mal richtig gut zu tun auf arbeit....
Wed Jul 14 10:53:48 CEST 2010 | m.esser81
Achso, Du willst Deinen nächsten Aufenthalt auch schildern?! Coooool!
Aber bitte erzähl auch, wie es in Deutschland nach Deiner Ankunft nach einem Jahr weiterging!
Ich bin auf jeden Fall gespannt!
Danke für Deine Erlebnisse!
PS: Bestell Deinem Chef mal schöne Grüße von uns, dass Du Dich um wichtigere Dinge zu kümmern hast!!
Gruß,
Marcel
Thu Jul 22 11:11:57 CEST 2010 | MartinSHL
Alles hat ein Ende....Teil 10 ist fertig
Deine Antwort auf "Teil 9: Time to say Goodbye :-("