Sat May 13 18:11:54 CEST 2023 | metrostinger | Kommentare (0)
Nachdem mein Polo Ende November '88 auf Glatteis unrettbar am Bordstein zerschellte und ich über den Winter häufig Daddys Passat gefahren bin und in der Zeit angestrengt gespart habe, war es dann im Februar '89 soweit. Ausgerüstet mit immerhin 2.300 DM (meine Eltern und meine Oma hatten noch etwas dazu gesponsert) ging es Samstags zum Autokino, dem damals größten privaten Ge- und Verbrauchtautomarkt im Großraum Stuttgart.
Mein Vater wollte mich begleiten, um mich vor einem Fehlkauf zu bewahren. Und während ich beim ersten Rundgang ausser einem leicht gammligen 315er einen recht hübschen Kadett und einen noch ansehnlichen Golf, beide BJ '80 entdeckt hatte, hatte mein Dad danach einen Orion (würg) und einen Mitsubishi auf seinem Zettel. Den Orion konnte ich gleich wegreden, aber den Mitsubishi wollte er mir unbedingt zeigen. Und so standen wir vor einer amerikanisch angehauchten Abscheulichkeit. Das wenig glückliche Design konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass da vermutlich das beste Angebot in der Preisklasse stand. 2 Tausend glatt sollte der kosten mit nagelneuem TÜV, neuen Bremsen und neuen Reifen. Einmal reingesessen wirkte das Auto gar nicht mehr so schräg, sondern im Gegenteil durchaus ansehnlich. Da war quasi alles drin, was in den deutschen Autos erst in höheren Ligen zur Normalität zählte: - Armaturen im Nachtdesign, also von hinten beleuchtet statt mit 1 oder 2 Glühbirnchen schwach illuminiert - Drehzahlmesser und Digitaluhr - Wischer mit Intervallschaltung - Heckscheibenwischer - 4-stufiges und kräftiges Gebläse - 70 PS versprachen durchaus Fahrspaß (da konnten die 60PS im Kadett und 50 PS im Golf nicht mithalten) - Startautomatik (Nee, der hat keinen Choke!) - EZ '81, der jüngste in der Auswahl und nur 81 tkm gelaufen...
Was mich am meisten faszinierte und irritierte: ein zweiter Schalthebel für ein Vorlegegetriebe, um zwischen Economy (lang übersetzt) und Sport (kurz übersetzt) zu wechseln. Also quasi 8 (!) Gänge... Wir haben das Auto auf dem Gelände kurz probegefahren und der erste Eindruck war gut.
Lange Rede, kurzer Sinn: da wir die einzigen Interessenten für diesen Exot waren, konnten wir den Preis auf 1.800 drücken und nahmen Auto und Papiere direkt mit. Direkt am Montag habe ich das Auto angemeldet und ging erstmal auf die Autobahn damit: Huih! Der ging ja richtig gut, ganz locker in Richtung 170, bergab sogar knapp darüber! Boah! Der Motor, an sich schön leise, schlug unter Last durchaus eine hörenswert sonore Brummigkeit an den Tag. Weil noch etwas Budget übrig war und mich das große und nicht hübsche Serienlenkrad gestört hat, hab ich dem Japaner noch ein Ralliart-Lenkrad gegönnt, damit fühlte sich der blaue Hopser gleich nochmal sportlicher an - und schaute innen jetzt absolut manierlich aus.
Im März ging es mit dem Auto zum Skifahren (mit Sommerreifen...) und was soll ich sagen? Der Colt war das mit Abstand beste Winterauto, dass ich je gefahren bin. Der hat sich auch mit Sommerreifen im Stubaital überall problemlos durchgewühlt, ließ sich überall locker lenken und bremsen - egal ob trocken, nass, Schnee, selbst auf Eis war alles innerhalb der gebotenen Vorsicht okay (ich war ja ein gebranntes Kind)
Keiner meiner Freunde und Kumpels war neidisch auf meinen Colt, aber jeder musste zugeben, dass er innen völlig in Ordnung war und wirklich gut fährt. Wahrlich ein "Colt für alle Fälle".
Im Laufe der nächsten 18 Monate hatte er dennoch ein paar Feindberührungen (ich konnte wirklich nix dafür!), deshalb auch gegen Ende der rote Kotflügel vorne links... Die Radläufe hinten waren die neuralgischen Punkte, die gammelten ziemlich furchterregend.
Ich habe das Auto aber dennoch 2 Jahre ganz gerne gefahren, das war eine treue Seele mit absoluter eingebauter Zuverlässigkeit. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, beide Schalthebel zeitgleich mit einer Hand zu bedienen. Die vielen Gänge korrekt ausgewählt und beherzt Gas gegeben, konnte der Colt beim Ampelstart auch 90PS-Gölfe zur Verzweiflung treiben :-)
Als es wieder um den TÜV ging, war das genau die Zeit, als mein Vater seinen ersten Vectra kaufte und der Familien-Passat auf einmal arbeitslos wurde. Er bot mir an, dass ich den Variant übernehmen kann und nur für die Betriebskosten aufkomme, er bezahlt Steuer und Versicherung. Also gaben wir den Colt zum Verwerter und ich übernahm ein Auto, dass an Spießigkeit und Vernunft kaum zu überbieten war... |
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