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mican0974

Blog vonmican0974

Thu Apr 27 08:36:18 CEST 2023    |    mican0974    |    Kommentare (1)

Hallo liebe Gemeinde,

 

es gibt sie, diese Momente im Leben, auf die wir nur mit schmerzverzerrtem Gesicht zurückblicken, weil sie einem sonst die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Ich feiere nächsten Monat (Mai 2023) mein 30-jähriges Jubiläum, im Mai 1993 habe ich (damals als 18-Jähriger im Dienstgrad Schütze an der Technischen Schule der Bundeswehr in Aachen) meinen "B-lang" gemacht, die damalige Bezeichnung für den sechswöchigen Lehrgang bei der Bundeswehr zur Erlangung der Fahrerlaubnis Klasse B ohne Vorkenntnisse (also ohne im Besitz einer zivilen Fahrerlaubnis der damalige Klasse 3). Einfach gesagt: Hurra, dreißig Jahre Füherschein... Und natürlich schaue ich deshalb auch auf jene Momente und Situationen zurück, die mich auch heute noch nachdenklich stimmen, sei es, weil mich ein Schutzengel vor schweren Unfällen bewahrt hat, sei es, weil ich besonders skurrile Vorfälle im Straßenverkehr als unvergesslich im Gedächtnis behalten habe, sei es, weil ich auch den einen oder anderen Bock geschossen habe, bei deren Erinnerung ich mir heute noch mit der flachen Hand gegen die Stirn klatschen könnte. Und genau darauf zielt dieser Blog ab. Hier meine peinlichste Geschichte:

 

Es war im Herbst 1993. Ich war als junger Soldat auf Unteroffizierslehrgang in Sonthofen stationiert. Mein damaliges Auto - ergo auch mein allererstes Auto - war ein 1986er Opel Kadett E 1.2S mit sagenhaften 55 PS, einem Viergang-Schaltgetriebe und einem Dashboard noch ganz ohne Drehzahlmesser (Infos: https://www.motory.de/fahrzeug-ansehen/opel-kadett-e-1-2-s/5567). Sowas wie Drehzahlbegrenzer gab's nicht, die Serienbereifung waren 155er Trennscheiben auf 13-Zoll-Stahlfelgen, die eingetragene Vmax lag bei 157 km/h. Aber hey, das erste eigene Auto, wer stellte da schon große Ansprüche?

 

Jedenfalls befand ich mich auf dem Heimweg von Sonthofen Richtung Pfälzischer Heimat. Es war Freitag Nachmittag, die NATO-Rallye in vollem Gange. Rückenwind und Heimweh sowie ein wohl nicht unerhebliches Gefälle auf der A7 irgendwo bei Ulm ließen meinen Kadett zur Höchstform auflaufen. Der Tacho zeigte irgendwann 175 bis 180 km/h an, die linke Spur gehörte somit mir... Ich dachte noch so "cool, die Kiste kann ja einiges, dafür dass sie einen so kleinen Motor hat", dann hörte ich einen lauten Knall und eine Fahne aus weißem Qualm stieg hinter mir auf. Natürlich habe ich mich mächtig erschrocken. Mein erster Gedanke war "Mist, Reifenplatzer!"... ja, heute weiß ich, dass das völliger Blödsinn war, denn ein Reifenplatzer bei 180 km/h hätte verheerende Folgen gehabt, rein fahrphysikalisch gesehen... Ich also Warnblinker an, auf die rechte Spur gewechselt und ab in die Nothaltebucht. Der Motor lief da schon nicht mehr, was ich aber zunächst vor Aufregung nicht bemerkte. Ich stieg also aus, lief ums Auto herum und suchte nach dem kaputten Reifen. Aber die Reifen waren allesamt intakt. Komisch, dachte ich, dann fahr ich eben weiter. Rein ins Auto, Zündschlüssel umgedreht, und aus dem Motorraum kam ein nicht zu beschreibendes Geräusch. Ich also ausgestiegen, Motorhaube geöffnet, aber nichts Verdächtiges festgestellt. Augenscheinlich schien alles ok zu sein. Dann überprüfte ich alles so, wie ich es beim Bund gelernt habe, "TD während der Benutzung": als erstes Ölstand, der war.... nun, ich zog den Ölmessstab heraus und daran haftete eine blubbernde weiße Masse. Das konnte ich damals nicht einordnen, nur dass mir klar war, dass das so nicht in Ordnung sein kann, denn eigentlich sollte da schwarzes Öl zu sehen sein. Ich also ran an die Notrufsäule (ja, das gab's damals noch, denn 1993 gab es noch keine Handys), Verbindung zu den gelben Engel aufgenommen. Der nette Herr stellte auch gleich die richtigen Fragen, und als ich von der weißen blubbernden Masse am Ölmessstab berichtete, meinte er nur "alles klar, keine weiteren Fragen, ich schicke einen Mitarbeiter". Natürlich dauerte das ewig, ich weiß heute nicht mehr, wie lange ich da in dieser Nothaltebucht stand, bis das gelbe ADAC-Auto aufgetaucht ist. Der nette Pannenhelfer warf dann gleich einen Blick in den Motorraum, öffnete den Öleinlassdeckel, leuchtete hinein und meinte "Wasser im Öl, da hat es wohl die Zylinderkopfdichtung zerlegt. Damit fährst du nirgendwo mehr hin". Er schleppte mich dann ab bis nach Ulm zu einer Opelwerkstatt. Mein Glück war, dass da überhaupt noch jemand anzutreffen war, denn es war mittlerweile ja schon fast Freitagabend. Aber der nette Werkstattbesitzer nahm mich noch ran und sagte, er würde sich kümmern, könne aber eine Woche dauern. Zumindest hat er mir einen Werkstattersatzwagen überlassen, einen (damals schon) alten Opel Ascona C mit noch einem Monat Rest-TÜV. Den dürfte ich umsonst fahren, bis mein Kadett wieder flott wäre, denn danach ginge der Ascona eh gleich zum Schrott, so der Werkstattbesitzer. Hat mich natürlich gefreut...

Eine Woche später rief ich dann den Meister von der Kaserne aus an, um mich zu erkundigen, ob ich meinen Kadett denn auf dem Heimweg wieder abholen könne. Der Meister meinte "Ja, kannst vorbeikommen. Habe aber keine gute Nachrichten". Ok, bin dann also hingefahren und wurde prompt von der ganzen Werkstattmannschaft in Empfang genommen. Die haben alle extra auf mich gewartet, um meine Reaktion zu sehen ob der Nachricht, die mir der Meister eröffnen musste. Seine Worte: "Wir haben den Motor zerlegt. Dabei ist uns aufgefallen, dass ein Kolben fehlt. Wir haben ihn dann doch gefunden. Er lag in der Ölwanne." Ich dachte erst, der wollte mich auf den Arm nehmen und fragte ihn, was er denn damit sagen will. Er so: "Na der Kolben hat nach unten durchgeschlagen, hat alles zerstört, die untenliegende Nockenwelle, die Pleuellager, den Motorblockboden, die Ölwanne hat ihn dann auf wundersame Weise aufgehalten, sonst wäre er in den Asphalt gedonnert. Aber genauso gut hätte er nach oben abhauen können, dir den Ventildeckel und die Motorhaube durchschlagen können und im hohen Bogen davonfliegen können. Hast also Glück gehabt, sonst wäre der Kolben vielleicht bei einem anderen Verkehrsteilnehmer in die Windschutzscheibe geflogen." In meiner jugendlichen Naivität fragte ich ihn, ob er das wieder reparieren konnte. Gelächter in der Belegschaft, dann die Antwort: "Junge, der Motor ist ein Totalschaden, Wir haben einen Austauschmotor eingebaut. So einen Schaden hat noch keiner von uns hier zu Gesicht bekommen. Sag mal, wie schnell bist du denn gefahren?" Ich log schuldbewusst: "Naja, so 160 vielleicht" - "Nie im Leben! Du hast den Motor komplett überdreht! Bist geheizt wie Walter Röhrl, kann das sein? Junge, das ist kein Kadett GSi, das ist ein Einkaufswagen für Hausfrauen! Den kannst du nicht treten bis er platzt!" Ok, Anschiss war gerechtfertigt, dachte ich mir so. Und als Soldat war man ja auch Anschisse irgendwie gewöhnt. Aber ich wollte schon im Boden versinken, und das haben die breit grinsenden Mechaniker auch gemerkt, denn sie klopften mir auf die Schulter und sagten sowas wie "haste fürs Leben gelernt! Nächstes Auto dann also ein GSi mit Drehzahlbegrenzer".

Das Gute dabei war, dass der Meister in der Rechnung "Materialversagen" reingeschrieben hat und somit die noch bestehende Gebrauchtwagengarantie zur Begleichung der Kosten bemühen konnte.

 

Heute wäre vieles davon so nicht mehr möglich. Schon alleine der Einbau eines ATM ohne vorherige Rücksprache mit dem Besitzer, undenkbar! Die Abrechnung eines Garantiefalls ohne offizielles Gutachten, auch undenkbar. Aber auch einen Motor so dermaßen zu überdrehen, dass sich ein Kolben löst und den Motor nach unten zertrümmert, ebenfalls undenkbar ;)

 

Jetzt würde mich eure Geschichten interessieren. Was habt ihr für Erlebnisse in eurem Autofahrerleben gehabt, die bei euch noch heute Kopfschütteln verursachen?

 

Gruß

Micha

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