• Online: 4.155

MindFuck

Andy and the 90's

Mon Nov 04 14:53:47 CET 2019    |    MindFuck    |    Kommentare (9)

Front
Front

Heuzutage sieht man sie rumfahren: Toyota Auris, die neue A-Klasse, Kia Cee'd (dank Jeremy Clarkson werd ich diesen Wagen nie wieder richtig aussprechen können), Renault Mégane, Dacia Logan und weitere Autos, die alle in der sogenannten Golf-Klasse spielen. Aber anders als den Namensgeber dieser Klasse und vielleicht den Mercedes wird man den Rest dieser Autos in ca. 20 Jahren vergessen haben.

 

Als kleines Beispiel möchte ich hier mit dem Volvo 340 einen Blick in die fast vergessene Vergangenheit werfen. Den von 1976 bis 1991 in respektabler Stückzahl verkauften Kleinwagen findet man mittlerweile meist nur noch auf Schrottplätzen, da sich nur ein kleiner Teil der Volvo-Fans auf den kleinen Holländer, der kein "echter" Schwede war, eingeschworen hat.

Durch die Variomatik, die Rückwärts genauso schnell wie Vorwärts fahren konnte, und den irrwitzigen Rückwärtsrennen, die mit den 340ern und DAFs dieser Zeit veranstaltet wurden wurde die Stückzahl nochmals um einiges reduziert.

Was hat nun dieser kleine Volvo, dass er außerhalb von Deutschland trotzdem eine recht große Fangemeinde hat?

Die Antwort ist Gewichtsverteilung.

Durch die ursprüngliche Konstruktion als DAF 77, die von Volvo übernommen wurde, war für die Hinterachse ein Transaxle-Konstrukt angedacht. Um diese Konkurrenz zum VW Golf nun zeitig und kostengünstig auf den Markt zu bringen, wurden nur die Front- und Heckpartie etwas abgeändert, um so etwas näher ans Familiengesicht zu kommen. Da die Variomatik aber als Sprit- und Spaßvernichtend galt, wurde bald das 4-Gang-Getriebe des Volvo 240 nachgereicht, was die Verkaufszahlen deutlich anstiegen ließ.

 

Wie komme ich nun auf dieses doch etwas skurrile Fahrzeug?

 

Um diese Geschichte in vollem Umfang erzählen zu könne muss ich nun etwas weiter ausholen.

Wir schreiben das Jahr 2009, ich war noch unschuldige, liebenswerte 14 Jahre alt und mein Vater fuhr noch seinen W210, den er damals frisch aus dem Werk gekauft hatte. Da dieser damals aber rostmäßig schon in den letzten Zügen lag und in der Familie durch einen Todesfall ein Auto günstig abzugeben war nutzte mein Vater diese Gelegenheit.

Als er mir von einem alten Volvo erzählte, den wir die Woche darauf holen sollten, rechnete ich ehrlich gesagt mit einem dieser riesen Kombis, Volvo 240, 740 und Konsorten.

Als wir dann vor Ort eintrafen und die Garage öffneten, war ich ehrlich gesagt etwas geschockt.

Darin stand ein kleiner, etwas hochbeiniger Volvo in der damaligen Trendfarbe weiß. Baujahr 1989, keinerlei Extras, nur ein altes Grundig-Kassettenradio war verbaut.

Puh, das sollte von nun an für die nächste Zeit unser Auto sein? Naja gut, immerhin ist er anders.

Nachdem der Wagen ungefähr 3 Monate unbewegt in der Garage stand ist er allerdings sofort angesprungen. Hier war auch mein erster Berührungspunkt mit Vergasermotoren und manuellen Chokes. Es war auch das erste Mal, dass ich diesen charakteristisch heiseren Anlasserklang hören durfte. Dieser sollte mich so schnell nicht mehr loslassen ;)

 

Ungefähr 3 Jahre hat uns der Wagen begleitet, ich habe ihn kennen und lieben gelernt, war es auch ich, der das Auto immer waschen durfte (musste). Als er dann 2012 weggegeben wurde, weil der Rost mittlerweile so dermaßen fortgeschritten war, dass eine Reparatur nicht mehr wirtschaftlich gewesen wäre, brach mir tatsächlich das Herz.

Ich hatte mir damals tatsächlich gewünscht, dass dieser kleine, weiße Volvo mein erstes Auto werden könnte. Aber dazu kam es leider nicht.

Spulen wir mal ein paar Jährchen vor, 2019, genauer gesagt Juni.

Ich hatte mir bereits einen anderen Helden meiner Kindheit gekauft, war sehr zufrieden und überrascht, was für Flashbacks man in so einem alten Bekannten bekommen konnte.

Als das Bedürfnis, wenigstens einmal im Leben so einen Volvo fahren zu dürfen immer größer wurde, wurde ich zum Schrecken aller Autoverkäufer: Ich wurde zum Probefahrtouristen!

 

In den Kleinanzeigen gab es allerdings nur Fahrzeuge ohne Handschaltung. Wenn, dann musste es ein handgerissener sein, sonst wäre das Gefühl verfälscht. Als dann ein handgeschakelder (Man muss diese Sprache an dieser Stelle einfach nur lieben :D) in der Gegend um Mannheim inseriert wurde, musste ich einfach hin. Also eines Freitags angerufen, Termin ausgemacht und hingefahren.

Vor Ort wurde ich dann von diversen Trabis und einem Wartburg begrüßt. Der Holländer wurde tatsächlich für eine Reparatur in Zahlung genommen, Sachen gibts. Rost gabs zwar hier und da, und auch minimaler Schweißbedarf, aber alles in allem hielt es sich im Rahmen. Der Innenraum war da schon etwas verwohnter. Der Fahrergurt war bis auf die Hälfte ausgefranst, es war vieles dreckig und ein unbekanntes Radio ohne Marke wurde mit einer Holzleiste, auf der Elke eingraviert war, in Position geklemmt. Aber die Emotionen, die beim Anblick des rechteckigen Cockpits geweckt wurden, waren einfach unbeschreiblich :) Und einen Namen hatte er/ sie nun auch schon.

Auf der Probefahrt musste ich feststellen, wie weich ein Auto mit Blattfedern hinten gefedert sein konnte. Das Fahrgefühl war fast mit meinem Buick vergleichbar. Dennoch hat man aufgrund des Hinterradantriebs das Gefühl, ein deutlich größeres Auto zu bewegen. Auch durch die Transaxle-Bauweise des Antriebsstrangs, das Getriebe war tatsächlich hinten, liegt der Wagen sehr gut auf der Straße.

 

Nun, was soll ich sagen? Das Thema Selbsthilfegruppe wurde schon öfter angesprochen und ich war durchaus überzeugt, dass der Wagen eine 3-Stunden-Strecke nach Hause auf eigener Achse schaffen könne. Also schnell noch bei der Bank vorbei fahren und den Verkäufer mit etwas Bargeld locken.

Die erfolgreich verlaufende Verhandlung hatte den Volvo in meinen Besitz gebracht, nur musste ich mir überlegen, wie ich beide Autos nach Hause bringen soll. Abschleppwagen wäre zu teuer, den ADAC kann man bei solchen Aktionen leider auch vergessen. Also mit dem Werkstatteigentümer kurz geredet, vereinbart, dass ich den Wagen die Woche drauf holen würde und dann erschöpft aber glücklich den Heimweg angetreten. Ich bin wohl echt ein sehr schlechter Probefahrtourist. :rolleyes:

 

Die Woche drauf hab ich mit dann von meinem Vater mitsamt Kennzeichen für den Volvo hinfahren lassen, um hoffentlich unbeschadet nach Hause zu kommen.

Die erste Strecke war auch gar kein Problem, das schwammige Fahrverhalten hat sich auch deutlich verbessert, nachdem die Reifen von 0,9 auf 2,4 Bar aufgepumpt wurden. Auch das schwer-gängige Lenkverhalten, der Wagen hat natürlich keine Servolenkung, war dann auf ein Minimum reduziert :D

Bei Tempo 120 musste ich allerdings feststellen, dass die Temperatur langsam aber sicher stieg, bis sie in den roten Bereich ging. Mist!

Also bin ich schnell runter von der Bahn an die nächste Tankstelle. Beim Abfahren durfte ich schon feststellen, wie Qualm aus dem Motorraum stieg. Die Motorhaube, die nach vorne aufgeht, hat dann einen geplatzten Schlauch entblößt. Eine ganz interessante Konstruktion versteckt sich hinter diesem Kühlsystem, der Thermostat ist nur in eine verdickte Stelle des Kühlwasserschlauchs eingesteckt und mit einer Schlauchschelle an Ort und Stelle gehalten. Als Werkzeug hatte ich nur mein mir sehr treues amerikanisches Multifunktionsmesser (ich möchte an dieser Stelle eigentlich keine Werbung machen :D) bei mir, welches mir dann geholfen hat, den Schlauch an der entsprechende Stelle zu kürzen. Nachdem der Thermostat im Kofferraum lag, der Schlauch wieder fixiert und das Kühlsystem mit frischem Wasser gefüllt war konnte die Fahrt endlich weitergehen. So ein kleines Tool ist manchmal einfach nur Gold wert!

Der Rest der Reise war weniger erwähnenswert, ich musste nur feststellen, wie verwöhnt ich von moderneren Autos war. Das Licht der alten H4-Birnen gleicht eher einem dunklen Teelicht hinter Milchglas als einem tatsächlichen Scheinwerfer.

Wie es dann mit dem Holländer weiterging wird wohl einer der nächsten Artikel verraten, aber hier zum Abschluss noch ein Link zu einem alten Werbevideo:

 

https://youtu.be/nf2ATS44osA

Hat Dir der Artikel gefallen? 6 von 6 fanden den Artikel lesenswert.

Mon Nov 04 15:40:23 CET 2019    |    PIPD black

Du hast ja voll ne Macke.:D

 

Was soll man denn zu deinem Fuhrpark noch sagen, was andere dir noch nicht an den Kopf geknallt haben.:p

 

Mach weiter so.....ist sehr unterhaltsam UND interessant.:)

Mon Nov 04 18:45:50 CET 2019    |    ToledoDriver82

Dem kann ich nichts mehr hinzufügen :D

Tue Nov 05 10:22:47 CET 2019    |    Dynamix

Da isser ja! :D

Wed Nov 06 08:51:50 CET 2019    |    MindFuck

Wenn ich auf das hören würde, was mir andere sagen, dann hätte ich jetzt einen geleasten Seat in der Einfahrt stehen und wär todunglücklich :D Außerdem hättet ihr alle nichts zum lesen

 

@Dynamix Sorry fürs spoilern :D

Wed Nov 06 08:53:05 CET 2019    |    Dynamix

Für sowas brauchst du dich nicht zu entschuldigen, schon gar nicht bei mir ;)

 

So haben wir jetzt beide was zum Schmunzeln :)

Wed Nov 06 08:58:06 CET 2019    |    ToledoDriver82

Haben wir nicht alle irgendwie ein an der Waffel :D jeder auf seine eigene Art und Weise :p

Fri Nov 08 20:10:42 CET 2019    |    DeutzDavid

Ich bin mit dem H4 Licht von meinem Vitara total zufrieden

 

Mein Lada hatte auch H4, das war auch gut

 

 

 

Von meinem Suzuki gibt es noch 507 in Deutschland, die kennt auch niemand mehr so richtig

Mon Nov 11 18:32:00 CET 2019    |    British_Engineering

Ein sehr schöner Artikel, den ich förmlich verschlungen habe. Die Volvo-Baureihe 340/360 gehört nämlich zu meinen Lieblingsfahrzeugen aus den 80er Jahren, weil ich einfach eine recht enge Beziehung zu den Fahrzeugen habe und sie früher unheimlich gern gefahren bin.

Mein bester Freund hat Mitte der 90er Jahre einen Volvo 360GLT Baujahr 87 gefahren, den er von seinen Eltern übernommen hatte. Mit diesem Fahrzeug habe ich meine ersten Fahrversuche auf dem Gelände eines Kieswerkes machen dürfen. Später habe ich als Führerscheinbesitzer noch den einen oder anderen schönen Kilometer mit dem Auto zurückgelegt. Mir gefielen vor allem das markante, "rauchige" Laufgeräusch des Motors, das tolle Handling und die präzise Schaltung. Außerdem sah der Wagen selbst nach knapp 200.000 Kilometern teilweise beherzten Einsatzes innen noch beinahe neuwertig aus. Das sprach absolut für die Material- und Fertigungsqualität.

 

Ein Schulfreund besaß einen Volvo 340 Junior Baujahr 84 mit 64PS-Vergasermotor und Handschaltung, also ein sehr ähnliches Auto wie das von Andy. Er betrank sich auf jeder Party heillos und ließ sich dann von Klassenkameraden mit seinem Auto nach Hause fahren. Solange er den Volvo besaß, machte ich das total gern. Der 340er war zwar keine Rakete, aber ein sehr dankbares Fahrzeug für Führerschein-Novizen wie mich. Der von Renault eingekaufte Motor des 340er klang längst nicht so gut wie der Triebsatz des 360er, aber auch er machte alles mit und erreichte letzten Endes eine hohe Laufleistung. Unvergessen am 340er Junior war das großformatige, ab Werk aufgeklebte grafische Seitendekor.

 

Heute ist zwar definitiv manches besser als in den 80ern, aber in meinen Augen garantiert nicht die Volvos! Die hatten damals ihre beste Zeit.

Thu Nov 14 11:54:22 CET 2019    |    MindFuck

Freut mich wenn mein Artikel den Leuten gefällt :)

Ich hab natürlich auch schon den 1,7er oder gar den 2 Liter in Erwägung gezogen, allerdings wäre dann die emotionale Verbindung mit dem kleinen Nullausstatter nicht so intensiv gewesen. Außerdem kenn ich mich mit der kleinen Maschine doch schon ganz gut aus.

Wer weiß, vielleicht komm ich mal dazu, einen 360er zu fahren. Wäre bestimmt ein Erlebnis wert!

Deine Antwort auf "Auch kleine Autos brauchen Liebe."