Tue May 05 11:49:13 CEST 2020 | MindFuck | Kommentare (12)
Manche lieben ihn, manche hassen ihn. Obwohl er ganz klar einige Stärken hat gibt es viele Dinge, die ihm deutlich als Schwäche ausgelegt werden können. Er ist groß, kann auch mal sportlich sein, ist aber die meiste Zeit eher gemütlich. Zudem noch das Vieraugengesicht.
Nein, diesmal red ich ausnahmsweise nicht von mir, sondern von einem weiteren Helden meiner Kindheit, zu dem mich eine Hassliebe verbindet. Der W210, damals wegen seines Stylings durchaus umstritten und wegen seiner Rostanfälligkeit verschmäht, war tatsächlich das einzige Auto, welches sich mein Vater damals neu und frisch aus dem Werk gekauft hat. Es handelte sich um eines der ersten Mopf-Modelle mit dem 220er CDI-Aggregat. Im Grunde ein praktischer, sparsamer Kombi, der durchaus die typischen Mercedes-Qualitäten versprach. Hätte Mercedes nicht damals die bewährten Turbodiesel-Motoren gegen die noch recht neue Commonrail-Technologie eingetauscht. Gesprengte Überwurfmuttern der Injektoren, unterdimensionierte Teile, die nur ein Ingenieur so entwerfen konnte und eine Wassergekühlte Lichtmaschine, weil Gründe.
Gut, um nicht den gleichen Fehler zu machen wie mein alter Herr würde ich natürlich keinen werksfrischen Mercedes kaufen. Würd auch wohl nicht in meine Sammlung von Altmetallresten passen, um es mal so auszudrücken. Auch wär ein biederer kleiner Diesel nicht die allererste Wahl gewesen. So war doch ein schöner 6-Zylinder das Maß der Dinge, was Sachen Sparsamkeit und Spaß angeht. Nur sollte es anders kommen als gedacht.
Eines Tages im Dezember 2017 war ein doch recht besonderer Mercedes in der Gegend um Aschaffenburg inseriert worden. Rot Metallic und innen rotes Holz. Hatte ich bisher noch nie gesehen und ist ganz klar eine Frage des Geschmacks. Da mir rot allerdings schon immer zusagte und ich lieber auffalle als in der Masse unterzugehen dacht ich mir, dass wir den doch mal anschauen könnten. Als kleines Sahnehäubchen oben drauf war es zudem auch noch ein E430.
Nach dem Telefonat, bei dem mir der Autohändler versprach, dass der Wagen keine Durchrostungen hat (Ja, ich weiß, ein 210er hat immer Rost) packte ich meine 7 Sachen, einen guten Freund mit sparsamen Diesel und ließ mich dort hinauf Chauffieren. Oben angekommen machte der Kiesplatz einen eher verwitterten Eindruck. Ein paar rostige 124er standen im Eck, sonst eher leichte Kost à la Fiat Punto und Mazda 6. Einzig der rote Benz stach ein wenig aus der Masse hervor, es lag ja schließlich Schnee rundherum.
Nachdem augenscheinlich alles halbwegs ok war, klar gab es die ein oder andere Roststelle und die Kotflügel mussten definitiv neu, hat mich der Schrecken im Kofferraum angelacht. Zum Glück war der Verkäufer, ein junger, sehr höflicher und professionell wirkender Mann mit dabei. Unter dem Ersatzrad in der seitlichen Kofferraumtasche lachte mich nämlich durch ein ca. 5-cm großes Loch der besagt Kiesplatz an. Mit der Bemerkung "Da müssen wir aber auf alle Fälle noch am Preis reden" ging es dann los zur Probefahrt. Was soll ich sagen? Ein V8 auf feuchten Straßen mit abgefahrenen Sommerreifen macht doch ganz gut Laune
Fahrwerk war soweit ganz gut, die Kurbelwelle hat ein wenig wegen der hinteren Hardy-Scheibe gebrummt. Trotz 360.000 auf der Uhr lief der Motor wie ein Uhrwerk und das Getriebe hat keinerlei Alterserscheinung. Da muss man doch mal an dieser Stelle ein Lob an Mercedes aussprechen. Wenn sie was können, dann definitiv Automatikgetriebe und Benzinmotoren. Nach erfolgreicher Verhandlung war der Kaufpreis tatsächlich um die Hälfte gedrückt worden, und weil der 210er noch 1,5 Jahre TÜV hatte stand einer Anmeldung nichts im Weg. Also unter der Woche schnell zur Zulassungsstelle, die alte Nummer die mein Vater auf seinem Mercedes hatte war zuuuuufälligerweise noch frei, und am Wochenende darauf wieder mit einer Mitfahrgelegenheit rüber Richtung Frankfurt. Dennoch hatte ich ein wenig Angst, es war ja noch Dezember und die Sommerreifen waren, wie schon erwähnt, nicht die allerbesten. Zum Glück hat mir das Wetter aber gut mitgespielt, denn es war die komplette Nacht trocken und der angenehme 8-Zylinder brummelte mich schön nach Hause. Das Gefühl, nach so langer Zeit im Cockpit eines 210er zu sitzen war eher unbeschreiblich. Als ob man einfach wieder 10 Jahre alt ist und gleich vom eigenen Vater vom Fahrersitz verbannt wird, weil man mit 10 wohl noch nicht selbst fahren darf.
Am nächsten Tag juckte es mich in den Fingern und ich machte mich direkt an die Arbeit. So war von einem Vandalen der Stern abgebrochen worden, doch der elektronischen Bucht sei Dank ist dieser schon da gewesen. Auch die Stoßstange hatte seine besten Zeiten schon hinter sich, aber nichts, was man nicht reparieren kann. Was mich positiv überrascht hat, war der Zustand des Wagens. Klar gab es die Durchrostung im Kofferraum, ein paar hässliche Lackplatzer und Roststellen rundherum und auch sonst ein paar Baustellen. Nach Demontage der Stoßstangen und Schwellerleisten jedoch war klar, dass der Allgemeinzustand für einen 210 mit einer derartigen Laufleistung dennoch sehr positiv ist. Auch nach Abnahme der Kotflügel (hatte über das 210er Forum mit einer Sammelbestellung 2 bereits lackierte bestellt) war ich positiv überrascht. Bei Mercedes ist ja die Dokumentation der Fahrzeuge sehr schön nachvollziehbar und so machte ich mich mit einem sehr guten Freund, durch dessen Adern definitiv Mercedes fließt, ans Werk um den Neupreis meines kleinen Wägelchens mal zu ermitteln. Immerhin hatte dieser Designo Lack, Holz, Leder, AMG-Schwellerverkleidung und Stoßstangen, das kleine Navi, Autotelefon und sonst jeden Schnickschnack, den man sich damals wünschen konnte. Wir sind tatsächlich auf einen Preis von 153000 Mark gekommen, was 1997 sicherlich eine gute Stange Geld war! Der Wagen wurde auch bei AMG in Affalterbach zusammengebaut, was eventuell den Mangel an gravierenden Rost erklären könnte.
Habt ihr auch schon so derartige Reisen in die Vergangenheit gemacht? wie verliefen diese so? Und meint ihr, meine Krankenversicherung würde mir eine psychiatrische Behandlung zahlen? Fragen über Fragen, schreibt doch einfach mal in den Kommentaren was |
Tue May 05 13:40:46 CEST 2020 | Dynamix
Kommt auf die Definition von Reise in die Vergangenheit an.
Ein Auto gekauft das meine Eltern selbst mal hatten? Nee, dafür hatte ich Mutterns Auto übernommen und den knapp 3 Jahre lang am Leben erhalten. Das war fürs erste genug in die Richtung
Die Geschichte eines Autos nachvollzogen und ein wenig gewühlt? Aber, hallo! Allein was ich und meine Frau da beim Streifenwagen alles herausgefunden haben, da kann man ganze Blogs mit füllen. Moment, hab ich ja
Tue May 05 13:45:18 CEST 2020 | Goify
Ja, ich habe eine solche Reise bereits vollzogen, allerdings mit einem Mountainbike aus den 90ern.
Autos fahre ich immer wieder mal ältere Geräte, demnächst vielleicht nen 2005er Subaru Legacy. So einen hatten meine Tante und mein Onkel damals neu gekauft und war schon ein kleiner Traumwagen. Die wohnten auch extrem abgelegen im Erzgebirge und konnten dessen Potential oft voll ausschöpfen.
Ansonsten träume ich immer wieder mal vom 190er, wie ihn meine Eltern hatten. Vielleicht irgendwann mal, oder eine Simson SR50 wie sie mein Vater hatte, oder ein Trabbi - halt, nein, den nicht.
Tue May 05 13:56:48 CEST 2020 | MindFuck
Gut, @Dynamix , was ihr über den Sheriff rausgefunden habt grenzt ja fast an einen Hollywoodfilm
Wobei es da bei dem Benz auch so eine komische Passage gibt. Der Vorbesitzer hat ihn ewig gefahren, bis er dann komischerweise an seine Sekretärin übergegangen ist. Aber ich will hier niemanden verurteilen
@Goify , ach komm schon, so ne Pappe hätte doch schon was :P
Wed May 06 06:56:55 CEST 2020 | Spiralschlauch135853
Hi,
Wow, bin ich mittlerweile ein alter Sack!
Für mich war Dein 210er . Blogeintrag keine Reise zu paps Vergangenheit, sondern zu meiner eigenen.
Wobei Papa auch mal einen W210 430 hatte.
Ich fuhr vor vielen Jahren mal einen 2001er E 320 CDI T.
Das Auto war eigentlich klasse. 7 Sitze, Multikontur, die beste Klimaautomatik der Klasse, Platz ohne Ende, höchste Laufkultur.
Aber der Rost war schlimm. Tauschte ihn dann gegen einen Volvo.
Hässlich fand ich den 210er nicht. Er war nur keine Evolution des 124er-Uralt-Brick-Designs, sondern eine Revolution. Das schätzten die eingefleischten Mercedeskunden noch nie.
Das heutige Design ist wieder revolutionär bei Mercedes. Man hat sicher einige Altkunden verloren. Dafür aber reihenweise neue akquiriert.
Heute würde ich mir so einen 90er Jahre Benz nicht mehr antun.
W221, W204, W212 sind die attraktiven Gebrauchtwagen heute.
Gruß,
ZK
Wed May 06 07:26:04 CEST 2020 | pico24229
"Ein Gesicht, das nur eine Mutter liebt?"
-Nein gerade als der W211 noch aktueller war, wirkte da der W210, gerade als Mopf noch sehr frisch.
Mittlerweile wirkt der Vormopf schon richtig alt. Gefällt mir auf Grund der mächtigeren Front und der alten Lenkräder auch besser.
Ich hatte einen E280 r6 für 1500€ und einen E230 für 820€. Waren beides tolle, unkomplizierte Autos!
Für mich ist der W210 ein sehr tolles Auto. Auch die Masse mit 1,80X4,80 sind noch nicht zu groß, dafür ist der Innenraum umso größer, eher auf S-klasse Nieveau.
Ich will unbedingt wieder mal einen W210 fahren. Am liebsten als E320 R6, automatik ist Pflicht.
Vom E430 habe ich auch immer viel Gutes gehört, gerade auch in Bezug auf den Verbrauch.
Wed May 06 09:04:38 CEST 2020 | MindFuck
Freut mich hier so viel Zuspruch zu finden
Ist schon irgendwie ein Phänomen bei Mercedes-Fahrern. Erstmal skeptisch gegenüber Neuerungen sein, aber am Ende ist es doch der "letzte richtige Benz"
Wed May 06 09:17:58 CEST 2020 | Dynamix
Ich glaube eher das ist so ein anerzogener konservativer Reflex
Alles neue ist doof bis es selber so alt ist das es aus der "guten alten Zeit" kommt.
Thu May 07 07:27:43 CEST 2020 | Spiralschlauch135853
Hi!
Nun, was ist "der letzte richtige Benz"?
Ich würde sagen: W204 und W212.
Die neueren Modelle fahren sich dynamischer. Sie liegen näher bei Audi/BMW durch die knackigere Abstimmung.
Im 212 gab es das letzte mal V8, im W204 das letzte Mal V6 ohne Proll-AMG-Optik.
Damit endet für mich persönlich die Ära der Understatement-Benze mit gediegener Optik und dicken Maschinen.
ZK
Thu May 07 09:02:13 CEST 2020 | MindFuck
@ZiKla seh ich relativ ähnlich. Der 212er hat definitiv noch Mercedes-Ausstrahlung mit einem sinnvoll großen, nutzbaren Kofferraum. Dann aber bitte als VorMopf mit den 4 einzelnen Scheinwerfern
Thu May 07 09:17:28 CEST 2020 | Goify
Da der 204er schon wie ein Sportwagen auf der Straße liegt und das mit dem 203er begann, ist bei mir die Grenze beim 202 und 210. Danach kamen BMWs mit der Optik eines Mercedes.
Thu May 07 09:30:19 CEST 2020 | pico24229
Schwierig, ich bin eigentlich nur bei den aktuellen Modell kritisch weil halt seitdem auf so sportlich getrimmt.
Der W212 gefällt mir auch sehr gut, weil er recht kantig ist für das Baujahr, auch innen, das gefällt mir.
Finde den Mopf aber schöner und eine ganze Ecke moderner. Alleine von den Lenkrädern und der Analog-Uhr her.
Sat May 09 10:37:27 CEST 2020 | Spiralschlauch135853
Hi Goify,
vergleicht man 202 und 204 hast Du da schon einen Punkt, das gebe ich zu.
Vergleicht man aber 204 und BMW 3er, wird für mich ein Schuh daraus.
Der 204 ist zwar straffer als der 202 und dem 203 ähnlich, aber gegen den BMW 3er ist er ein Langstreckengleiter.
Übrigens finde ich trotz des "Imagewandels" den aktuellen E großartig. Wenn man 100.000 Eur anlegt, bekommt man einen richtig tollen 6-Ender.
Dass das für Privatleute witzlos ist, ist klar.
ZK
Deine Antwort auf "Ein Gesicht, das nur eine Mutter liebt?"