Sun Oct 04 08:40:39 CEST 2015 | bronx.1965 | Kommentare (81)
bernauer-strasse-1973
Heute haben wir den 3. Oktober.
Der Tag der deutschen Einheit. Dies ist zwar ein Autobezogener Blog, dennoch, ein paar Gedanken zum Datum seien gestattet. Das alles ist jetzt 25 Jahre her, ich war damals halb so alt wie heute, also 25 Man fuhr Wartburg und Trabant, Moskwitch und Lada, Skoda und Polski-Fiat (den Lizenz-Bau des 125er Italianos), Dacia 1300 und die "geliftete" Variante 1310, welche sich besonders durch unterirrdische Verarbeitungsqualität auszeichnete. An Transportern dominierte in den Strassen der Barkas B-1000, TV 41 aus rumänischer Produktion (Werk Autobuzul), diverse russische Modelle und einige wenige eingeführte VW T3.
Damals wohnte ich noch in Berlin, gegen 18:30 kam die berühmt-berüchtigte Schabowski-Meldung. Alles hörte ungläubig zu und brauchte erstmal Zeit um zu realisieren: was hat dieser Typ da eigendlich jetzt gerade gesagt? Wir dürfen (können) rüber? Einfach so?
Keine Frage, alle hinein in meinen Trabant, ab zur Sonnenallee. Zum kürzeren Ende derselben! Als wir ankamen war die Bornholmer Strasse bereits offen. An der Sonnenallee spielte sich alles mit etwa halbstündiger Verspätung ab.
Dort angekommen, wurde man förmlich "durchgesaugt" von den Massen und ich musste erstmal realisieren das ich jetzt wirklich "drüben" bin! Die vor Aufregung angeschwollene Blase forderte ihr Recht und ich pinkelte voller Inbrunst erstmal besagtes Schild "you are entering the american sector" an, um zu realisieren: ich bin wirklich hier! Kein Traum, keine Fata-Morgana.
Wir gingen dann die "Sonne" (wie der Berliner besagte Allee in Ost und West gleichermassen nennt) herunter und landeten im Taxi-Eck. Eine typische berliner Eckkneipe. Lustiges Detail: gegen Null Uhr erschien ein Jeep der American Military-Police. Sie suchten, ähnlich wie die Feldjäger der Bundeswehr heute, wahrscheinlich Soldaten die irgendwas verbrochen oder überschritten hatten. Völlig überrascht von den Ereignissen fingen sie mit uns German Kacksackern eine Unterhaltung an. Auch "German Bolschie" war ein oft gewähltes Attribut. Sie wussten es ja auch nicht besser, genau so wenig wie wir. Die Stimmung lockerte sich merklich, als der "Führende" des Kommandos kurzerhand befahl: Whisky, for all, Asap! Wir sassen bis um Vier am Morgen.
Trotzdem musste man ja am nächsten Tag sein Ding leisten. Um Sieben war also Arbeitsbeginn. Nur, die Hälfte der Kollegen fehlte.
Eines war damals bereits jedem halbwegs aufgeklärten Menschen klar: nichts bleibt so, wie es ist! Es war der Anfang vom Ende. Wie wollte man auch den Leuten eine Weltanschauung erklären, ohne das sich diese die Welt anschauen durften?
Wie habt ihr diesen Tag erlebt? Was habt ihr empfunden? Heraus damit! |
Sun Oct 04 09:11:05 CEST 2015 | PIPD black
Hast du den 3. Oktober verpennt?
Denn veröffentlicht am 4.10. um 8.40 Uhr ist nicht "Heute haben wir den 3. Oktober"
Erlebt?
Den 3. Oktober? War da was?
Der Berliner Mauerfall erreichte den Norden der DDR verzögert, am 12.11.1989 wurde die Grenze in der Nähe von Mölln/Ratzeburg geöffnet. Wir standen mit dem Trabbi ewig in der Schlange, um dann nachts durch Ratzeburg zu wandeln, nach Mitternacht zu Hause zu sein und morgens um 6 aufstehen zu müssen, damit wir um 7 in der Schule sein durften.
Man empfing uns jubelnd und auf den Trabbi klopfend, die Polizisten regelten den Verkehr unter Atemschutz.
Sun Oct 04 10:08:38 CEST 2015 | MrMinuteMan
Die Verzögerung vom 3 zum 4. Oktober kommt daher, dass Bronx die Idee zum Artikel erst relativ spät Abends gekommen ist. Und da er die Veröffentlichung vorher mit mir noch absprechen wollte, haben wirs erst heut morgen geschafft das Kind auf die Reise zu schicken. Kein Grund zur Panik
Sun Oct 04 10:55:15 CEST 2015 | PIPD black
Keine Panik auf der Titanic.
War nur das erste, was mir beim Lesen heute morgen auffiel....Heute ist der 3. Oktober? Häh? Wie? Back to the future? Reisen in der Zeit zurück? Geht das doch schon?
Da wären die Händler hier aber sauer, wo doch überall verkaufsoffener Sonntag ist.....selbst die am Freitag noch überrannten Lebensmittelhöker öffnen......auch sowas gab es damals nicht. Hat man es vermißt? Selten. Ich hab gestern die offenen Läden vermißt, fehlten doch die Speckwürfel für meine Kartoffelsuppe.....völlig vergessen im freitäglichen Einkaufsstress....
Sun Oct 04 16:11:53 CEST 2015 | Christian8P
Nun sollen wir schon seit 25 Jahren ein Land sein...
Ich war am 9. November 1989 gerade mal sieben Jahre alt, lebte mit meinen Eltern glüklich und zufrieden im südlichen Münsterland, ging in die zweite Klasse und wusste bis zum Herbst 89 eigentlich nichts über die Existenz zweier deutscher Staaten!
Das änderte sich in jenen Tagen natürlich komplett und bis heute übt dieses Land zwischen Sassnitz und Sonneberg, zwischen Marienborn und Frankfurt/Oder einen unheimlichen Reiz auf mich aus.
Fanden meine Schulferien in den Jahren zuvor eigentlich immer irgendwo in Frankreich statt, ging es bereits im Januar 1990 auf erste Entdeckungstouren in dieses unbekannte Land.
So kam ich in Städte, von denen ich vorher noch nie etwas gehört hatte und die so vollkommen anders aussahen, wie ich es aus dem nahen Dortmund oder Münster gewohnt war.
Meine ersten Eindrücke von der sich auflösenden DDR sind klischeehaft grau, das sind sie aber wirklich, weil das Wetter im Januar 1990 auch einfach nur grau war.
Wie bereits geschrieben, war das für mich eine komplett andere Welt, gerade was die Autos anging.
Trabant? Wartburg? Dacia? Noch nie gehört! Für mich war der letztgenannte ein irgendwie "frisierter"
Renault 12, der bei uns zu Hause so langsam aus dem Straßenbild verschwand.
Außerdem waren in jenen Tagen die Straßen gesäumt mit Autowracks! Was da alles so achtlos am Straßenrand entsorgt wurde, könnte man heute mit Sicherheit in gutes Geld verwandeln.
Ich erinnere mich noch, wie enttäuscht ich war, als es in Schwerin tatsächlich keine Autozeitungen gab!
Aber absolut keine! Für einen mittlerweile achtjährigen Jungen aus dem anderen Teil Deutschlands absolut unfassbar...
Heute, 25 Jahre später, lebe ich selber in den sog. neuen Bundesländern und habe mich hier sehr gut eingelebt, auch wenn ich an manchen Stellen immer noch das Gefühl habe im Ausland zu sein. Ich kann es nicht genau beschreiben, aber sobald ich die ehemalige Grenze passiere, ist irgendwas doch noch immer anders...
Trotzdem halte ich die Geschehnisse vom Herbst 89 und die Wiedervereinigung für eines der größten Geschenke der Geschichte.
Edit.: Anbei noch ein Bild aus Schwerin im Januar 1990. Die Jungs vom Schrottplatz kennen es bereits, aber soll auch mal den jüngeren Usern einen Eindruck vom Straßenbild der damaligen Zeit geben und von meinen modischen Entgleisungen... Zu meiner Verteidigung muss ich aber sagen, ich hatte da damals kein wirkliches Mitspracherecht.
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Sun Oct 04 16:16:02 CEST 2015 | ToledoDriver82
Und doch ist es immer noch nicht so....da ist noch viel Arbeit notwendig.....und hoffentlich nicht noch mal 25 Jahre
Sun Oct 04 16:24:48 CEST 2015 | Christian8P
Das ist eigentlich schade, da auch schon unsere Generation eigentlich keine wirkliche Erinnerung mehr an die Zeit vor 89/90 hat, egal auf welcher Seite der Mauer.
Ok, für mich im Westen hat sich durch die Wende ja quasi nichts verändert und gerade bei uns im Ruhrgebiet wäre die Geschichte auch ohne Grenzöffnung so verlaufen, wie sie dann ja auch verlaufen ist.
Der Strukturwandel war ja schon länger im Gange...
Sun Oct 04 16:31:21 CEST 2015 | ToledoDriver82
Bei mir gab es schon mehr Änderungen und die Zeit davor empfand ich als nicht so schlimm....aber ich war ja auch noch jung. Allein in der Schule war es katastrophal,schlagartig fehlten einige Lehrer und von denen die noch da waren,hatte die eine Hälfte keinen Plan wie es weiter gehen soll und die andere Hälfte wollte weiter machen wie bis her.
Abgesehen davon gab es auch in der Familie viele Veränderungen...in den ersten 2 Jahren danach,verloren so gut wie alle ihren Job.....sowas war völlig neu
Sun Oct 04 16:48:50 CEST 2015 | Christian8P
Das hat auch das Verhältnis zwischen Ost und West arg vergiftet, aber so wie es war, hätte es definitiv nicht weitergehen können.
Dass sich viele Bundesbürger an ihren Brüdern und Schwestern eine goldene Nase verdient haben, steht dabei natürlich auf einem anderen Blatt. Da fiel man ja teilweise wie die Heuschrecken über den am Boden liegenden Arbeiter- und Bauernstaat her.
Dazu ein Zitat aus dem sehr empfehlenswerten Buch "VEB Dampflokomotive" von Robin Garn (Hrsg.):
"Zwar ist unbestritten, daß die DDR nach 40 Jahren SED-Herrschaft gegenüber der bundesdeutschen Wirtschaft voll abgehängt wurde, und daß deren Rekonstruktion ohne Hilfe aus dem Westen kaum möglich sein wird. Unter Berufung auf Rudolf Bahro jedoch, der vor der Gefahr einer ökonomisch-moralischen "Überwältigung der DDR durch die Bundesrepublik" warnt, führe man sich vor Augen:
Wüstenrot, Schwäbisch Hall und Scharen raffgieriger Makler klinken sich in die verlotterten Städte ein.
Der bundesdeutsche Straßenbau bemächtigt sich der Landschaft. Die Kaputtsanierer der Bundesbahn greifen sich die zwar marode, aber räumlich dichtmaschige Reichsbahn.
Die Touristik-Riesen fiebern schon - Rügen statt Rimini, Hilton auf Hiddensee.
In bundesdeutschen Konzernzentralen werden Claims abgesteckt.
Von einer berstenden Produktivkraft niedervereinigt und ausverkauft, droht dem Land zwischen Eisenach und Forst, Saßnitz und Sonneberg, im Handumdrehen genauso verhunzt, asphaltiert, zubetoniert, mit Plastik übersät und mit Kompaktlimousinen vollgestopft zu werden wie unsere Bundesrepublik Deutschland.
Bloß, würden die Bürger der DDR - wenn sie könnten, wie sie wollten - mehrheitlich nicht genau das gutheißen?"
So ist es dann ja auch gekommen...
Die Texte in diesem Buch wurden in den späten 80ern verfasst und quasi zur Zeit der Wende veröffentlicht.
Sun Oct 04 16:59:42 CEST 2015 | ToledoDriver82
Das es so hätte nicht weiter gehen können,ist klar....so wie es aber meistens gelaufen ist,war es nicht schön.
Die Leute haben gute Arbeit geleistet...unter den Umständen....und es waren ja auch gute Firmen und Produkte dabei.
Mein Dad verlor seinen guten Job im Hotel,meine Mam bei Heckert,mein Opa väterlicherseits hat die Zeit und das Angebot genutzt in Frührente zu gehen(die Bahn hatte ja auch super Anreize ),meine Oma und mein Opa mütterlicherseits haben ihren Job beim Strickmaschinenbau verloren,haben sich aber ebenfalls durch die Rentenregeln "retten" können.
Es war eine stürmische Zeit,nicht alles ist beim Wechsel(Übernahme) moralisch richtig gelaufen.....und wie gesagt,ein paar Jahre/Generationen wird es wohl auch noch dauern....oder man fängt ganz oben mal an und schafft die Unterscheidung endlich mal ab
Sun Oct 04 16:59:52 CEST 2015 | bronx.1965
Christian, Spitzenbeitrag. Danke für den interessanten Literatur-Verweis! Sehr treffend.
Sun Oct 04 17:06:55 CEST 2015 | Christian8P
Diese beiden Bücher sollten viele Leute gerade aus der alten Bundesrepublik mal lesen. Dann sieht man die DDR in einem ganz anderen Licht!
Auf den ersten Blick mögen es zwei Eisenbahnbücher sein, das sind sie aber eigentlich überhaupt nicht.
Hier haben sich (nicht nur) "Wessis" auf der Jagd nach den letzten Normalspur-Dampflokomotiven intensiv mit dem Leben und der Gesellschaft der DDR befasst und ihre Eindrücke ohne Häme, aber schon sehr emotional und teilweise recht humorvoll zu Papier gebracht.
KLICK
KLICK
Sun Oct 04 17:45:48 CEST 2015 | bronx.1965
Ist gespeichert!
Stürmisch war s wohl für Alle damals. Und für eine moralisch richtige Übernahme gab es schlicht keine Regeln. Wie es auch in der Geschichte kein Beispiel für eine(n) derartige(n)
ÜbernameBeitritt gab!Wenn man A will muss man B eben in Kauf nehmen. Und ich kann mich erinnern, das A verdammt viele wollten!
Ob das noch ein paar Jahre/Generationen dauern wird, liegt in erster Linie an einem selbst! Für mich spielt das längst keine Rolle mehr. Liegt am Weltbild was man selbst hat. Auch ich musste umsatteln und das nicht nur einmal. Bleibt man zu Hause kleben, oder macht man was aus der Situation?! Das Eine geht eben nicht ohne das Andere. Und das so viele Betriebe schliessen mussten lag schlicht an völliger Überalterung, Unrentabilität und völlig untauglichen Produkten! Wer sich im sozialistischen Wärmestübchen "eingerichtet" hatte, bedauerte dies natürlich lautstark und begriff die Chance die sich daraus bot bis heute nicht! Nicht alles war gerecht, sicher, aber wo ist es schon gerecht im Leben.
oder man fängt ganz oben mal an und schafft die Unterscheidung endlich mal ab
Wer ist "man"? Ich denke, wie geschrieben, das liegt an einem selbst.
Sun Oct 04 17:54:09 CEST 2015 | ToledoDriver82
Ich meinte der Unterschied der bei den meisten Sachen immer noch gemacht wird sei es Renten,Einkommen,Sozialleistungen etc. warum noch darin unterscheiden wenn es doch keinen Unterschied (mehr) gibt
Und natürlich kann sich nur was verändern wenn ich selber was verändere.....was aber wenn ich persönlich garkein Anlass dazu habe,was wenn ich mit dem was ich habe zufrieden bin weil es mir und meiner Familie gut geht.....soll es ja auch gegeben haben
Sun Oct 04 18:03:51 CEST 2015 | Christian8P
Siehe:
Sun Oct 04 18:08:55 CEST 2015 | bronx.1965
Perfekt!
Sun Oct 04 18:09:49 CEST 2015 | ToledoDriver82
Schon klar aber ist das so verwerflich gewesen? Ich mein,wenn Leute zufrieden sind,ist das ja nicht immer schlecht.
Sun Oct 04 18:11:19 CEST 2015 | Christian8P
Puh! Da sind wir in diesem Kontext jetzt aber schon auf sehr dünnem Eis.
Sun Oct 04 18:13:19 CEST 2015 | bronx.1965
Alles gut! Jeder definiert eben "Zufrieden" für sich selbst. Gut so!
Sun Oct 04 18:15:46 CEST 2015 | ToledoDriver82
Mag sein...aber versetzen wir uns mal in die Lage. Du bist Familienvater,Frau und zwei Kinder,hast nen Job mit dem du klar kommst und alle deine "Bedürfnisse" sind befriedigt,Familie gehts gut......würdest du in so einer Situation drüber nachdenken,das "weg zu schmeißen" oder es gut finden plötzlich auf der Straße zu stehen und nicht mehr zu wissen wie es weiter geht.....
Sun Oct 04 18:16:07 CEST 2015 | MrMinuteMan
Nunja. Was heißt "Chance aus dem sozialistischen Wärmestübchen" rauszukommen. Vielen wurde die Bude achtkant unterm Arsch weggezogen, siehe Toledos Familie.
Als Chance bezeichne ich die Option, aus meiner derzeitigen Lage heraus eine Verbesserung zu erzielen. Ich kann sie nutzen und mich verbessern oder hocken bleiben, dass Risiko nicht eingehen und alles bleibt wie es ist.
Was defakto damals passiert ist, und das beschreibt Marcel sehr gut, ist das man mit einem Ruck die Tischdecke weggezogen hat auf der alles steht. Wie man das aber von dem Kunststück kennt, meistens geht es schief und man hat danach eine riesen Schweinerei auf dem Teppich. Genau wie wir es heute vorfinden.
Natürlich haben es sich sicher viele bequem gemacht. Warum auch nicht? Wer will schon immer unter Beschuss stehen? Was aber nun passiert ist, ist das das ganze System ohne Vorwarnung zusammen gebrochen ist. Sämtliche größeren Betriebe wurden dicht gemacht ohne Rückfrage was danach kommt, Westfirmen haben alle Schlüsselposition überrannt gegen einen Gegner der absolut keinerlei Kapitalismuserfahrung hatte und danach wurde das ganze als "Einheit" verkauft.
Nein, für mich hat das nichts mit Chancen zu tun. Das war "friss oder stirb". Bleib wo du bist und bezieh Hartz oder mit viel Glück ein absolutes Scheissgehalt (hallo wieder Toledo) oder gib dein Revier, deinen Freundeskreis und alles auf, zieh irgendwo hin ins Blaue und hoff das es gut geht.
Um auch noch etwas persönliches drunter zu setzen: Viele haben die Auswirkungen der "Chance" gesehen. Unter anderem ein Jagdpilot der damals auf genau das Wohnhaus zu hielt, in dem meine Mutter mit mir auf dem Arm auf dem Balkon stand. Sie ist sich bis heute nicht sicher, ob der Kerl nicht mit einem Knall abtreten wollte, weil am nächsten Tag viele die eben noch Jet flogen Müllwagen fahren durften. Wenn sie Glück haben.
Der Kerl zog damals auf jeden Fall im letzten Moment hoch das die Scheiben gewackelt haben. Und es gibt übrigens bis heute keine offizielle oder auch nur halboffizielle Statistik über die Suizidrate in den Wendejahren.
Sun Oct 04 18:19:27 CEST 2015 | Christian8P
Wie würde sich denn wohl die DDR im Jahre 2015 präsentieren?
Wer A sagt...
Sun Oct 04 18:21:45 CEST 2015 | MrMinuteMan
Ich sag nicht das die DDR hätte bestehen bleiben sollen. Das das Ding zusammenkracht war klar. Nur das wie es passiert ist, war alles andere als optimal. Im Endeffekt kann man aber so viel herummeiern wie man möchte, es wäre so oder so gekommen. In der Theorie hätte es sicher die Möglichkeit auf eine "sanfte" Vereinigung gegeben, theoretisch sogar eine Art weiterbestehen der DDR nebst massivem politischen Umbruch.
Das ist aber alles Theorie. In der Praxis war die Beute erfolgreich zu Tode gehetzt und der Jäger hat sein Festmahl gehalten. Ein Löwe zeigt auch keine Gnade oder Sanftheit wenn er der Gazelle die Kehle herrrausreißt.
Sun Oct 04 18:21:58 CEST 2015 | bronx.1965
Ich stimme Dir da absolut zu! Deswegen schrieb ich ja auch: "Nicht alles war gerecht, sicher, aber wo ist es schon gerecht im Leben."
Das es darüber völlig unterschiedlche Ansichten gibt, ist okay und nennt sich Streitkultur.
Sun Oct 04 18:23:15 CEST 2015 | bronx.1965
Darüber möchte ich lieber nicht nachdenken.
Sun Oct 04 18:23:17 CEST 2015 | MrMinuteMan
Bronx, mir ist klar das es nur einen Weg gab und das ist der, der gegangen wurde. Alles andere ist illusorischer Bullshit irgendwelcher Gutmenschen und Tagträumer. Aber für mich ist es eben kein Festtag. Schon allein vor allem anderen, weil ich in der Demographie arbeite und bis heute mir jeden Tag die Zahlen anschauen kann wie die gesamte EX-DDR immer weiter ausblutet und zusammenbricht.
Natürlich, es ist der Lauf der Geschichte das Dinge kommen und gehen. Staaten, Dörfer, Regime, Regierungen. Aber wenn man mal durch die Oberlausitz fährt und sieht wie die Auswirkungen in der Realität sind, bekommt das ganze doch seinen Geschmack. Wenn man sieht wie einige sich abmühen doch noch irgendwas auf die Beine zu stellen und man weiß eigentlich ganz genau, dass die hier selbst bei Aufwendung aller Kräfte den Prozess vielleicht um 2 Jahre aufhalten können.
Sun Oct 04 18:25:26 CEST 2015 | ToledoDriver82
Es ist wie es ist....aber das es 25 Jahre danach immer noch nicht möglich ist,diesen Ost/West Unterschied endlich zu beseitigen,ist bei aller "Eile" der Übernahme schon verwunderlich
Sun Oct 04 18:25:30 CEST 2015 | bronx.1965
Völlig klar! Du gehst das ja unter diesem Blickwinkel an. Da würde ich dir nicht widersprechen wollen.
Sun Oct 04 18:26:03 CEST 2015 | Christian8P
Dafür war die Eigendynamik viel zu groß. Die Mehrheit wollte Veränderungen in der DDR und nicht den gesamten Staat auflösen, als die Sache dann aber immer schneller ins Rollen geriet, war das dann auch durch nichts mehr aufzuhalten. Natürlich hätte man das Ganze auch langsamer durchziehen können, aber der Staat nebst seiner Gesellschaft zerbröselte wie ein trockener Keks und ob man noch lange irgendwelche anderen (sozialistischen) Experimente hätte durchziehen wollen, wo die Tore gen Westen jetzt weit offen standen, wage ich mal zu bezweifeln.
Sun Oct 04 18:29:44 CEST 2015 | bronx.1965
Dem stimme ich auf ganzer Linie zu, Christian. Bei mir kommt sicher noch eines dazu: ich habe Ungerechtigkeiten dieses Systems und deren Auswirkungen selbst erleben dürfen und oft hautnah mitbekommen. Aber das ist ein anderes Thema. . .
Sun Oct 04 18:30:46 CEST 2015 | MrMinuteMan
Christian, ich denk da vor allem an China. Die haben den Übergang relativ gut gemeistert und sie daran nicht gebrochen, sondern gewachsen. Aber ich glaube das war gar nicht gewollt. Ich glaub so wie es lief, war es von Anfang an geplant.
In einer Doku hab ich mal gehört, dass der Westdeutsche Markt in den 80ern ähnlich da lag wie um die 2000er Jahre. Alles gebaut, jeder hatte sein Fernseher, sein Auto und sein Kühlschrank. Das Volk war satt und neue Absatzmärkte nicht in Sicht. Bis auf den hinter dem eisernen Vorhang. Ein riesiges Land, dass mit Ramsch und Krempel gefüllt werden wollte. Was lag näher als diesen Hummer zu knacken?!
@ Bronx: Zum Thema "Ungerechtigkeiten des Systems". Meine Story kennste ja. Fragt sich für mich, hätte es im anderen System so wesentlich schlimmer kommen können für mich? Dort hätte ich mich wenigstens etwas schützen können, man musste, doof gesagt, am 1. Mai nur dem Seniorenheim zu winken, sagen das alles dufte is und fertig. Mehr zu diesem Ast aber bitte auf anderem Kanal, dass gehört eigentlich nicht hier her.
Sun Oct 04 18:36:36 CEST 2015 | ToledoDriver82
In keinem vorherrschenden System ist alles gut oder schlecht
Sun Oct 04 18:38:39 CEST 2015 | Christian8P
@MMM:
In den 80ern lag das Interesse an einer Wiedervereinigung beider deutscher Staaten in der BRD eigentlich bei Null!
Wer Verwandtschaft drüben hatte, der schickte die billigste Schokolade an Weihnachten rüber und man war fertig damit.
Man bekundete gegenseitige Besuche und wusste eigentlich: "Zum Glück dürfen die eh nicht raus."
Klingt bitter, war in vielen Fällen aber so.
Viele Firmen liessen in der DDR bei streikimmunen Arbeitern oder im Knast kostengünstig produzieren.
Warum hätte man sich dieses Paradies dann zerstören sollen?
Nur für neue Märkte? Dann müssten wir ganz schnell Nordkorea "befreien" und Afrika auf die Beine bringen.
Sun Oct 04 18:39:47 CEST 2015 | bronx.1965
daher:
Sun Oct 04 19:04:47 CEST 2015 | PIPD black
JAAAAAAA......meine Mutter hatte Zweifel, sorgte sich....mein Vater wäre direkt abgehauen, wenn er die Chance UND UNS nicht gehabt hätte.....als sein BRD-Besuch (nur durch Stasi-Bürgen) genehmigt wurde, waren sich alle sicher: der kommt nicht wieder....kam er aber doch.....als es mit den Demos losging, war er immer dabei....nach der Wende verließ er direkt den SED-Betrieb, bei dem immer noch die Alt-Genossen das Heft in der Hand hielten, lernte etwas anderes, machte nen Meister, verdiente ordentlich Kohle....wir blieben dort wohnen wie bisher, paar Jahre später wurde ein Haus gebaut, Mutti hatte gut gespart.....kämpfte auch sie mit Arbeitslosigkeit und Umschulungen.....wir machten Abi und Ausbildung, der eine blieb in der Heimat, ich wanderte aus.....in Meck-Pomm seh ich keine Zukunft für mich/uns.....da gibt es nur ein paar Wirtschaftszweige, die einigermaßen funktionieren.....und da man auf Schleswig-Holsteinischer Seite ewig für die A20 brauchte und und noch heute braucht (Ökoterroristen sei dank), wird das wohl auch nix.
Meck-Pomm ist der Altersruhesitz der Altbundesbürger....vllt. etwas überzogen, trifft es aber im Grunde.
Sun Oct 04 19:08:52 CEST 2015 | bronx.1965
Korrekt! Daher war meine alte Heimat nie eine Alternative für eine Rückkehr. Das wird sie vlt. im Rentenalter.
Kommt fast hin. Ich bin aber "Neu"-Bundesbürger.
Sun Oct 04 19:26:21 CEST 2015 | PIPD black
Könnte bei uns auch so kommen, denn wirklich heimisch werden wir hier in S-H auch nicht......genau festmachen kann ich es nicht, ist einfach das Gefühl....
Sun Oct 04 19:28:28 CEST 2015 | bronx.1965
Da gehts Dir wie mir. Heimat bleibt eben Heimat. Das kann man kaum abstreifen.
Sun Oct 04 19:29:57 CEST 2015 | Christian8P
Das geht ja auch nicht, trotzdem fühle ich mich in Greifswald mittlerweile heimischer als in Selm. Da fahre ich gerne mal zu Besuch hin, bin aber froh wenn ich wieder hier oben bin.
Sun Oct 04 19:30:49 CEST 2015 | MrMinuteMan
PIPD, bin noch nicht lange hier. Aber ob ich hier heimisch werd? Fraglich. Der Blick und die Sehnsucht gehen doch gen Osten.
Deine Antwort auf "22:30 Bornholmer Strasse, Berlin"