Fri May 01 16:57:37 CEST 2020 | British_Engineering | Kommentare (5) | Stichworte: 440, 460, anspruchsvoll, Bodyguard, Born, Kaffee, koffie, Kompaktklasse, kopje, Mitsubishi, Niederlande, Volvo
Das Tässchen Kaffee zwischendurch ist untrennbar mit der niederländischen Kultur verbunden. Wer schon mal mit Niederländern zusammengearbeitet, bei ihnen eingeladen war oder einfach das Land bereist hat, kennt diese Liebe zum Kaffee.
Solch eine Kaffeepause war vielleicht auch der Ort, an dem im Jahre 1978 schwedische und niederländische Volvo-Produktplaner ihre Ideen für einen Nachfolger der 340er Serie diskutierten. Eines war dabei schnell klar: Der Neue sollte Frontantrieb haben und auch wieder im niederländischen Born (Provinz Limburg) gebaut werden. Im Herbst 1980 fuhr der erste Prototyp, G4 genannt, seine Runden. Seine Karosserie stammte aus der Feder von Volvo-Chefdesinger Jan Wilsgaard. Die Erprobungen des Frontantriebs zogen sich lange hin, denn Volvo hatte ja bislang keine Erfahrungen mit diesem Antriebskonzept. Diese Zeit wurde nicht zuletzt dazu genutzt, den jungen Designer Peter van Kuilenburg den Wagen im Heckbereich überarbeiten zu lassen, um den ziemlich gedrungenen Eindruck des ursprünglichen Entwurfs abzumildern.
Fast acht Jahre und manche Tasse Kaffee später wurde das Auto im Sommer 1988 endlich als Volvo 440 vorgestellt. Die Rolle des Erstlingswerkes mit Frontantrieb hatte zuvor das Coupé 480 übernommen, der Ende 1985 vorgestellt und ab April 1986 ausgeliefert worden war. Leider hatte dieses Modell anfangs mit vielen Elektrikproblemen und „kippelnden“ Motoren bei Lastwechseln zu kämpfen, so dass es in anspruchsvollen Märkten wie Deutschland erst im Oktober 1987 in den Verkauf ging. Diese Verzögerung wiederum hatte auch Auswirkungen auf den Verkaufsstart des 440. Der 440 sollte zwar die altgediente Baureihe 340/360 ersetzen, doch wurde diese noch eine Weile parallel weitergebaut. Zumindest in Deutschland entfielen jedoch die 360er Typen direkt mit der Einführung des neuen Modells. Wie schon sein Vorgänger fiel auch der 440 zwischen die Stühle der Kompaktklasse und Mittelklasse. Volvo sprach von „anspruchsvoller Kompaktklasse“, doch die Hauptdarsteller dieses Segments wie der Audi A3 oder 1er BMW waren da allenfalls grobe Ideen in den Köpfen ihrer Produktplaner. Letzten Endes kamen als Konkurrenten am ehesten der Toyota Corolla Liftback oder ab 1989 der Rover 216 und der Mazda 323F in Frage. In diesem Bereich gab der 440 mit seinen von Renault entwickelten und bei Porsche in Weissach überarbeiteten 1,7 Liter-Motoren und Leistungen zwischen 87 und 120PS eine recht gute Figur ab.
Große Erfolge stellten sich trotzdem nicht ein. Der schleppende Verkauf des neuen Modells ließ den Kaffeekonsum in den Volvo-Chefetagen in ungeahnte Höhen schnellen. Nach ein paar besonders kräftigen Tassen hatte man aber ein ganzes Bündel von Maßnahmen beschlossen: So wurden zum Modelljahr 1990 zentrale Kritikpunkte des Wagens wie die unzureichende Geräuschdämmung, der kleine Tank und die ohne Servounterstützung recht schwergängige Lenkung behoben und auf einigen Märkten die Preise reduziert –in Deutschland um rund 1000DM für alle Versionen.
Anfang 1990 kam dann noch das Stufenheck-Modell Volvo 460 hinzu. Diese Version wurde vor allem aufgrund von Wünschen seitens Volvo Cars Netherlands eingeführt. Die Karosserie wurde von dem niederländischen Designer Fedde Talsma gezeichnet, der über den Wettbewerb einer Automobilzeitschrift für einen 340/360-Nachfolger zu Volvo gekommen war. Auch die Einführung einer einfacher ausgestatteten Basisversion hatte das Ziel, den Verkauf anzukurbeln. Inzwischen war die Baureihe 440/460 ein attraktives Auto geworden. Im einheitsbewegten Sommer 1990 kostete ein gut verarbeiteter und als zuverlässig geltender Volvo 440GL Kat mit 102PS-Motor 26.990DM. Ein Lancia Dedra 1.8 als neu hinzugekommener Konkurrent war für 29.000DM zu haben und ein Rover 216GSI lag bei 26.800DM, doch konnte man für 25.340DM auch einen Ford Sierra 2,0i CLX mit Fließheck bekommen. Der bot echtes Mittelklasseformat und eine reichhaltige Ausstattung, hatte dafür aber unter der Motorhaube einen Grauguss-Klumpen mit rauh laufenden 100 rheinischen Kaltblut-Pferden.
In den frühen 1990er-Jahren nahm die Bedeutung des Themas „Sicherheit“, das von seither eine Volvo-Domäne war, massiv zu. Da war es kein Wunder, dass die Baureihe 440/460 im Herbst 1993 nicht nur Retuschen an Front- und Heck spendiert bekam, sondern auch mit einen ins Dach integrierten Überrollbügel, dem Volvo-Seitenaufprallschutzsystem SIPS, serienmäßigem ABS und Fahrer-Airbag sowie automatischer Sicherheitsgurt-Höhenverstellung und pyrotechnisch gezündete Gurtstraffer für die Vordersitze ausgerüstet wurde. Diese Modelle wurden von Volvo in der Werbung mit dem Beinamen „Bodyguard“ versehen.
Wer ein gegenüber den bisherigen Motoren etwas milderes, entkoffeiniertes Leistungsangebot wollte, konnte in den Bodyguard-Modellen auch einen 1,6 Liter-Motor mit 83PS bekommen. Gute Durchzugskraft bei magenschonender Langlebigkeit bot ein von Renault gelieferter 1,9 Liter Turbo Diesel, der ebenfalls ab Herbst 1993 zur Verfügung stand.
Die Produktion der Baureihe 440/460 endete im November 1996. Am Ende waren 460.822 Exemplare vom 440er und 238.401 Einheiten vom 460er hergestellt worden. Richtig große Erfolge sehen anders aus. Das war auch den Volvo-Verantwortlichen nicht verborgen geblieben und so hatte man Anfang der 1990er Jahre bei einigen Tassen Kaffee die Suche nach einem Partner für das Werk in Born begonnen. Letzten Endes stieg Mitsubishi ein. Das 1967 eröffnete, einst von DAF übernommene Werk wurde bis 1995 nach Mitsubishi-Vorlagen aufwändig modernisiert und dann für die Produktion der 440/460-Nachfolger Volvo S40/V40 sowie den technisch eng verwandten Mitsubishi Carisma vorbereitet. Heute ist Volvo in Born leider schon lange Geschichte. Seit 2014 werden dort Mini Dreitürer und seit 2017 BMW X1-Modelle hergestellt. Geblieben ist wahrscheinlich nur die Kopje koffie-Tradition. |
Fri May 01 17:28:46 CEST 2020 | ToledoDriver82
Ein Auto was ich nie so auf dem Schirm hatte und wenn ich so überlege, auch nicht aktiv wahrgenommen habe.
Fri May 01 18:56:35 CEST 2020 | PIPD black
Och eigentlich isser ja ganz kernig und typischer Vertreter des „Hut-Autos“, was Kinder immer gerne malen.
Fri May 01 19:45:49 CEST 2020 | Dynamix
Waren das die Dinger wo man bei der Demontage der Karosserieteile diverse Verewigungen der Bandarbeiter in Form von Schimpfwörtern auf Niederländisch gefunden hat?
Sat May 02 10:36:02 CEST 2020 | Badland
Einen 340er mit Automatik von 1988 hätte ich fast gekauft, als mein Zafira mit Servopumpenschaden in der Werkstatt stand und die nicht den Fehler fanden. Stand beim Autohöker für 500 Euro und nachhinein fand ich es schade das ich es dann noch nicht gemacht habe.
Dafür das er bei einem Exporteur stand, war das ein relativ fittes Auto. Wahrscheinlich hatter den irgendeinem Erben abgenommen der den einfach loswerden wollte.
Sat May 02 11:24:30 CEST 2020 | British_Engineering
Ja, die Geschichte habe ich zumindest vom Volvo 480 auch schon mal im Netz gelesen. Und da die Modelle 440/460/480 alle in Born vom Band liefen, wird es solche Verewigungen wahrscheinlich auch an den Limousinen-Brüdern gegeben haben.
Auch wenn diese Anekdote ein eher zweifelhaftes Licht auf die Arbeitsmoral in Born wirft, waren die Fahrzeuge in der Regel schon ordentlich verarbeitet. Vielleicht nicht ganz so gut wie die Volvos aus schwedischer Produktion, aber luschig zusammengezimmert waren sie definitiv nicht. Mein bester Freund hat von 2001 bis 2008 einen Volvo 440GL gefahren, der Baujahr 1992 oder 93 war. Da klapperte auch nach 12, 13 Jahren nichts und der Wagen war bis zum Schluss rostfrei. Einziges Manko war der zum Schluss horrende Ölverbrauch. Dieses war aber kein generelles Problem der von Renault gelieferten 1,7 Liter-Motoren. Mein Freund hatte da einfach vom Motor her ein Montagsauto erwischt oder der ältere Vorbesitzer hatte etwas falsch gemacht.
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