Sun Jun 04 18:35:26 CEST 2023 | TDIBIKER | Kommentare (7)
Ein alter Freund auf SardinienIm Frühjahr 2023 gab es in Italien Flutkatastrophen durch heftige Regenfälle. Das Mittelmeer war anormal warm, und Emilia Romagna hat den Preis bezahlt...zum ersten mal seit Beginn der Aufzeichnungen fielen mehr als 500 mm Regen in 24 Stunden in Europa. Wir hatten aber schon unsere Fähre für Sardinien gebucht. Und hatten Glück: Auch wenn wir Regen und Gewitter hatten, so gab es auch viel Sonne - und vor allem die Sonne im Herzen, die Freunde wieder zu sehen, mit denen ich seit mehr als 40 Jahren Motorrad fahre. Ich reise oft mit Gudrun, meiner ehemaligen Präsidenteneskorte, einer 23 Jahre alten weissen RT 1100. Hier im Forum bin ich der TDIBIKER, und zeige das auch ausserhalb
Reiter und Ross vor dem Einschiffen
Aber mal der Reihe nach: Zunächst fuhr ich aus meiner Südfranzösischen Heimat in das Ruhrgebiet, wo ich aufgewachsen bin. Dort traf ich zunächst Willem auf seiner 1050 Triumph Tiger und wir fuhren bei strahlendem Sonnenschein zum Bigge See. Am dortigen Bikertreff parke ich neben einem Old school Chopper und dann stellt sich ein grosser sonnenbebrillter Typ mit seiner GS genau vor meine Gudrun. Ich wollte ihm gerade sagen, dass er mich nicht zu parken soll (Ey verfatz dich Alder ), da erkenne ich ihn erst - mein alter Freund Stevie! Und wir fallen uns in die Arme. Weiter geht es nun zu dritt nach Südosten, um Kri mit seiner 955i zu treffen. Stevie kennt den Weg und fährt vor. Als Liebhaber des Gerstensaftes aus Krombach führt er uns zum Rhein-Weserturm und behauptet, dieser wäre auf der Krombacher Dose abgebildet... Bei näherer Betrachtung hält sich die Ähnlichkeit der beiden Türme doch sehr in Grenzen Die Dose mit dem Turm
Bei Moni und Kri gibt es dann die köstliche Gyrossuppe, welche bei uns schon Tradition hat, ein Lagerfeuerchen in einer alten Waschmaschinentrommel, ein Matratzenlager und ein gutes Frühstück. Kri hatte eine zweite 955i gekauft und nun aus beiden eine gemacht. Die wurde dann aufgepackt und los ging es nach Süden. Ich fuhr direkt hinter ihm, als sein Koffer auf ging und zwei Schühchen vor mir auf die Strasse fielen. Da wurde natürlich angehalten, die Schühchen eingepackt, der Koffer korrekt verschlossen, dann sollte es weiter gehen - aber das Tigerli wollte nicht. Die Batterie war leer. Da hiess es anrollen und ohne Licht weiter...nach diesem Zwischenfall fuhr sie wieder gut, sprang bei Pausen auch gut an, und wir kamen sicher und schnell an den Rand des Bodensees, wo der Rest der Truppe schon auf uns wartete. 9 Moppedbrüder, die ihre Reifenflanken schon auf manchen Strassen gewetzt haben, bei Sonnenschein und Regen, viele Tage auf der Strasse, viele Nächte singend am Lagerfeuer. Nach einem guten Essen und ein paar Bier sind wir am Pfingstsamstag früh aufgestanden, denn wir mussten ja 500 Km zur Fähre nach Genua fahren. Mattin hatte die Vignetten besorgt um schnell durch die Schweiz zu kommen. Dann kam die böse Überraschung...
9 MoppedbrüderDie Moppeds fast fahrbereit
Ups..die HP2 hatte eine Schraube im Hinterreifen Profil, und ihr war die Luft ausgegangen. Ich wollte meinen Deutschen Freunden meine Französische "Wurmkur" anbieten - Schraube raus, Gummiwurm in die Ahle, Spezialkleber auf den Wurm und in das Loch, Wurm in's Loch einführen, dann bündig abschneiden, ein bisschen warten und weiter geht's...aber das war denen dann doch zu riskant, ganz am Anfang unserer Tour. Die Handys liefen heiss, und wirklich haben wir einen passenden Reifen bei BMW Schek in Wangen gefunden, den uns ein netter Mensch ganz schnell am Pfingstsamstag noch aufgezogen hat. Nochmal ein grosses Danke an das Team von Schek! Ein neuer Reifen ist einem geflickten natürlich vorzuziehen, gerade weil Sardinien ja ein Kurvenparadies ist, wo der Reifen stark beansprucht wird.
Neuer Michelin 140/80/17 am Pfingstsamstag ohne Termin...
Jetzt mussten wir uns natürlich sputen, um die 500 Km nach Genua abzureissen, denn schon Abends ging die Fähre nach Olbia auf Sardinien. Dazu hatten wir ja die Vignette, um auf der Schweizer Autobahn Tempo zu machen. Aber -Oh Weh! - die Autobahn war an diesem sonnigen Pfingstsamstag völlig dicht mit Urlaubern und Ausflüglern, Wohnmobilen und LKWs. Als Highlight hatten wir eigentlich vor, zumindest den kleinen Bernadino mitzunehmen...da meldete sich das Tigerli wieder mit einer leeren Batterie. Seltsamerweise war Ladestrom da, aber irgendein Wackelkontakt schien sie zu entleeren. So wurde die Batterie durch getauscht - GS Batterie rein, Die Tiger Batterie in die GS fahren bis sie voll geladen war, und zurück tauschen. Das kostete natürlich Zeit, und die Fähre würde nicht warten. Also sind wir nicht den kleinen Bernadino gefahren, sondern den Tunnel. Gerade wollte ich Tempo machen und vorfahren, da schaue ich in den Rückspiegel - da ist niemand mehr. Eine weitere Triumphpause war nötig. Schliesslich und endlich sind wir aber doch rechtzeitig nach Genua gekommen, um die riesige "Moby Wonder"der Mobyline zu nehmen. Da war die Freude gross!
Alle Mann an Bord!Eine Nacht am Pool.
Wir haben die Nacht mit unseren Campingsachen auf dem Sonnendeck verbracht. Und dann - ja dann ging die Sonne über Sardinien auf!
Gegen 8 Uhr legten wir in Sardinien an und konnten auf den Riffelblechen die Fähre verlassen. Endlich konnten wir die tollen Sardischen Strassen unter die Reifen nehmen. Vom Hafen in Olbia ging es zunächst zum wunderschönen Capo Testa und danach nach Alghero, wo wir unsere Zelte auf dem Campingplatz Mariposa aufschlugen. Dieser hatte schon bessere Tage gesehen und war ein wenig heruntergekommen. Kaum waren die Zelte aufgebaut, begann es zu regnen. So liessen wir die Moppeds stehen und nahmen den Bus in die bemerkenswerte Altstadt. Alghero ist wirklich eine sehr lebendige touristische Küstenstadt mit grandiosen Forts (noch mit Kanonen bestückt) Strassenmusikanten, tanzenden Mädels...Wir hatten dort viel Spass Aber das eigentliche Highlight in Sardinien sind die Strassen. Griffiger Asphalt, oft rot gefärbt, Kilometerlange Rechts-links Kombinationen mit dem richtigen Radius, Relief und Ausblicke die dem Auge schmeicheln - das ist die Küstenstrasse südlich von Alghero. Und natürlich jede Menge Moppedfahrer aus vielen Ländern für Benzingespräche und ein paar Frotzeleien, welche ja das Salz in der Suppe des Kurvenjägers sind. Kurz - das Paradies des Moppedfahrers. Besonders ein französischer 1250er GS Fahrer, der mit 2 Kumpels unterwegs ist, hat richtig Spass. Das kommt vom Kurven swingen, das macht euphorisch. geht mir übrigens auch so. Als er los will, bringe ich noch schnell den Spruch: "Ach ja, wenn Du gleich mein Mopped im Rückspiegel siehst, fahr schön rechts ran..."
So kamen wir von Alghero nach Bosa, wo wir fein gegessen haben, und von dort nach Oristano. Auf dem Weg begann es lange und schwer zu regnen, aber wir hatten das Glück im Agri Touri "Mimosa" unter zu kommen. Dort hatten wir Zimmer, viel Platz, und Claudio der Küchenchef trug auf, dass sich die Tische bogen. Das hat mich an Marokko erinnert. Gerade wenn man meint, man kann einfach nicht mehr weiter essen, kommt der nächste Gang - und es geht doch noch was rein . Der weitere Abend wurde dann mit Rotwein, Whisky und Doppelkopf verbracht...
Andy in BosaClaudio's Tafel im Mimosa. Ganz grosser Schmaus...
Am nächsten Morgen war es trocken, und wir wollten mal in's Inland und auf die Ostküste der Insel. Nach einem kurzen Capuccino Stop in einem Café wollte Olli's KTM nicht mehr anspringen. Sofort zeigten sich die lokalen Sarden sehr Hilfsbereit und freundlich und boten uns gleich Werkzeug an. Erste Idee war die Hauptsicherung, aber die war in Ordnung. Also mussten wir an die Batterien die bei der KTM unter dem Mopped sitzt. Gut für den Schwerpunkt, aber nicht gerade Service freundlich. Zum Glück waren nur die Kontakte durch Schmutz und Regen oxidiert, und wir konnten bald weiter fahren. Auf dem Weg lag das alte Gairo - eine Geisterstadt. Verfallene Häuser, ganze Strassenzüge, echt unheimlich. Zeigte uns die Vergänglichkeit menschlicher Zivilisation, und war natürlich faszinierend. In Deutschland gibt es so etwas nicht, nur in Zentralspanien, wo der Wassermangel zur Aufgabe von Dörfern gezwungen hat. Der Grund, warum Gairo Vecchio verlassen werden musste, war der Grund....ich kann Bauherren nur raten, vor'm Bauen eine Bodenanalyse zu machen, das lohnt sich. Der Anlass war die Flut von 1951, die in Verbindung mit dem lockeren Boden ganze Häuser zum Einsturz brachte.
Olli beim SchraubenGairo Vecchio, die GeisterstadtInland mit ZiegenherdeDer rote Felsen an der Ostküste
An der Ostküste hat Olli im Internet einen sehr schönen Campingplatz aufgetan, wo wir dann auf einem Dünengürtel unter Nadelbäumen campen. Tip Top: Trinkwasser, gute sanitäre Anlagen, nette Leute, und ein Restaurant mit leckeren Pizzen. Das eigentlich schöne bei unseren Ausflügen ist die Gemeinsamkeit, das Überwinden von schwierigen Strecken und mechanischen Problemen, aber vor allem die Geschichten und Witze die wir uns erzählen, manche neu, manche tausend mal gehört, aber trotzdem oder gerade deshalb ein Anlass zum Lachen. Die Mercedes Geh-Klasse, und "we might have saved the Land Rover"...(Okay, nur Insider ). Und natürlich unsere Lieder mit denen wir nächtlicherweise unsere Camping Nachbarn beglücken, die den Fehler gemacht haben, uns ihre Gitarre zu borgen. Gudrun hat kein Öl mehr, springt schlecht an, und ich nutze die Gelegenheit um ein bisschen fare niente am Strand zu machen, wâhrend die Kollegen noch eine kleine Runde mit den Moppeds drehen. Prompt schlafe ich nach dem Bad in der See im warmen Sand ein und wache mit einem Sonnenbrand auf den Schenkeln auf...aber das Schläfchen hat mir gut getan.
Camping in ArbataxGemeinsam macht's Spass!
Am nächsten Morgen muss ich dann allein die 300 Km nach Porto Torres zurück legen, wo ich mich dann mit Corsica Ferries nach Toulon einschiffe, denn ich musste Freitag nachmittags noch arbeiten - in Toulouse. Ein langer einsamer Ritt. Allein die Überfahrt dauerte 15 Std bei 24 Km/h, und die Nacht auf Deck war nicht so spassig wie mit den Kollegen. Am Morgen war Sonnennebel und schon weit vor Toulon, dem Kriegshafen der französischen Mittelmeerflotte, lag die Charles de Gaulle und wachte über die Bucht. Wir legten erst mit einer Stunde Verspätung an, und ich hatte also für die 500 Km zu meiner Arbeitsstelle genau 4 Stunden und 30 Minuten. Mit etwas Glück sprang meine Gudrun nach ein paar Versuchen an, und das Tigerli hatte ihre Öldose mit ihr geteilt, sodas ich pünktlich 2 Minuten vor Beginn der Stunde vor meinen Studenten stand...trotz Stau und Maut...
Die anderen sind wieder nach Olbia und Genua zurück. Alle sind gut nach Hause gekommen. Nur das Tigerli ist die letzten Meter dann doch lieber mit den gelben Engeln gefahren. Sicher ist sie bald wieder fit...
Gudrun und der Megaexpress 5 von Corsica Ferries auf dem Weg nach ToulonDie 955i wollte die letzten Meter lieber mit dem ADAC Laster fahren. |
Mon Jun 05 01:38:20 CEST 2023 | Lewellyn
Sehr unterhaltsamer Bericht.
Wenn es einen Pokal für die umständlichste Anreise nach Sardinien gäbe, Du hättest ihn verdient.
Mon Jun 05 08:52:47 CEST 2023 | Brechreiz
Danke fürs Teilhaben lassen, TDI
Mon Jun 05 11:09:07 CEST 2023 | TDIBIKER
Für mich ist der eigentliche Reiz meiner Pfingsttour, wieder in's alte Land zu kommen, Familie und Freunde von damals zu sehen, an den alten Plätzen deutsche "Spezialitäten" zu essen (Currywurst Pommes weiss) . Nach Sardinien wollen mehr die deutschen Kumpels. Ich war jetzt schon 2 mal da...3 mal auf Korsika...ist immer toll, aber Deutschland toppt alles
Und die Strecken um den Rhein Weser Turm standen der SS 125 nicht viel nach.
Das sind Strecken vom Feinsten, kaum Verkehr, keine Blitzer und gar nicht so weit weg vom Ruhrgebiet.
Und da es dort nicht so dicht besiedelt ist, stört man auch fast niemanden mit dem Mopped. Die RT klappert auch mehr als sie röhrt, und richtig Drehzahl tue ich der alten Lady auch nicht an.
Was ist denn nun auf der Krombacher Dose?
Mon Jun 05 11:58:40 CEST 2023 | Lewellyn
Es ist der Kindelsbergturm. Gar nicht so weit weg vom Rhein-Weser-Turm, aber eben nicht der Rhein-Weser-Turm.
https://goo.gl/maps/YrT82cb1uBBfDKoi7
Die Strecke zum Rhein-Weser-Turm hoch ist schon kurventechnisch das Optimum des Sauerlands. Kehriger wirds nicht mehr.
Sardinien war ich noch nie und ich habe so den Verdacht, das wird auch in diesem Leben nichts mehr. Dieses Gehampel mit den Fähren...dafür ist auf dem Festland noch genug zum entdecken für mich übrig.
Albanien...sowas an Kurven bin ich vorher noch nie gefahren...da gibt´s noch viel zu entdecken.
Mon Jun 05 12:10:16 CEST 2023 | TDIBIKER
Danke Lew! Der Kindelsbergturm also...Sardinien ist sicher eine Reise wert, und eine Seefahrt hat ihren eigenen Reiz.
Das Problem ist nur, dass man mit den Ankunfts- und Abfahrtzeiten gebunden ist. Sonst fahren wir immer dem Blauen nach und lassen das Graue hinter uns. Mit dem Zelt ist man ja frei und ungebunden. Aber da hatten wir mal kurzzeitig die Situation, wo in GANZ Europa schönes Wetter war AUSSER auf Sardinien
Tue Jun 06 20:35:50 CEST 2023 | Tete86
Sehr schöner Bericht über ein paar Kumpels, die einen schönen und nicht langweiligen Roadtrip hatten - klasse!
Wed Jun 07 10:55:21 CEST 2023 | TDIBIKER
Danke Tete86!
Deine Antwort auf "Pfingsten auf Sardinien"