Fri Jun 09 18:44:58 CEST 2017 | TDIBIKER | Kommentare (6) | Stichworte: 1100, BMW Motorrad, R
2017. Diesmal habe ich Zeit für meine Pfingsttour. Es soll ein Revival werden, die Tour dort beginnen, wo alles begann, vor fast 40 Jahren: An Lippe und Ruhr. Und diesmal mit meiner wohlbeleibten Walküre Gudrun, die Eskort-RT der Republikanischen Garde Frankreichs, die auch schon 17 ist: Gerade im besten Alter. Sie macht auch viel her mit den breiten Chrombügeln, die beim Flanieren in der Sonne blinken wie eine Bordelltür.... Für die Anfahrt von meiner südwestfranzösischen Heimat nach NRW auf der Autobahn ist sie ja prima, bequemer geht es kaum. Leider steht danach aber Heizen auf letzter Rille auf Strassen 3ter Ordnung, Serpentinen, und die gefürchteten Geländeinlagen ohne Weg und Steg auf dem Programm. Und da ist die Gudrun ein klein wenig suboptimal...
.... um nicht zu sagen, ein Plastik gewordener Alptraum.
Am Sonntag vor Pfingsten geht ein langes Wochenende zur Neige, und die Verkehrsinfos melden in ganz Frankreich Verkehrschaos. Alle Departements rot, aber die gesamte Ile de France ist schwarz. Keine Chance durch Paris durchzukommen, selbst mit dem Mopped; unter anderem sind bis zu 34° im Schatten angesagt. Immerhin gilt das Sonntagsfahrverbot für LKWs. Ich fahre also über Brive und Clermont-Ferrand nach Luxemburg, und dann über Landstrasse Richtung Köln. Nach einiger Zeit, bei Dijon, wird die Hitze selbst auf der Autobahn kaum erträglich, die mit Autos, Wohnwagen und -mobilen fast verstopft ist. Die Ohrenstöpsel im Jethelm beginnen zu schmerzen, ich fahre mit offener Jacke und mir ist heisssssss. Ab Wasserbillig brauen sich dunkle Wolken zusammen, aber ich bringe es nicht über mich, anzuhalten und bei dieser Schwüle noch eine Regenjacke anzuziehen. Auf der B 51 geht es dann los: Eine regelrechte Wasserwand ergiesst sich über mich, die Strasse ist überflutet, mein Leder (trotz Fett + Wachsspray) ist in Sekunden durch bis auf die Haut, und rechts und links schlagen die Blitze ein: Ein echter Walkürenritt also. Bei Wermelskirchen muss ich tanken, ziehe zwei tropfende Zwannis aus dem Portemonnaie, was für Lachen und Beifall sorgt. Und dann bin ich da, im Ruhrgebiet, in meiner alten Heimat. Der KM-Zähler zeigt stolze 1305 Tageskilometer. Es geht also noch.
Die eigentliche Tour beginnt Donnerstag nachmittags. Mittlerweile ist das Leder wieder trocken und neu gefettet, die Sonne scheint, und mit einem alten Kumpel fahre ich zunächst an die Möhne, die erste Anlaufstätte für die meisten der damaligen Abenteuer auf zwei Rädern. An der Staumauer ist es zu voll, wir genehmigen uns den obligatorischen Mantateller im "Biker In" in Körbecke. Trotz unserer grauen Haare und Bärte gehen wir da noch als Jungspunde durch, viele der anwesenden Schwermoppedtreiber sind so weiss wie Johnny Winter...
Mantateller an der MöhneDas Möhne-Strandbad. Die Südsee der Ruhrbewohner.
Bei Marburg treffen wir uns mit 3 anderen Kameraden, wir feiern ein wenig, und am nächsten Morgen soll es zu viert durch die Mittelgebirge und über die Rheinschiene in den Schwarzwald gehen. Wir verabschieden uns liebevoll von unserer Gastgeberin, zwängen uns in Helm und Handschuhe und dann...springt die KTM nicht an. Na, prima, das geht schon gut los. Keinen Meter gefahren, und die erste Panne.
Nach dem Anschieben sagt das Biest immer noch keinen Mucks, und wir sind schweissgebadet. Nur Überbrücken hilft. Es kann nur das neue Navi sein, welches die Restladung der Uralt-Batterie leergesaugt hat Jedenfalls läuft sie jetzt, aber eine neue Batterie muss trotzdem her. Endlich geht es los, und wir wollen bei Lorch auf eine Rheinfähre. Dort steht schon ein einsamer KTM Fahrer mit einer kompletten Kameraausrüstung auf dem Mopped. Kaum erblickt er unsere 950er Adventure, gehen ihm die Schleusen der Beredsamkeit auf: Auf jetzt 47000 Km hätte er JEDE erdenkliche Panne an seiner 1190er Adventure gehabt, von den durchgerosteten Felgen bis zum kapitalen Motorschaden. Aber WENN sie führe, dann gäbe es nichts Besseres auf zwei Rädern... Ich schaue nachdenklich auf meine Gudrun. Die hatte auch schon die eine oder andere schwere OP hinter sich, auf ihren mittlerweile 112.000 Km. Das dritte Getriebe, die dritte Kupplung...1300 Km pro Tag sind aber immer noch drin. Ob sie dann beim Fahren mit einem grossen F mithalten kann, dort wo's drauf ankommt, wird sich zeigen...am Abend stossen wir im Schwarzwald zu 3 andern Kollegen, und wir verbringen die Nacht teils in einer Winzerhütte, teils in den Weinbergen unter Schloss Stauffenberg. Gudruns erste kleine Schotterfahrt durch die Weinberge klappt ohne Probleme...
Die berüchtigte Rheinschiene, hier in LorchAuf der FähreVier schnelle Jungs...Und jetzt sinds sieben..
Nach dem Packen führt uns unser Weg erneut über den Rhein in mein schönes Land, Frankreich. Wir wollen noch kurz die paar Klassiker fahren, Col de Bonhomme, Col de la Schlucht, den Ballon, bevor es in das frz. Jura geht. Bei Gérardmer zwingen uns drohende Wolken aber, die Vogesen abzukürzen und uns gleich nach Besançon zu orientieren. Und dann machen die Wolken die Drohung wahr! Wow, schon wieder so ein Guss wie auf der B 51! Wir finden Zuflucht in einem Bio-Laden, dessen Parkplatz schon bald völlig überschwemmt ist. Und abends in Besançon in einem Hotel: Im Regen völlig durchnässt am Doubs zelten ist nicht wirklich der Bringer, zumal Championsleague-Endspiel ist.
Vom Schwarzwald ins ElsassDer hiesige Mantateller heisst Flammkuechle und schmeckt mit einem Gewürztraminer einfach grandios in der Auberge du Brochet.Na, wenigstens sind die Fliegen ab...Salins les Bains
Einer meiner Kumpels verliebt sich ganz närrisch in die Gudrun, macht kleine Scherze mit ihr, wie z.B. den Gasgriff auf Vollgas festdrehen, so dass sie gleich beim Starten in den roten Bereich dreht, und ähnlichen Schabernak. Es ist wahr, sie hat so etwas barockes...Und dann, als ich sie abbocken will, entdeckt er den neckischen Alu-Hebel, der ihr zu gerade diesem Zweck dient. "Hey, guckt mal, Jungs, der Griff zum Wegschmeissen!!" Finde ich jetzt nicht mehr komisch, und muss ihm auf die Füsse treten, wonach wir uns wieder bestens verstehen. In St-Claude ist gerade Trachtenfest, und anschliessend sehen wir Menschen über einen See fliegen: An einem Kabel mit Rollschlitten hängend. Das wär nix für mich. Bin ja nicht der Leichteste, nachher hängt das Kabel durch und ich geh' auf Tauchstation
Kleine Tanzeinlagenette Pause, aber nicht unbedingt zum Tauchen
Dann fahre ich vor, und lotse die Truppe ins Vercors, über Seyssel. Dort genehmigen wir uns ein paar Schnäpse, plauschen mit den Einheimischen, und los geht es zu Gudruns erster Geländeeinlage. Nach einem Kilometer schweren Schotter geht es eine Böschung runter in die Rhône-Aue. Soweit kein Problem, Gudrun kommt auch diesmal über Stock und Stein...
der knieende KartenleserNEIN, das ist NICHT der "Col de la bitch" :)Pastis und Rhum in Seyssel.Und ab in die Pampa - das Schwemmland der Rhöne
Nach einem Jahr, in dem wir uns kaum gesehen haben, wird aus uns Individuen wieder eine feste Truppe, die gleich schnell im Tiefflug durch die Kurven schnetzelt, wie Perlen an der Schnur. Auch die Lagerroutine spielt sich ein: Im Fluss waschen, Zelt auf- und abbauen. Holz holen, Feuer machen, morgens Kaffe kochen.
LagerlebenDie Klippen des VercorsMein Heim, mein Pferd...
Am nächsten Tag steht Rencurel auf dem Programm, manche aus dem Forum hier waren schon im Hotel "Le Marronnier". Die Auffahrt mit dem Felstunnel ist wirklich spektakulär, und wird mit ordentlich Gas bewältigt. Leider ist die Strasse so schmal, dass die breite Gudrun kaum neben ein Auto passt. Als dann auch noch Holzbarrieren die Strasse weiter verschmälern, und ein Geländewagen entgegen kommt, denke ich mir: "Das passt nicht " und gehe in die Eisen. Mein Hintermann sieht das anders und ist durch die Bremsung überrascht: Die Einscheiben-Bremse seiner auf 1000 ccm gebrachten R 80 ST ist überfordert und biegt einen Blinker an Gudruns Hinterteil. Mehr Angst als Schaden.
Mittach :)Schotter...Schotter wo man hinfährt...
In "Le Marronnier" sehen die Moppeds anders aus als unsere. Sauberer, teurer, neuer. Wir trinken nur schnell ein Bier und ballern nach Süden. Auf dem perfekten Asphalt geht es schon sehr schnell zur Sache. Da will die 955er Tiger nicht mehr mitspielen und geht einfach aus...zum Glück haben die findigen Jungs gleich nebenan eine Wiese am Fluss gefunden, und unsere Maschinenbauer rupfen den Hobel in 0.Nix auseinander. Gleich sind die Quetschverbinder des Ladekabels als Übeltäter identifiziert. Einer flitzt los und besorgt Lüsterklemmen, die Kabel werden verspleisst und isoliert, eine Probefahrt gemacht...da geht sie schon wieder aus. Aha: der Vorbesitzer hat aus unerfindlichen Gründen eine 30 A Sicherung eingebaut. Die Kontaktstelle wird heiss und der Widerstand zu gross - schnell ist die Sicherung überbrückt und alles wieder OK. Jetzt fahren wir auf nasser Wiese zum Fluss runter. Soll ich das ABS ausschalten? Ach Quatsch, es wird schon...gute Entscheidung, da regelt nix. Nasse Böschung und Wiese am Hang geht also auch, mit der üppigen Gudrun. Schon bald stehen die Zelte, aus Schwemmholz ist ein Feuer gemacht, und die Nacht nimmt ihren Lauf...plötzlich brummt ein Motor, und ein uralter C 35 mit Anhänger rumpelt auf "unsere" Wiese. Der Besitzer etwa? Nein, es ist Greg, ein moderner Nomade, der mit seinem Hund von den Kaninchen in seinem Anhänger lebt, Brot backt und Salbei raucht...wir teilen unseren Wein mit seinem Ziegenkäse, und haben einen vergnügten Abend. Am Morgen regnet es dann wieder auf die Zelte, und wir müssen nass einpacken.
TriumphpauseEin netter Platz am FlussAbendstimmungHardy & Laurel...
Die Wetterapp sagt, es kann nur noch besser werden, und wirklich wird es richtig schön auf dem Weg in den Süden. Wir haben den Mont Ventoux auf dem Schirm. Herrliches Fahren, tolle Kurven, von den Schluchten des Vercors, wo die Geier über uns kreisen, zum Mont Ventoux.
gudrun-crosst-2Im Vercors kann einem schwindlig werdenUnter GeiernDer windigste Aussichtspunkt Europas
Leider schaffen wir es nicht mehr in die Gorges du Verdon, es ist trotz der Sonne kalt und windig, und wir trinken Pastis und Rhum, essen eine Pizza vom Holzfeuer und suchen uns einen Lagerplatz. Der hat es in sich: Das ist jetzt schon mehr Trial-Gelände. Während die Roadsters und Reiseenduros mit ihrer grösseren Bodenfreiheit über die Lehmhaufen kommen, bleibt Gudrun mit ihrer Motorverkleidung gerade im Scheitelpunkt einer Kuppe hängen. Ich muss absteigen, sie kommt aus den Federn, und wir können sie über die Kuppe schieben. Danach wieder zelten, Feuerchen, trinken, singen, etcetera pp. Jetzt kommt Gudrun ( und ihr Reiter) so langsam an ihre Grenzen. Morgens kommt sie zwar mit etwas Anlauf über die Kuppe, aber jetzt steht Briançon auf dem Programm. Sie ist prima zum Flanieren, bügelt alle Teerflecken auf der Landstrasse glatt, muss selbst auf Schotter nicht die Hufe strecken, aber crossen, das geht beim besten Willen nicht. Und letzte Rille kann sie zwar, es ist aber sehr anstrengend. Auf dem Izoar, bei 2300 Metern, tun mir schon sehr die Schultern weh. Die 330 Kg mit Gepäck sind nur mit Kraft zu bändigen und "hangig off" ist nur sehr bedingt möglich, wenn man in Gudruns Sessel sitzt. Selbst ohne Schräglage hat der Hauptständer auf einer Bodenwelle aufgesetzt, und sich in Linkskurven mehrmals tief in den Asphalt gebort.
Nach einer schönen, aber kalten Nacht in Briançon (es hat gefroren) verabschiede ich mich von meinen Kumpels. Sie wollen über den Galibier nach Norden, ich über den Lautaret nach Westen...und jetzt spielt Gudrun ihre eigentlichen Stärken aus: Auf nicht ganz so letzter Rille und nicht ganz so schmalen Pässen geht es einfach zügig durch die Kälte. Die Heizung an, der Tank voll, überholen eine Formalität! Zupp bin ich in Grenobel, zapp, in Annonay, dann im Zentralmassif...650 KM nur kurvige Landstrasse in zehn Stunden, das kann so schnell keine andere. Zumindest nicht so, dass ich nachher noch von allein absteigen kann
Geländeübung. Hätt ich doch die XLR dabei...Unten ist sie ja, die Gudrun. Leider muss sie auch wieder rauf...Unsere Strecke, zwischen Sisteron und Briançondie Auffahrt zum IzoarAm Refuge NapoleonHätte nicht gedacht, dass das Fahren mit Gudrun auf Schotter und im leichten Gelände so viel Spass macht. Ein Alptraum ist es jedenfalls nicht...Gerubbeltes Plastik und abgefeilter Ständer. Sorry, Gudrun..
Viele meiner Kumpels sind im Laufe der Zeit von Roadstern (Z Kawas, XSs, etc) auf Reiseenduros umgestiegen. Ein paar Zs sind noch übrig. Die Reiseenduros passen auch eigentlich am Besten zu dem, was wir machen. Aber, braucht man immer das richtige Werkzeug? Soll es immer dasselbe Mopped sein? Also, GS??
Das ist wie mit den Harleys. Vielleicht eines Tages...vielleicht an Sankt Nimmerlein Es geht auch so, es geht auch anders...natürlich ist Gudrun viel zu schwer, viel zu breit, viel zu tief, viel zu lang übersetzt für echtes Gelände, und dazu auch nicht entsprechend bereift. Aber echtes Gelände ist ja nur manchmal morgens und manchmal abends. Und der Rest des Tages ist prima mit meiner Walküre. Sie ist nämlich erstaunlicherweise recht handlich, hat einen akzeptablen Wendekreis, und dank der bequemen Sitzhaltung kann man viele Stunden flott im Gebirge (auch auf Nebenstrecken ohne oder mit sehr schlechtem Aspalt) fahren ohne zu verkrampfen. 21.000 Km hat sie mich jetzt schon getragen... |
Fri Jun 09 22:00:04 CEST 2017 | Trackback
Kommentiert auf: Biker-Treff:
OT bei den Mädels am Feuer - Gentlemen welcome!
[...] die letzten Tage, Mädels nicht so sehr
Edith: Hi Francis, ich war schon fleissig und habs aufgeschrieben, bevor ichs vergess:
https://www.motor-talk.de/.../...reck-gudrun-auf-abwegen-t6056736.html
Das ist ja ein ganzer Roman sehrschön Dokumentiert und mit kleinen feinen [...]
Artikel lesen ...
Fri Jun 09 23:37:15 CEST 2017 | ka-ruffi
Schöner Bericht, klingt als hättet Ihr reichlich Spaß gehabt.
Sat Jun 10 02:59:56 CEST 2017 | Lewellyn
Das nenn ich ne Tour.
Einige Fotos und Orte kommen mir sehr bekannt vor.
(1200 mal aufgerufen)
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Sat Jun 10 09:38:55 CEST 2017 | Lewellyn
Mit einer 1300er PanE wär das eher schwieriger geworden.
Sat Jun 10 10:17:05 CEST 2017 | TDIBIKER
Ja, Spass macht es jedes mal. Ist mein Highlight des Jahres. Auch wenn die Nächte im Zelt immer schwieriger werden,
besonders auf Plätzen, die nicht gerade zum Zelten gemacht sind. Man verwildert sehr schnell, riecht nach Rauch, isst mit dem Messer, und manchmal wird gar noch mit den Kumpels gerauft...daher kommt dann auch das Testosteron, das Gas noch einen Moment länger stehen zu lassen. Ich bin aber ehrlich gesagt auch wieder ganz froh, wieder in meinem Bett zu schlafen, eine warme Dusche zu haben, und richtig guten Filterkaffee zu schlürfen, anstatt Prüttkaffee mit Mineralwasser auf dem Camping-Kocher...
Klar kennst Du die Gegenden, Lew, ich habe mich für die diesjährige Tour ja weitgehend von Dir inspirieren lassen
Sat Jun 10 10:23:15 CEST 2017 | TDIBIKER
Wenn ich die Anfahrt nicht mitzähle, hat mich eine Woche Moppedfahren 300 Euro gekostet. Im wesentlichen Alkohol und Benzin
Deine Antwort auf "Von den Champs Elysée in den Dreck...Gudrun auf Abwegen."