Mon Jun 22 18:17:24 CEST 2015 | tomato | Kommentare (5)
Aufgrund der Neueröffnung eines Lotus-Händlers in meiner Nähe hatte ich ganz überraschend die Gelegenheit, zwei Modelle von Lotus zu fahren. Meine Kamera hatte ich übrigens mal wieder nicht dabei und ein Smartphone habe ich auch nicht, so dass ich leider nur verlinkte Bilder aus´m Netz beisteuern kann. Ich hatte auch gar nicht damit gerechnet, dass die Probefahrten möglich sein würden.
Den Anfang machte der Lotus Exige S V6, der sozusagen als Endstufe der Elise-/Exige-Baureihe fungiert. Mit einem Gewicht von knapp 1.200kg sprengt er die Konventionen der bisherigen Baureihe ganz dreist mal um ca. 250kg und ruft damit auch - zugegeben - zunächst mal eine gehörige Portion Skepsis hervor.
Aber erstmal ist Reinklettern angesagt und da gibt er sich mit der normalen Elise nicht viel. Der Holm, der überwunden werden muss, ist unverändert breit und gibt sich gar nicht erst Mühe, es dem Piloten leicht zu machen. Hat man aber erstmal seine Gräten sortiert, sitzt man ausgesprochen gut hinterm Lenkrad. Der Blick schweift über die beiden Buckel, die rechts und links aus den Scheinwerfern herauszuwachsen scheinen und die Schnauze auf beiden Seiten optisch deutlich begrenzen. Durch die Außenspiegel sieht man das, was den Exige S V6 von der normalen Elise deutlich unterscheidet, das Heck. Hier ist er deutlich breiter, wie ohnehin der ganze Wagen ab der Mitte deutlich stämmiger als die Elise daherkommt. Überblick nach hinten? Naja, Schwamm drüber, sagen wir mal, es geht so. Aber wie lautet schon die first rule of italien driving? Jaja, ich weiß, es ist ein Engländer, aber das Video ist witzig.
Motor an, der V6 bellt seine Umgebung und die Insassen kurz an und fällt dann in einen ruhigen Leerlauf. Kupplung und Schaltung bedienen sich leichtgängig und präzise, das Losfahren gestaltet sich ausgesprochen problemlos, ja fast schon unspektakulär. Der Motor, es handelt sich dabei um einen 3.5ltr V6 von Toyota mit Kompressoraufladung, spricht direkt und verzögerungsfrei auf´s Gas an und beweist damit wieder einmal, dass der Kompressor die meiner Meinung nach einfach bessere Aufladung für solche Fahrzeuge ist (wenn´s denn Aufladung sein muss). Mit "solche Fahrzeuge" meine ich übrigens kleine leichte Sportwagen, die mit möglichst spontaner Reaktion auf jegliche Fahrerkommandos reagieren sollten und dies aufgrund ihres geringen Gewichts potentiell auch verlässlich tun. Scheucht man ihn durchs Drehzahlband, gefällt die sehr lineare Kraftentfaltung. Ohne Durchhänger dreht er bei Bedarf (oder auch mal aus versehen ) in den Begrenzer und schiebt dabei die Fuhre mächtig an. Auch unterum steht jederzeit genügend Schmackes zur Verfügung. Die Werksangabe von 4.0Sek für den Standardsprint erscheint überaus glaubhaft. Die Höchstleistung von 350PS liegt bei 7.000U/min an und das maximale Drehmoment von 400NM stemmt er bei 4.500U/min. Der Klang ist dabei V6-typisch fauchend, den Kompressor vernimmt man dabei nur am Rande.
Die Schaltung ist präzise und leichtgängig, lediglich der sechste Gang liegt irgendwie eigenartigerweise ein bisschen weiter links, als man vermuten würde. Rein gefühlsmäßig ist es so, als wenn man vom fünften Gang aus den Hebel nicht direkt nach unten zieht, sondern nach schräg links unten. Auch die Schaltwege sind etwas länger, als ich das vom Caterham oder vom MX-5 gewohnt bin, aber das ist nun wirklich Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Die servofreie Lenkung ist direkt und bietet viel Feedback, so wie bei jeder Elise auch, sie kam mir allerdings ein klein wenig schwergängiger als in der Elise vor. Was angesichts der 250kg Mehrgewicht und einer breiteren Bereifung auch kein Wunder ist.
In einer zügig angegangenen und sehr neutral durchfahrenen Serpentine erinnerte mich kurvenausgangs die Traktionskontrolle daran, dass es sie gibt. Anschließend erwies sich dann eher das Verkehrsaufkommen als bremsender Faktor. Der Fahrkomfort ist als solcher tatsächlich ausgeprägt vorhanden, ein Phänomen, welches bei leichten Fahrzeugen oft anzutreffen ist. Aufgrund der geringen Masse, kann man sich eine relativ weiche (Betonung liegt auf "relativ") Federung auch ohne Einbußen im Handling leisten. Wer jetzt eine komfortable Hollywoodschaukel erwartet, wird allerdings enttäuscht werden.
Hatte ich Spaß? Oh ja, sehr viel sogar. Würde ich meinen Caterham dagegen tauschen? Niemals, aber eine sehr nette Ergänzung für die alltäglicheren Situationen wäre er schon (entsprechende Liquidität vorausgesetzt). Sonst noch was? Ja, der erste Gang war überraschend kurz übersetzt und das Aussteigen gestaltet sich - oh Wunder - genau so kompliziert wie das Einsteigen.
Als nächstes war dann die Elise SC als Sondermodell Elise 20 (20 Jahre Lotus Elise) an der Reihe. Angetrieben vom bekannten 220PS starken 1.8ltr Vierzylinder von Toyota mit Kompressoraufladung beschleunigt er in flotten 4,6Sek auf Landstraßentempo und soll 237Km/h erreichen, was ich selbstverständlich nicht ausprobiert habe. So ein Auto fährt man nicht auf der Autobahn, wenn man schöne kurvige Landstraßen zur Verfügung hat und selbst dann würde mich die Vmax nicht interessieren.
Einsteigen und Blick nach vorne war im wesentlichen das gleiche wie beim Exige. Das schmalere Heck erleichtert allerdings den Blick durch die Außenspiegel, aber so schlimm war das jetzt auch nicht und somit eher sekundär.
Nach kurzen Irritationen wegen der Wegfahrsperre (peinlich ) konnte es dann auch losgehen. Dass die Basis die gleiche ist, merkt man recht schnell, auch wenn die Elise (als Sondermodell 20) mit ca. 920kg (Werksangabe) sogar gute 250kg leichter ist. Das Mindergewicht merkt man allerdings auch recht deutlich, ebenso wie den kürzeren Radstand. Die Agilität um die Hochachse ist nochmal etwas besser als beim Exige.
Die Lenkung (ebenfalls ohne Servounterstützung) ist leichtgängiger als beim Exige, fühlt sich davon abgesehen aber mehr oder weniger genau so an. Für die Schaltung gilt im wesentlichen das gleiche.
Da ich mit beiden Autos die gleiche Strecke fuhr, kam auch bei der Elise an gleicher Stelle die Traktionskontrolle ins Spiel. In einer anderen engen Kurve deutete sich mit Reifenquitschen ein ganz leichtes Untersteuern an, was aber undramatisch war. Insgesamt lenkte die Elise gefühlt sogar noch ein winzig kleines bisschen williger ein (Gewicht, Radstand und so... ).
Der Motor schiebt, genau wie der Kompressor-V6 des Exige, über das gesamte Drehzahlband gleichmäßig und verzögerungsfrei an, klingt dabei aber leider nicht so sexy und die Vehemenz der Beschleunigung ist selbstverständlich auch deutlich gedämpft im direkten Vergleich. Lahm ist die Elise aber nun wirklich nicht. Man ist immer noch klar schneller, als das Gros der Autos im Straßenverkehr.
Auch die Elise hat insgesamt sehr viel Spaß gemacht, erzeugt aber unterm Strich bei mir weniger "Haben-wollen-Reflex". Da wirkte die umgebaute Elise mit dem Honda-Saugmotor (200PS und ca. 800kg Leergewicht) eines Kumpels von mir doch spannender und spaßiger. |
Sat Jun 27 21:46:36 CEST 2015 | bermuda.06
Danke für den tollen Fahrbericht. Über diese Autos liest man ja eher selten etwas und wenn dann noch jemand einen Direktvergleich anstellen kann ist das spitze.
Mir würde es schwerfallen, mich für einen der beiden zu entscheiden. Der Elise ist leichter und langsamer und der Exige ist deutlich schwerer aber auch noch stärker auf den Track optimiert.
Was beim Lotus echt brutal ist, das ein und aussteigen. Selbst als tief fliegender Roadsterfahrer mit Mitte 20 hatte da so meine Probleme. Man ist in das Auto hereingefallen und rausgekrabbelt. Die zweitgrößte Herausforderung neben der Beherrschung des Fahrzeuges ist: "Wie steige ich aus dem Wagen aus ohne dass es peinlich wird" ;-)
Fri Aug 14 23:46:07 CEST 2015 | Trackback
Kommentiert auf: Audi R8:
R8 V10 plus oder 991 GT3 ?
[...] Zitat:
@INgolaner schrieb am 14. August 2015 um 23:07:25 Uhr:
Der 350PS in der Exige ist sehr sehr geil!
Kann ich bestätigen. Das wäre auch noch eine geile Alternative, wobei ich den Caterham eindeutig [...]
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Thu Dec 14 21:22:28 CET 2017 | Trackback
Kommentiert auf: Allgemeine Kaufberatung:
Was will ich, was brauche ich?
[...] Alltagsfahrzeug nutzen.
Ansonsten ist das eine saugeile Kiste mit jeder Menge Fahrdynamik und Agilität und auch sehr viel Spaß.
Ich hatte in meinem Blog mal ein paar Fahreindrücke davon zu "Papier" gegeben.
[...]
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