• Online: 3.313

wollvo22

Belangloses von unserem perlblauen Babybenz und silbernen S203.

Thu Jul 13 16:19:12 CEST 2017    |    wollvo22    |    Kommentare (16)    |   Stichworte: 190, 190er, Babybenz, erstes Auto, M102, Mercedes, Mercedes-Benz, W201, Youngtimer

Der soll's sein.
Der soll's sein.

Irgendwann 1990

 

Meine Eltern erzählen mir gern die Geschichte, dass ich schon als kleiner Junge von 3 Jahren zusammen mit meinen Vater durch die Straßen gegangen bin und mir Autos angesehen habe. Auf Augenhöhe lagen für mich die Radzierblenden und Kühler der parkenden Autos mit den Logos der verschiedenen Hersteller.

Es war irgendwann 1990. Meine Heimatstadt liegt am Rande des Ostharzes. Neben Trabant, Wartburg und einiger weniger PKWs russischer oder tschechischer Bauart war bis vor einigen Monaten die Vielfalt auf den Straßen der DDR ziemlich überschaubar. Ein Trabbi dürfte auch ich allein am Klang erkannt haben. Mein Opa fuhr zu dieser Zeit einen Wartburg und mein Vater hatte einen giftgrünen mit reichlich Chrom verzierten Lada Niva. Dank Westverwandschaft befanden sich in meinen Spiezeugautobesitz einige Porsche 911 und Mercedes.

 

1990 machten es die großen politischen Umbrüche möglich, dass ich als Steppke, der mit dem Vater durch die Straßen spaziert, all die für uns beide neuen Fahrzeuge kennenlernen konnte, die stets mehr wurden und die Trabbis und co. verdrängten.

Die mich begleitende Personen habe ich zu dieser Zeit der Erzählung meiner Eltern nach stets nach dem Namen des Autos gefragt und beim nächsten Spaziergang konnte ich die Hersteller, der vor mir stehenden Fahrzeuge, anhand ihrer Logos auf den Radzierblenden benennen.

 

Car-Nerd

 

Damit bin ich wohl das geworden, was man heutzutage einen Car-Nerd nennt.

Meine Sammlung an Siku Autos wurde mit jedem Jahr größer. Ich mag diese bis heute, weil auf der Unterseite die wichtigsten technischen Daten wie Hubraum, Zylinder, Leistung und Höchstgeschwindigkeit vermerkt sind - wie ein Autoquartett, nur hat man statt der Karten eine kleines Modell des entsprechenden Fahrzeugs in der Hand.

 

Über die Jahre bin ich auf dem Schoß meines Opas über Waldwege gefahren, habe mir Autozeitschriften gekauft und war für jede Fahrt als Mitfahrer zu haben. Dann kam die erste große Tour mit meinem Vater 1998 auf der Autobahn quer durch Deutschland, die Verwanden im Ruhrpot besuchen. Ich saß auf dem Beifahrersitz unseres neuen Skoda Felicia Kombi - ebenfalls in giftgrün, diesmal Metallic, Facelift Modell, 1.3 Liter Saugrohreinspritzung und 68 PS. Definitiv kein Kandidat für die linke Spur.

Mein Vater fährt das Teil bis heute, kaum 70.000 km runter, aber Rost an jedem Ratlauf, trotz Garagenstellplatz. Es war auch das erste Auto nach dem gelben Audi A3 Fahrschulwagen, welches ich im öffentlichen Straßenverkehr gefahren bin. Kurz nach dem Führerscheinerwerb mit Anhänger und Rasenmäher darauf hoch in den Harz. Harte Tour, aber danach durfte ich den Wagen ohne meinen Vater als Beifahrer bewegen.

 

Bis zum ersten eigenen Auto verging dann nochmal eine ganze Dekade, in der ich studiert und diverse Autos von Familienmitgliedern, Freunden und Mietwagenunternehmen gefahren bin. Zuletzt waren das bevorzugt Kleintransporter für einen Verein, der Festivals und andere soziokulturelle Projekte veranstaltet.

 

 

Januar 2015

 

Vor kurzem hatte ich jene Stadt verlassen, in der ich studiert und meine ersten Jahre als Teil der berufstätigen Bevölkerung verbracht habe und war in Weimar gelandet. Einer sehr schönen Stadt, in der man kein Auto braucht und - zumindest in der Innenstadt - auch nicht fahren will.

Trotzdem wollte ich jetzt eins. Die Gründe waren profan: Wochenende, Freunde, genervt von der Bahn und vom damaligen Job. Ich brauchte etwas zum Ausgleich und hatte in den vergangenen Jahren stets Geld beiseitegelegt, um auf die BAföG-Rückzahlung vorbereitet zu sein.

Ich lege mir ein Budget von maximal 4.000 EUR fest und begab mich auf die Suche. Nun ist es, dass werden viele hier nachvollziehen können, für jemanden, der quasi von Klein auf den Kästen mit Motor und vier Rädern verfallen ist, nicht einfach, das (!) Auto zu finden. Man kennt bereits so viele Modelle und mit jeder Recherche kommen neue Varianten dazu, die ebenfalls kaufenswert erscheinen.

Hinzu kommen ganz grundsätzliche Fragen: Welcher Zeitraum? Welcher Hersteller?, die sich dann immer weiter vertieften: Welche Motorisierung? Ist das Aggregat haltbar? etc.

 

Relativ früh stand für mich fest, dass es kein Auto der 90er oder 00er-Jahre sein sollte, das noch zuhauf auf den Straßen unterwegs ist und in der grauen Masse untergeht. Außerdem brauchte ich den Wagen nicht zum täglichen Pendeln und rechnete mit einer Laufleistung von maximal 8.000 km im Jahr.

Ein ehemaliger Kollege aus meinem Nebenjob während des Studiums hatte ein dunkelblaues W123 T-Modell. Das erschien mir damals schon ungemein attraktiv, war aber außerhalb des Budgets - wie viele andere Oldtimer auch.

 

Also ein Youngtimer. Passenderweise aus dem selben Baujahrzehnt wie ich. Volvo mag ich, aber ein 740 war einfach zu groß. Japaner waren schon damals so ziemlich das Zuverlässigste, was unterwegs war, doch da fehlt mir der Charakter. Irgendeine Oberklasse deutscher Produktion aus der Zeit wollte ich mir für unter 4.000 EUR aber auch nicht zulegen. Das roch mir zu stark nach den diversen "Cheap Car Challanges" von Top Gear und die sah ich mir lieber an, als dass ich sie selbst vor der Tür stehen haben wollte.

 

Also ein Youngtimer

 

Plötzlich ging es dann sehr schnell. Ich kam bei der Recherche auf den Mercedes W201 und BMW E30, als "Notvariante" vielleicht einen Audi 80. Jeden Abend war ich nun Dauergast auf Mobile und las mich auf Foren in die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Modelltypen ein.

Und fand einen W201. Perlblau, Baujahr 1992, in Mönchengladbach. Mein Bruder wohnte zu dieser Zeit mit seiner Familie in Bonn. Ich machte ein Wochenende im Februar aus, rief beim Händler an und suchte parallel weiter. Der Audi 80 fiel raus und nach und nach suchte ich auch keine 3er mehr.

Ein 190er sollte es werden. Der von Bruno Sacco zeitlos gezeichnet wurde, in den USA den Spitznamen Babybenz bekam und den ich bestimmt - damals 1990 - anhand seiner Radzierblenden oder des Sterns auf der Haube bereits als Mercedes identifiziert habe. Neben dem Perlblauen hatte ich noch einen weiteren in der ebenfalls hübschen Farbe Impala Braun in der näheren Auswahl. Dieser war jedoch schnell verkauft.

 

Sofort verliebt

 

Kurze Zeit später stand ich also bei Zech Automobile in Mönchengladbach vor dem perlauen Babybenz, 2. Hand. Der Erstbesitzer dürfte eine Daimler-Mitarbeiter gewesen sein, denn der 190er lief erst ein Jahr auf ihn und dann auf einen Herrn im Großraum Köln. Stimmig zur Außenfarbe gab es Karopolster in Blau dazu ein Airbag-Lederlenkrad, elektrisches Schiebedach, den soliden M102 mit 122PS knapp 200.000 km und - ganz wichtig - rostfreie Wagenheberaufnahmen.

 

Ein kleiner Exkurs:

Auf der Internetseite des W 123 Clubs Hannover kann man für verschiedene Baureihen der 80er und 90er den eigenen Wagen nachkonfigurieren (www.w123-hannover.de/html/npr_startseite.html).

Zum Grundpreis meines im Oktober 1992 ausgelieferten W201 von 42.579,00 DM addierten sich Sonderausstattungen im Wert von gut 12.000 DM - u.a. heute kurios anmutende Positionen wie: "Außentemperaturanzeige" für 273,60 DM, "Kraftstoffbehälter mit größerem Inhalt (70l)" für 148,20 DM, "Getriebe mechn. 5-Gang" für 934,80 DM oder den "Airbag für Fahrer" für 1710,00 DM. Somit dürfte der Wagen damals etwa 55.000 DM gekostet haben (wenn man den Nachlass für Daimler-Mitarbeiter mal außer acht lässt).

 

Trotz aller Anstrengungen es nicht zu tun, hatte ich mich sofort in den Babybenz verliebt, meine Schwägerin und mein Bruder, die mich als neutrale Personen begleiten sollten, ebenso.

Okay, der Stern fehlte, aber den konnte man ersetzen und statt der schönen Benz-Automatik hat er das optionale 5-Gang Getriebe, bei dessen Entwicklung das Wort "präszise" wohl nicht im Lastenheft stand. Es gab eine kleine Roststelle am Schiebedach und ein paar Lackkratzer. Außerdem singt das Diff bis heute bei 120 - 130 km/h.

Egal! Er fuhr sich gut, die schleifenden Bremsen sollten noch ausgetauscht werden und die HU/AU gab es frisch dazu.

Matthias Zech erwies sich als außerordentlich sympathischer und informierter Händler. Ich kann ihm jeden (Mercedes-)Youngtimer-Interessierten nur ans Herz legen (www.meine-kfz.de/zech-auto/). Die Beurteilungen bei Mobile spiegeln diesen Eindruck sehr gut wider.

 

Viel Handlungsspielraum gab es beim Preis nicht. Der Benz lag voll im Budget, gab mir noch Reserven für zukünftige Reperaturen beziehungsweise die Umrüstung auf EURO 2. Er war in einem sehr guten Zustand und wie schon erwähnt - ich hatte mich ja eh schon verliebt.

Ich schlief eine Nacht drüber und lies mir dann den Kaufvertrag zuschicken. In den darauffolgenden Tagen schloss ich eine Kfz-Versicherung ab und besorgte mir Überführungskennzeichen. Zwei Wochen später stand ich wieder auf den Hof von Matthias Zech und nahm meinen Babybenz mit.

 

Daumen nach oben

 

Seitdem sind mehr als 20.000 weitere Kilometer auf den Walzenwerk des Kilometerzählers gekommen. Kurz nach dem Kauf habe ich mir einen Stern besorgt und somit die klassische Sicht eines Benzfahrers wiederhergestellt. Ich habe mich mit dem 5-Gang-Getriebe angefreundet und das elektrische Schiebedach ist meine Lieblingssonderausstattung.

Nachdem ich die alten Winterschlappen den Sommer und nachfolgenden Winter über runtergefahren hatte, folgten im nächsten Frühjahr ein Satz neuer Sommerreifen auf gebrauchten aber standesgemäßen 15-Loch Gullideckeln.

 

Mittlerweile wieder umgezogen, habe ich einen trockenen Tiefgaragenstellplatz gefunden und an Tankstellen werde ich regelmäßg angesprochen. Unterwegs grüßt man sich als 190er Fahrernder mit dem Daumen nach oben.

Und diese Geste fasst die letzten Monate ziemlich gut zusammen.

 

Wie sich der Benz im Alltag fährt, könnt ihr hier nachlesen:

https://www.motortests.de/auto/mercedes/w201/190er/2-0-e-ftId178352

 

Bilder von unterwegs gibt es regelmäßig auf Instagram:

wolle_unterwegs und #BlueBabyBenz

Hat Dir der Artikel gefallen? 7 von 7 fanden den Artikel lesenswert.

Thu Jul 13 20:57:30 CEST 2017    |    ausHaus

Schönes Exemplar :) genau den hab ich damals als original Matchbox von meiner Uroma aus dem Intershop bekommen. Sogar die Farbe passt, wenn ich mich recht erinnere.

Thu Jul 13 23:40:19 CEST 2017    |    wollvo22

@ausHaus

Danke. Ich hab einen 2.3 - 16 von Majorette, grau mit roter Innenausstattung.

Fri Jul 14 00:00:16 CEST 2017    |    Multimeter198

Bin diese Fahrzeug vor 25 Jahren gefahren. Insgesamt 200.000 km damit. Einmal 1.8, einmal 2.0 und einmal 2,3 Liter. Äußerst zuverlässige Wagen. Leider zwei dicke Nachteile: 1.) Crashtest 2.) Treibstoffverbrauch. Ob ein 30 Jahre alter Airbag, falls vorhanden, noch intakt ist? Wünsche dir, dass du diese Antwort nie erfahren wirst. Gute Fahrt.

 

Crashtest: Auch den Nachfolger W202 zermöbelte es übelst...

https://www.youtube.com/watch?v=6nXYES5MW88

Fri Jul 14 00:12:20 CEST 2017    |    wollvo22

@Erstattungsfrist

Das hoffe ich auch! Zur letzten HU/AU musste der Airbag überholt werden. Trotzdem hält ein W201 heutigen Standarts natürlich in keinster Weise stand, ebenso wie ein W126. Auch eine Entwicklung den SUV-Booms. Schließlich muss ein Fiat 500 oder VW Polo genug Schutz bieten, wenn er in einen Unfall mit einem Q7 oder ähnlichen Geschossen gerät. :/ Was den Verbrauch angeht bin ich im Schnitt bei 8 l/100km; was i.O. geht, da ich den Wagen nicht alltäglich nutzen muss.

Fri Jul 14 08:07:39 CEST 2017    |    el lucero orgulloso

Nette Story, cooles Auto!

So ein 190er kann halt irgendwie auch nur Spaß machen - egal mit welchem Motor und welcher Ausstattung. Kann ich sehr gut nachvollziehen. ;)

Ich wünsche dir noch viele sorgenfreie Kilometer. :)

Fri Jul 14 08:15:06 CEST 2017    |    Turboschlumpf6

Viele jüngere Leute stehen heutzutage auf solche Autos.

 

Viel Spaß damit!

Fri Jul 14 08:57:13 CEST 2017    |    Georgieboy58

Schöne Geschichte und super Auto, insbesondere die leckere blaue Stoffausstattung!

Fri Jul 14 11:03:05 CEST 2017    |    Kurvenräuber31725

Wow so teuer sind die inzwischen geworden?

 

Ich hatte einen in 2010 als Zweitwagen gekauft. Dunkelblau Metallic.

 

1.8 Automatik, Schiebedach, 198k km gelaufen, rostfrei für 1400 EUR.

 

Eines der schönsten Autos die ich je hatte... bis der Winter kam :-)

Fri Jul 14 13:58:13 CEST 2017    |    Turboschlumpf134260

Danke für den Artikel - Sehr schön geschrieben und ich erkenne mich in vielen passagen wieder - bei mir fing die Euphorie für alles mit mind. 2 Rädern und Motor erbbedingt auch sehr früh an. So ein Benz hat was, hätte ich mehr Platz und Zeit und andere Kleinigkeiten mehr, stünde mein Hof voll mit Youngtimern. Viel Spaß mit dem Wagen.

Hier in der Gegend sehe ich auch regelmäßig einen W124 Mopf 260E in derselben Farbe, schwarzes Leder, ESD, DIN Kennzeichen und älterer Fahrer, typische erst / zweit Hand Schnitte, Top gepflegt, da geht der Blick regelmäßig hinterher...

Fri Jul 14 21:30:55 CEST 2017    |    Daimler201

Toll - mein erstes Auto war (ist) ein W201 in genau dieser Farbe, allerdings ein 1987er ohne Sacco-Bretter.

 

Ich habe ihn heute noch.

 

MFG Sven

Fri Jul 14 22:18:54 CEST 2017    |    Turboschlumpf6

Ich habe noch nie einen Benz besessen und ich bin sehr glücklich damit.

Fri Jul 14 23:13:10 CEST 2017    |    Webman

@XG30_2000

Wen interessiert das? Absolut sinnfrei!

 

MfG

Webman

Sat Jul 15 00:01:26 CEST 2017    |    Turboschlumpf6

Ok. Dann lösche ich meinen Post.

Sat Jul 15 10:21:58 CEST 2017    |    Schattenparker48274

Dann bitte löschen und keinen Platz verschwenden!

 

Sehr nett geschriebener Blog :)

Und cooles Auto 8-)

Sat Jul 15 21:40:12 CEST 2017    |    DerAllgi

Alles richtig gemacht, tolles Auto. Hast sogar einen mit Airbag erwischt :)

Sun Jul 16 20:39:52 CEST 2017    |    Kahlgruender

Kann mich nur anschließen, hatte einen 85er auch mit dem 2.0 und 122 PS in Schwarz, schönes und zuverlässiges Auto dem ich heute noch nachtrauere.

Deine Antwort auf "#1 Rückblick: Das erste eigene Auto - warum 'n alten Benz?"