Supersportler, Traumwagen, technisches Kunstwerk: Der Lamborghini Aventador SV Roadster lässt sich schwer beschreiben. Deshalb haben wir zwei Texte geschrieben. Teil 1.
Berlin – 750 PS sind der beste Grund, kurz auf die innere Bremse zu treten. Wir brauchen einen Moment Abstand, um zu philosophieren. Sind Autos nicht viel mehr als Gebrauchsgegenstände? Sind sie nicht identitätsstiftende Wesen? Geschöpfe aus Blech mit mechanischen Seelen? Dabei bleiben sie oft undefiniert. Als Zwitter, die nach Einordnung suchen. Nach einer Aufgabe, irgendwo zwischen Klischee und Können. Andererseits: Der Titel „Superveloce“ (superschnell) beantwortet viele Fragen. Nach Sinn und Unsinn, Faszination und Funktion. Nur die rasendesten Lambos tragen das Kürzel „SV“. 70.000 Euro kostet es beim Aventador zusätzlich. Dafür spart Lamborghini Radio, Navi, Dämmung, Teppiche ein, in Summe 50 Kilo. Statt Komfort gibt es Kraft. 50 PS mehr als gewöhnlich, 750 PS insgesamt. Macht im Ergebnis: Zweikommaneun auf Hundert, Dreihundertfünfzig Spitze. Lamborghini Aventador SV Roadster: Ein Bürgersteig voller FansWeniger Gewicht, mehr Leistung, mehr Tempo auf der Rennstrecke. Wer wirklich richtig schnell fahren will, der interessiert sich nicht für Luxus. Es geht um Rückmeldung, Leichtigkeit, Spontaneität. Um das Erlebnis Geschwindigkeit. Italienische Kennzeichen und Papiere, ein 425.000-Euro-Auto und eine Auspuffanlage mit offenen Klappen – es war nur eine Frage der Zeit, bis ein Ordnungshüter Verdacht schöpfen würde. Aber der Mann mit Marke interessiert sich nicht für Bürokratie. Stattdessen: „Ist das wirklich ein echter SV? Einer von 500 Stück.“ Die Antwort des (nicht rasenden) Reporters: „Ja, ist es. Nein, wir haben die Buchstaben aufgemalt. Ja, ein Foto dürfen Sie gern knipsen. Danke, Ihnen auch!" Unser Lambo sorgt für mehr Anbandlungsgespräche als ein süßer Welpe im Park. Zwei Jungs in einem getunten Opel Corsa begleiten drei Stunden lang unsere Fahrt durch Berlin. Ein bärtiger Mann, Typ zwei Ex-Ehefrauen, empfiehlt uns, am Ku´damm auf Brautschau zu gehen. Seine aktuelle Freundin lächelt: „Ich würde einsteigen.“ Der erste offene Superveloce-LamboDabei sieht der Lambo brutal aus. Die radikale Optik, der betäubende Klang. Sein Heck gleicht einer Fratze, vier Endrohre kreischen und dröhnen bei hohen Drehzahlen, frotzeln und knallen beim Abtouren. Was dieses Auto so besonders macht, bemerken viele Angesichts dieses Schauspiels gar nicht. Der Aventador SV Roadster ist der erste Superveloce-Lambo ohne Dach. Bisher bauten die Sportwagen-Bauer nur geschlossene Autos zu SV-Modellen um, zuletzt das Aventador Coupé. Im Roadster lockern vier Hebel die beiden Dachhälften (Carbon, 12 Kilogramm). Die Teile rasten nach einer komplizierten Bewegungsabfolge im Raum unter der Fronthaube ein. In den Modi „Sport“ oder „Corsa“ (Rennstrecke) spannt sich das gesamte Auto wie Usain Bolt vor dem Sprint. Die Dämpfer verhärten, das automatisierte Siebenganggetriebe schlägt Gänge in fünf Hundertstelsekunden in die Gasse. Zwischen 3.000 und 8.500 Touren schiebt er den Superveloce mit unglaublicher Vehemenz vorwärts. Dabei bleibt er wundervoll direkt und perfekt zu dosieren. In der Stadt fühlt sich das so falsch an wie ein FKK-Strand am Hauptbahnhof. Deshalb programmieren ihm die Ingenieure Manieren in die Steuergeräte. Die machen aus dem Sprinter einen Jogger. Im Straßenmodus federt er noch straff, fängt aber viele Stöße und Unebenheiten auf. Das Auto rollt sogar passabel über Kopfsteinpflaster. Die Lenkung wird leichtgängig, der Motor dreht untertourig. Bei Teillast schaltet er eine Zylinderbank ab, an der Ampel den ganzen Motor. Sprit sparen für ganz Starke. In konkreten Fall: 16 Liter Super Plus laut Norm. Unrealistisch, uninteressant. Nicht die Lautstärke - der Klang! Im Fahrmodus „Strada“ (Straße) brüllt die Abgasanlage nur, wenn es die Motorsteuerung fordert. Sie fängt die Resonanzen des Zwölfzylinders ein, lässt ihn im Hintergrund arbeiten. Akustisch ist das der beste Modus des Aventador SV Roadster. Denn man hört die pure Mechanik des V12. Das Zischen, bevor sich die Auspuffklappen öffnen, das blecherne Röhren unter Last, die Reibung, das Heulen. Klang, kein Lärm. Spektakulär wird es in den scharfen Fahrmodi. Und dann ist da noch der Gedanke, was der Lambo alles könnte. Sein Fahrwerk, so fein ausbalanciert und voller Reserven. Seine Kraft, gewaltig und ausdauernd bis in die Achttausender Drehzahlen. Das Zusammenspiel von Reifen und Spoilern, die ihn fest an den Asphalt ziehen. Eigenschaften, die man ständig kosten will. Nur kurz, auf der Bahn, am liebsten offen. Auch wenn dann Insekten und Staub wie spitze Steine auf die Stirn fliegen. Sportler oder Poser? Spekulationsobjekt Innen ist es eng. Die Schalensitze schmiegen sich an die Hüften und Kreuz, nach oben gibt es kaum Raum. Mit 1,90 Metern Größe und ohne Rennfahrer-Proportionen stößt man sich den Kopf unwillkürlich, und fährt nach vorn gebeugt. Kein Lambo-Luxus, sondern Leere. Ein nackter Fußboden mit Matten aus Gummi, Verkleidungen aus Carbon, Alcantara-Bezüge und eine Blende anstelle eines Navigationssystems. Parkhilfen vermissen wir besonders. Einige Tasten im Cockpit stammen von Audi, andere sehen aus wie aus einem Kampfflugzeug. Die steuern ein paar Komfortfunktionen: Elektrische Fensterheber, Klimaanlage und eine Liftfunktion (zum Überfahren von Bremsschwellen) helfen ein bisschen. Das wird den meisten SV-Besitzern wohl egal sein. Die Autos sind Spekulationsobjekte. Lamborghini baut 600 Coupés und 500 Roadster. Sie kosten 389.356 bzw. 424.830 Euro – Alle Fahrzeuge seien ausverkauft, meldet der Vertrieb. Gebrauchte SV-Modelle kosten auf mobile.de durchschnittlich 600.000 Euro. Eine gute Rendite. Aber die falsche Aufgabe für diesen tollen Sportwagen. Weiterlesen in Teil 2: So funktioniert der Lamborghini Aventador SV Roadster. Lamborghini Aventador SV Roadster: Technische Daten
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