Laut der Umweltorganisation T&E und dem VCD sind die Abweichungen zwischen NEFZ- und Straßen-Verbrauch bei Mercedes am größten - und zum Teil "nicht erklärbar".
Berlin – Für gewöhnlich freuen Autohersteller sich über den Titel „Best in Class“. Mercedes ist jetzt sogar Bester aller Klassen – und freut sich kein bisschen. Der zweifelhafte Titel wurde nicht offiziell vergeben, doch die Umweltorganisation Transport & Environment (T&E) urteilt wenig werbewirksam: Mercedes sei am besten darin, bei offiziellen Verbrauchstests „Flexibilitäten“ auszunutzen. Die T&E hat gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) eine Untersuchung veröffentlicht, in der die Unterschiede beim Verbrauch zwischen Prüfstand und Alltag nach Herstellern aufgeschlüsselt werden. Demnach liegt Daimler in Kompakt-, Mittel- und Oberer Mittelklasse jeweils vorne. Also eigentlich: hinten. Im Schnitt würden A-Klasse, C-Klasse und E-Klasse im realen Betrieb 54 Prozent mehr verbrauchen und entsprechend mehr CO2 ausstoßen als bei der Messung nach NEFZ. Andere Hersteller stehen etwas besser da, wenn auch längst nicht gut. Quelle: Transport & Environment Abweichungen zwischen NEFZ und Straße bei 42 ProzentAudi, Smart, Volvo, Peugeot und Mini liegen zwischen 45 und knapp unter 50 Prozent über NEFZ, BMW, Toyota, Ford und Nissan kommen auf mehr als 40 Prozent. Am geringsten sind die Abweichungen bei Fiat mit immer noch 35 Prozent (siehe Tabelle rechts). Im Durchschnitt aller Hersteller liegen die Abweichungen bei 42 Prozent. Vor drei Jahren seien es noch 28 Prozent gewesen. Hauptgrund für die Diskrepanzen laut T&E: Das Ausnutzen von Schlupflöchern auf dem Prüfstand. Die der Untersuchung zugrundeliegenden Daten sind nicht neu. Die Umweltorganisation ICCT hatte sie bereits im November veröffentlicht. Allerdings, ohne Unterschiede zwischen den Herstellern auszuweisen. T&E hat die Daten nun entsprechend adaptiert. Das ICCT gab als Quellen für die Verbrauchsdaten unter anderem Verbrauchsportale wie spritmonitor.de an, Tests von Fachmagazinen wie „Autobild“ oder „Auto, Motor und Sport“, sowie Tankdaten von Leasingfirmen und Messungen von Autoclubs. Für den Vergleich der Einzelmodelle nach Klassen, wertete T&E nur Spritmonitor-Daten aus. Daimler: Daten des T&E-Reports nicht belastbarQuelle: Transport & Environment Laut Daimler sind die Daten insgesamt „nicht repräsentativ“ und ihre „Herkunft nicht nachvollziehbar“. Wissenschaftlich belastbare Aussagen seien daher nicht möglich, teilt das Unternehmen in einer Stellungnahme mit. Außerdem erklärt Daimler:
Zudem lässt Daimler wissen: „Unsere Fahrzeuge sind nach den einschlägigen Vorschriften zertifiziert und zugelassen“. Das zweifelt der Report von VCD und T&E an. Abweichungen von mehr als 50 Prozent seien "besonders alarmierend", lässt sich Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik beim VCD, zitieren. Und weiter:
T&E weist die "nicht erklärbaren" Abweichungen oberhalb von 50 Prozent explizit in rot aus. Sie seien nicht durch „Schlupflöcher“ bei der Testprozedur erklärbar (siehe Abbildung links). Alle anderen Hersteller blieben unter 50 Prozent. Wie genau T&E auf die 50 Prozent als Grenze der Erklärbarkeit kommt, bleibt unklar. WLTP soll Besserung bei Abweichungen bringenDas Grundproblem steht nicht in Frage: Jeder, der regelmäßig Auto fährt weiß, wie schwer die NEFZ-Angaben auf der Straße zu erreichen sind. Dass Real- und Prüfstandsverbrauch zu weit auseinanderfallen, räumt Daimler implizit ein. Das Unternehmen verweist auf den Testzyklus nach WLTP, der im kommenden September den NEFZ ersetzt. Er soll realistischere Verbrauchswerte liefern. Die Schadstoffmessungen nach RDE (Real World Driving) sollen Auskunft darüber geben, wie viel Schadstoffe tatsächlich im Straßenverkehr ausgestoßen werden. Daimler begrüße die Änderungen und unterstütze sie. T&E erwartet zunächst nur einen geringen Effekt. Für 2020 rechnet die Organsiation noch mit Abweichungen von 23 Prozent. Zum einen, weil die Testprozedur nach WLTP noch gewisse „Flexibilitäten“ ermögliche. Vor allem aber, weil sie ungeeignet sei, den Verbrauch von Plug-in-Hybriden zu ermitteln. Der Unterschied zwischen Prüfstand und Straße sei hier besonders groß. Abhilfe könnten nur zusätzliche "Real World Tests" bringen, resümiert T&E. Auch wenn der WLTP helfe: Nach dem aktuellen Messzyklus NEFZ würde die Diskrepanz im Jahr 2020 im Schnitt bei 49 Prozent liegen schätzt die Organisation. Den kompletten T&E-Report als pdf zum Download findet ihr hier. |