Der Spritspar-Golf bekommt einen großen Motor: Zum Facelift tauscht VW den Dreizylinder gegen einen 1,5-Liter-Mikro-Hybrid. Der Golf BlueMotion im Alltagstest.
Berlin – VW interpretiert das Thema BlueMotion neu: die sparsamste Variante des VW Golf verbraucht jetzt auf dem Papier mehr Sprit. 4,8 Liter pro 100 Kilometer stehen nach dem Facelift im Datenblatt, ein halber Liter mehr als davor. Verantwortlich sind ein neuer Motor und der alte Messzyklus. Bisher fuhr der Spritspar-Golf mit einem 1,0-Liter-Dreizylinder mit 115 PS. Jetzt bekommt er den modernsten Vierzylinder, den VW im Programm hat: Einen 1,5-Liter-Benziner mit 130 PS, VTG-Turbo und Miller-Zyklus. Details zu Technik und Funktionsweise des Antriebs lest Ihr in diesem Artikel. Der neue Motor bekommt Spritspar-Strategien, die im alten NEFZ-Zyklus keinen Vorteil bringen. Sie drücken aber den Verbrauch im neuen WLTP-Zyklus – und, sagt VW, auf der Straße. Das haben wir zwei Wochen lang im Alltag ausprobiert. Antrieb | Motor | Getriebe Klar, das kann jeder Mild- und Vollhybrid seit Jahren. Aber die brauchen dafür ein zweites Bordnetz mit höherer Spannung und einen Elektromotor. Der Golf erledigt das mit der normalen 12-Volt-Batterie und einem Ritzel-Anlasser. Registriert die Software eine Bewegung im Gaspedal, dreht der den Verbrenner wieder an. Das hört man während der Fahrt in den meisten Fällen recht deutlich. Als Zwitschern aus dem Motorraum, nicht so laut wie im Stand, aber stets wahrnehmbar. Immerhin startet der Motor flott genug. Beim Übergang von Segeln auf Last vergeht kaum mehr Zeit als beim Herunterschalten durch Kick-down. VW tut viel, um den Benziner sparsam zu machen. Der Brennvorgang nach Miller-Prinzip verringert die Abgastemperaturen. Das spart bei hoher Last Sprit. Ein Turbo mit variabler Turbinengeometrie sorgt für Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen. Die Zylinderabschaltung funktioniert bis zu einer Last von etwa 80 Newtonmetern. Wer vorausschauend fährt, verbraucht wenig. Langsam muss man dafür nicht unterwegs sein. Wir notieren glatt 8 Liter pro 100 Kilometer auf Kurzstrecken im Berliner Berufsverkehr bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Auf langen, flotten Autobahnetappen verbraucht der Golf BlueMotion etwa 7 Liter. Ruhige Landstraßen-Fahrten mit geringem Stadt-Anteil klappen mit dem Norm-Wert von 4,8 Litern. Eine positive Überraschung gab es beim Getriebe des Golf BlueMotion. VW baut das Siebengang-DSG mit zwei Trockenkupplungen (DQ200) ein. Das fiel in der Vergangenheit häufig durch schlechtes Benehmen und Komfortprobleme auf. In diesem Auto haben wir an der Abstimmung nichts auszusetzen: Flotte Gangwechsel, selbstbewusstes Anfahrverhalten, gut programmierte Übergänge und kein unsicheres Gang-Gewusel beim Kriechen. Geht doch! Fahrverhalten | Fahrwerk | LenkungZum Spritspar-Konzept gehören bei VW kleine Modifikationen an der Karosserie und ein Sportfahrwerk. Das gibt es serienmäßig im Golf BlueMotion. Er liegt eineinhalb Zentimeter tiefer und federt straffer als die Serienversion. Dies soll den vor allem Luftwiderstand verbessern, nervt im Alltag aber zum Teil mit unschöner Härte. Ein verstellbares Fahrwerk mit Komfort-Modus lässt sich aktuell nicht konfigurieren. Wohl fühlt sich der Golf auf glatter Straße, dort rollt er ohne Motorkraft leise und weit. Anfangs verschätzt man sich beim "Segeln" und geht zu spät vom Gas. Mit etwas Übung nutzt man den Schwung besser aus und gleitet mit abgeschaltetem Verbrenner still durch den Verkehr. An der Lenkung ändert VW nichts. Sie arbeitet weiterhin präzise, direkt und etwas zu leichtgängig. Assistenzsysteme | Sicherheit Bei anderen Assistenten ist der Golf auf dem Stand der Zeit. Gegen Aufpreis hält er Abstand und Spur, bremst automatisch und warnt beim Parken. Fährt der Vordermann an der Ampel los, startet der Motor automatisch. Schade: Das maskierende Fernlicht blickt nicht weit genug nach vorn. Bei unserer Testfahrt blendeten wir auf langen Geraden den Gegenverkehr. Auf kürzere Sicht arbeitet das System aber zuverlässig und schnell. Abmessungen | Platzangebot | KarosserieDer Golf bleibt ein Golf, unabhängig von Motor und Verbrauch. VW nutzt den Innenraum in allen Varianten gut aus. Sitzposition, Platzangebot und Ergonomie passen zu nahezu jedem Körperbau. Vor der Rückbank bleibt genug Platz für Mitreisende, das Kofferraumvolumen von 380 Litern lässt sich gut ausnutzen. Der Golf BlueMotion unterscheidet sich nur in Details von anderen Derivaten. Mit einem modifizierten Kühlergrill und einem kleinen Heckspoiler optimiert VW die Luftströmung. Eine blaue Zierlinie weist auf das Spritsparmodell hin. Andere Lampen wie bei den Elektro-Modellen gibt es nicht. Innenraum | Verarbeitung | Materialien Infotainment | Radio | KonnektivitätZum Facelift startete im Golf 7 eine neue Infotainment-Generation. Beim Top-Gerät mit 9,2-Zoll-Bildschirm verzichtet VW vollständig auf Tasten und Knöpfe und setzt auf Touch-Flächen plus Gesten- und Sprachsteuerung. Das große Navi steht für knapp 2.500 Euro in der Preisliste. Mit dem zwingend nötigen Zubehör kostet es 3.615 Euro. Im Stand arbeitet das System schnell, flüssig und klug. Während der Fahrt nervt es. Der Finger rutscht oft auf die falsche Fläche oder tippt komplett daneben. Wichtige Basisfunktionen wie die Anpassung der Lautstärke sind unnötig kompliziert. Per Fernbedienung am Lenkrad geht das besser, aber immer noch nicht gut. Manchmal ist ein altmodischer Drehregler eben die beste Lösung. Die Gestensteuerung ist überflüssig und mangelhaft umgesetzt. Besser lässt sich das System „Discover Media“ bedienen. Hier misst das Display nur 8 Zoll, aber es gibt zumindest zwei Drehregler. Zum Gerätepreis von rund 1.000 Euro kommen aber ebenfalls noch diverse verpflichtende Extras. Wer ein Navi konfiguriert, bezahlt mindestens 2.185 Euro für das Paket. Schlecht: Eine günstige Variante mit Navigation über ein Smartphone ist nicht einzeln verfügbar. VW erzwingt das fest eingebaute Navi. Ausstattung | Preis | Fazit Wer einen sparsamen Benziner sucht, könnte als Alternative zum VW-Mikro-Hybrid einen Vollhybrid in Betracht ziehen. Toyota verkauft den ähnlich großen Auris Hybrid mit 136 PS und CVT-Getriebe für 23.490 Euro. Der ist etwas langsamer, aber sparsamer. Ein Navigationssystem gibt es bei Toyota ab der Ausstattung „Comfort“ (25.740 Euro) für 790 Euro – ohne erzwungene Extras. VW setzt für Navigation das „Business Premium“-Paket voraus. Das umfasst zwar sinnvolle Funktionen wie Abstandstempomat, Fußgängererkennung und Scheinwerferreinigungsanlage – aber zum Beispiel auch Sportsitze mit Sitzheizung vorn und Massagefunktion für den Fahrer. Eine Aufpreispolitik, die VW dringend entschlacken sollte. Technische Daten VW Golf BlueMotion 1.5 TSI DSG
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