Ein Massenprodukt wird zum Klassiker: In diesem Jahr tragen die ersten VW Golf 2 das „H“ (für historisch) im Kennzeichen. Wir erinnern uns an drei Jahrzehnte 19E.
Quelle: VW / MOTOR-TALK, SilkenOne - istockphoto.com Berlin – Ich habe die Premiere des Golf 2 knapp verpasst. Im Oktober 1983 war ich nur ein Leuchten in den Augen meines Vaters – und der wohnte zu allem Überfluss im falschen Teil von Deutschland. Trotzdem verbindet mich bis heute viel mit dem wohl besten Golf aller Zeiten. Quelle: Volkswagen Denn kurz nach der Wiedervereinigung kauften meine Eltern einen kirschroten Golf 2. Einen mit vier Türen und 55 PS. Unser erstes West-Auto bedeutete für meine Familie ein großes Stück Freiheit: Der Golf fuhr uns quer durch die jüngst vereinte Republik, meine Eltern sogar nach Frankreich. Entfernungen, für die sein Vorgänger, ein luftgekühlter Duroplast-Bomber aus Zwickau, nicht gemacht war. VW Golf 2: Premiere auf der IAA 1983Vor 1990 war der Golf zumindest in meiner Heimat ein Exot. Er stand in Botschafts-Gegenden zwischen BMW E30 und Mercedes W201. „Drüben“ war er jedoch längst ein Erfolg. Nach fünf Millionen gebauten Golf 1 stellte VW 1983 die zweite Generation des Kompakten vor. Der übernahm viele Teile seines Vorgängers, wurde aber größer, besser, schneller und sicherer. Vor allem die Qualität sollte sich mit dem Modellwechsel verbessern, nachdem VW die erste Generation Golf mit mangelhafter Versiegelung in den fast sicheren Rost-Tod geschickt hatte. Die Produktion des Neuen lief weitestgehend automatisch. Einige Karosserieteile wurden geklebt, alle Hohlräume erhielten eine großzügige Wachsbehandlung. Noch heute läuft an heißen Tagen das zähflüssige Gold aus den Heckklappen und zeichnet zwei Linien auf das Abschlussblech. Gebaut für die EwigkeitDer gute Rostschutz, wartungsfreundliche Technik und sein unkompliziertes Fahrverhalten machten den Golf 2 zum Dauerläufer. Von 6,3 Millionen gebauten Fahrzeugen fahren heute noch mehr als 400.000 Stück – allein in Deutschland. Wer regelmäßig Öl und Verschleißteile tauscht, der hat lange Freude mit dem Auto. Selbst nach 30 Jahren und mehreren 100.000 Kilometern. Voraussetzung dafür ist die gute Ersatzteilversorgung. Dichtungen, Lager, Filter und Motorteile gibt es beim Hersteller und im Zubehör-Handel. Bisher sind nur einige Zier- und Karosserieteile ausverkauft. Manches legt die Wolfsburger Oldtimer-Abteilung VW Classic Parts neu auf. Mit Polo-, Golf-1- und Scirocco-MotorenIn acht Jahren Bauzeit wurde der Golf 2 zum Ideenträger und Testobjekt. Zu Beginn arbeiteten Brot-und-Butter-Motoren mit 45 bis 90 PS zwischen den vorderen Domen. Ein Jahr später startete der GTI mit 112 PS. Sein 1,8-Liter-Achtventiler glich seinem Vorgänger aus dem Golf 1: Konstruktionsbedingt verlegte VW den Ansaugtrakt auf die Beifahrerseite, der Ölkühler wich einem Öl-Kühlwasser-Wärmetauscher. Block, Kopf und Einspritzung übernahm der Golf 2 fast unverändert. Quelle: Volkswagen 1986 spendete der Scirocco seinen 16-Ventiler mit 139 PS. VW-Tuner Oettinger hatte bereits Zylinderköpfe mit Vierventiltechnik als Umrüstsatz für den Golf 1 GTI angeboten. Die gab es sogar in einer offiziellen Kleinserie in Frankreich („16S“). 1987 ergänzten die Wolfsburger einen GTI 16V mit geregeltem Katalysator. Der kostete zehn PS, dafür erhielt die Einspritzung eine elektronische Steuerung. VW Golf G60: Spirallader statt Turbo-LochDen wohl interessantesten Motor der Golf-2-Ära stellten die Wolfsburger aber erst 1989 vor. Turbolader gab es damals fast ausschließlich an Dieseln und Sportlern – das Ansprechverhalten war noch nicht alltagstauglich. VW umging dieses Problem mit dem Kompressor-ähnlichen G-Lader. Der riemengetriebene Verdichter verhalf schon 1985 dem Polo G40 zu 115 PS aus 1,3 Litern Hubraum. Im Golf 2 wurden es noch mehr: Auf Basis des späten Achtventil-GTI entstand der GTI G60 mit 160 PS. VW bezeichnete den Lader als wartungsfrei – und ruinierte damit seinen Ruf. Wie jeder aufgeladene Motor bedarf der G60 Pflege und Umsicht. Fans haben mittlerweile einen Leitfaden verfasst, der den korrekten Umgang beschreibt. Der G-Lader ist jedoch besser als sein Ruf. Er soll sogar haltbarer sein als seine Nachfolger, die Turbolader auf den 1,8T-Motoren. Als Ur-SUV, Elektro-Golf und Rallye-RennerIm Laufe der Golf-2-Produktion entstanden unzählige Sondermodelle und Editionen. Eins war besonders violett („Fire & Ice“, designt von Willy Bogner), eins besonders blau („Edition Blue“) und viele sehr amerikanisch („Pasadena“, „Manhattan“, „Memphis“). Erstmals entwickelte VW Karosserie-Derivate. Steyr-Daimler-Puch in Österreich fertigte ab 1990 den Golf Country – eine höhergelegte Version des allradgetriebenen Golf Syncro, leider mit mangelnder Rostvorsorge. Der SUV-Vorläufer kam lange vor dem Geländeoptik-Boom und scheiterte. Gleiches galt für den Golf City Stromer. Nur wenige Kunden bezahlten 50.000 DM für den 100 km/h schnellen Elektro-Golf mit Schaltgetriebe. 1989 sprach niemand von CO2-Zielen. Hinzu kam ein 400 Kilogramm schweres Blei-Akku-Paket im Heck und nur 70 Kilometer Reichweite – zu viele Kompromisse für ein Auto fast ohne Ausstattung. Schnell und selten: Golf 2 LimitedAuf der anderen Seite der Effizienz-Skala fuhr der Golf 2 erfolgreicher. 1989 adelten gleich zwei Modelle den braven Kompakten zum Sportler. Die Wolfsburger homologierten eine allradgetriebene Rallye-Version. Es entstanden 5.000 Exemplare mit breiter Karosserie und modifiziertem G60-Motor. Seinen Höhepunkt erlebte der Golf 2 dank des Haustuners VW Motorsport. Die Ingenieure kombinierten im Golf Limited einen 16-Ventil-Zylinderkopf mit dem G60-Lader und Allrad-Antrieb. Das Ergebnis: 210 PS, 252 Newtonmeter und 230 km/h Spitzengeschwindigkeit. VWM produzierte eine Kleinserie von 71 Exemplaren, jedes 68.200 DM teuer und eine Kampfansage an den Lancia Delta HF Integrale. Die Leistung erkannten nur Experten an feinen Details: Der vordere Stoßfänger stammte vom US-Jetta, der Kühlergrill trug einen Zierstreifen in Rivierablau. Alle Nachfolger fielen weit weniger dezent aus. Vom Allerweltsauto zum KlassikerQuelle: Volkswagen Die seltenen, starken und gut ausgestatteten Golf 2 sind schon längst im Wert gestiegen. Bald folgen die Basismodelle, denn besonders die Zweier der ersten Baujahre werden selten. Aus dem Verschleißgegenstand wird ein Klassiker, der früher oder später aus dem Straßenbild verschwindet. Viele sind verbastelt, noch mehr wurden schlicht benutzt – gehegt und gepflegt haben ihn die wenigsten. Ich habe mich vor neun Jahren in den Golf 2 verguckt. Schuld daran war nicht unser rotes Auto, sondern der Golf eines Kumpels. Mit ihm habe ich meine ersten Schrauber-Erfahrungen gesammelt. Seitdem fahre ich selbst einen Golf 2. Mittlerweile selten, aber mit einem klaren Ziel: In sechs Jahren soll er auch ein H-Kennzeichen bekommen. ProspekteHier findet Ihr originale Prospekte des Golf 2: Golf GTI 16V, GTI, GT; Golf GT; Datenblatt Golf GTI, GTI 16V
Quelle: MOTOR-TALK |