Dicke Backen, ein V6-Biturbo und feiner Sound: Mit dem neuen RS4 Avant erinnert Audi an den ersten. Aber der Kombi verliert Schärfe, denn er will allen gefallen.
Ingolstadt – Manchmal ist Downsizing gar nicht so schlimm. Zum Beispiel, wenn kleine Motoren zur Modellgeschichte gehören. Ja, der letzte Audi RS4 fuhr mit acht Zylindern und hohen Drehzahlen. Ja, der neue hat nur noch einen V6. Aber als Audi zum ersten Mal dicke Backen machte, steckte auch ein aufgeladener Sechsender unter der RS4-Haube. Und: Der neue Motor in Audis kleinem Sportkombi ist eine Wucht. 2,9 Liter Hubraum, 450 PS und 600 Newtonmeter stark, spontan und großartig im Klang. Nicht besonders laut, das findet die EU doof. Dafür verdammt schnell. Und immerhin akustisch intensiver als das technisch identische Schwestermodell RS5. Das Kombi-Heck des RS4 lässt mehr Sound nach innen. Audi RS4 Avant: Neuer Charakter im SportkombiQuelle: Audi Um den RS4 zu verstehen, braucht es mehr als eine Klangprobe. Denn in vierter Generation bekommt er einen neuen Charakter. Er soll nun allen gefallen. Denen, die den Asphalt am liebsten in den Bandscheiben spüren. Und allen, die eigentlich lieber A4 fahren. Seine Fahrmodi spreizen sich zwischen Langeweile und Lust. Die Zielgruppe wächst, er verliert aber womöglich ein paar Fans. Denn wer sich weit nach unten streckt, dem fehlt oben Stärke. Im Falle des RS4 bedeutet das: Die Schärfe seines Vorgängers erreicht er nicht. Weil er jetzt komfortabel anfährt und die Gänge nicht mehr so wild durchs Getriebe prügelt. Und weil sein Sperrdifferenzial Gewicht spart – aber das Heck lieber stabilisiert, als damit zu wackeln. Diese Entscheidungen fielen früh im Entwicklungsprozess. Und sie sind zum Teil nachvollziehbar. Denn trotz aller Sportlichkeit: Der schnelle Audi ist ein Kombi. Und Kombis haben Alltagsaufgaben. Kinder chauffieren. Möbel einladen. Weihnachtsbäume aufs Dach packen. Kann der RS4 genauso gut wie der A4. 2,9 Liter, sechs Zylinder, 450 PSQuelle: Audi Er fährt nur schneller. Viel schneller. Sein Biturbo-V6 drückt 600 Newtonmeter bei knapp 2.000 Touren in die Achtgang-Automatik. Das Moment hält lange durch, die Power kommt ganz zum Schluss. Startet man voll, rutscht dem ESP trotz Allradantrieb das eine oder andere Rad durch. Bis Tempo 100 vergehen 4,1 Sekunden. Spürbar träger wird der RS4 erst weit jenseits der 200 km/h. Schluss ist bei 250, optional bei 280 Sachen. Überhaupt: Der RS4 lässt sich mit wenig Aufwand oder Können sehr schnell bewegen. Er lenkt etwas leichtgängig, aber sehr direkt und genau. Die Bremsen (vorn optional Keramik, hinten immer Stahl) könnten eine Spur aggressiver ansprechen, packen aber fest und sicher zu. Und das Fahrwerk arbeitet präzise und gut ausbalanciert. Objektiv betrachtet macht der RS4 fast nichts falsch. Für sich genommen ist er ein stimmiges Auto. Er fährt schnell und sicher, ruhig oder mit Krawall. Aber es gibt da ja noch die Vorgänger. Mit mehr Biss, mehr Emotionen und weniger Kompromissen. Sie lassen den neuen eine Spur blasser aussehen. Dicke Backen und ovale EndrohreQuelle: Audi Im übertragenen Sinn. Optisch wird der neue RS4 so scharf wie seine Vorgänger. Dicke Backen führte Audi vor 18 Jahren beim ersten RS4 ein. Ovale Endrohre wurden wenig später RS-Merkmal. Bekommt der neue auch. Sieben Millimeter Tieferlegung, große Schürzen und 19-Zöller gibt es außerdem serienmäßig im schnellen Kombi. Ein (empfehlenswertes) Verstellfahrwerk und 20-Zoll-Felgen kosten Aufpreis. Innen gibt es Sportsitze, Carbon, Alcantara und geschlitzte Türöffner – fast wie damals. Audi zitiert die alten Modelle an vielen Stellen. Der RS4-Motor wird aber nicht aus nostalgischen Gründen kleiner. Es geht um den Verbrauch. 8,8 Liter stehen auf dem Papier (NEFZ), fast zwei Liter weniger als beim Vorgänger. Am Normverbrauch kratzt der Kombi selten, mehr als zehn Liter sind es fast immer. Der große Spaß kommt zwischen 13 und 15 Litern. Günstig war ein RS4 eben noch nie. Das gilt für Unterhalt und Anschaffung. Der Basispreis für den neuen Kombi liegt bei 79.800 Euro. Hinzu kommen in den meisten Fällen rund 14.000 Euro für die wichtigsten Extras (Dynamikpaket, Keramikbremse, Verstellfahrwerk). Kleiner Trost: Der Audi RS5 ist weniger nützlich, kaum schneller und 1.100 Euro teurer. Der erste RS4 ist KultQuelle: Audi Übrigens: RS4-Fans lieben die erste Generation („B5“, ab 1999, 381 PS) wegen ihres V6-Motors. Nicht, weil er sechs Zylinder hat, sondern weil er sich so einfach tunen lässt. Mit neuer Software sind 440 haltbare PS drin. Mit anderen Turbos und großer Abgasanlage werden es mehr als 500 PS. Das geht im neuen RS4 weniger gut. Die beiden Lader sitzen zwischen den Zylinderbänken. Kurze Abgaswege verbessern das Ansprechverhalten, machen aber die Kühlung aufwändiger. Viel Platz für Updates gibt es dort nicht. Den gleichen Kultstatus wie der erste RS4-Motor wird dieser vermutlich nicht erreichen. ***** In eigener Sache: Ab sofort verschicken wir unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten. Audi RS4: Technische Daten
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