Drei Jahre nach dem Nissan Leaf startet der Elektro-Golf - mit mehr Leistung, weniger Reichweite und 5.000 Euro Aufpreis. Ein Vergleich der beiden Kompakten.
Berlin – Elektromobilität ist der neue Hype in Wolfsburg. Ohne gute Referenzen, dafür aber mit viel Tam-Tam zeigen die Jungs vom Mittellandkanal in der Hauptstadt, was sie können. Dafür haben sie einen Teil des Flughafens Berlin-Tempelhof gemietet und stellen dort zwei Wochen lang Journalisten, Experten und Begeisterten (für alle Interessierten freier Eintritt an den Publikumstagen: 14. bis 16. März) den E-Golf und weitere Modelle vor. Als Beweis, dass es vorher bereits Elektro-VWs gab, parken am Rand der Veranstaltung einige Strom-Antiquitäten. Zeugen einer Elektro-Vergangenheit, die es eigentlich nicht gab. Denn nur Experten erinnern sich an Golf (2 und 3) City Stromer, Elektro-T2 und Öko-Polo. Damit sich dieser Misserfolg nicht wiederholt, verspricht VW acht Jahre Garantie auf die Batterie und einen Leihwagen für den Urlaub. Der Elektro-Bestseller: Nissan LeafEines der aktuell erfolgreichsten Elektro-Autos der Welt ist der Nissan Leaf. Seit 2010 verkauften die Japaner 100.000 Exemplare. Eins davon begleitete die MOTOR-TALK-Redaktion und MT-Nutzer ein ganzes Jahr. Das Ergebnis: Wenige mochten die Optik, fast alle die Technik. Ein Nutzer konnte sogar die maximale Reichweite von (damals) 175 Kilometern annähernd bestätigen. Wir fuhren zwölf Monate ohne Probleme. Mit dem Generationswechsel im vergangenen Jahr hat Nissan den Leaf deutlich verbessert. Das Blechkleid blieb, aber Reichweite, Innen- und Kofferraum wuchsen. Zum Start des E-Golf hat Nissan also drei Jahre Vorsprung. Der Herausforderer: VW E-GolfDarum platziert VW den Strom-Kompakten bewusst nah am Bestseller aus Japan. Mit 115 PS (85 kW) und 270 Newtonmeter leistet der E-Golf 6 PS (5 kW) mehr und 10 Newtonmeter weniger als sein Kontrahent. Auf dem Prüfstand fährt der Leaf (199 Kilometer) neun Kilometer weiter als der Golf (190 Kilometer). Leider bietet der Japaner trotz größerer Karosserie (18 Zentimeter länger, elf Zentimeter höher) weniger Platz in Innen- und Kofferraum. Quelle: MOTOR-TALK Innen gleicht der E-Golf jedem anderen 7er Golf. Nicht zu sehen ist die 24,2-kWh-Batterie, die sich durch den Mitteltunnel bis zur Hinterachse erstreckt und den Platz unter Rückbank sowie Kofferraumboden nutzt. Nissan platziert die 24-kWh-Akkus über die komplette Fahrzeugbreite unter den Sitzen. Das ergibt die höhere Bauform des Leaf, bedeutet aber eine angenehme Sitzposition. VW E-Golf gegen Nissan Leaf: Die FahrleistungenBeide Stromer kämpfen mit den Pfunden. Jeweils etwa 300 Kilogramm Elektro-Speck im Boden ergeben ein Fahrzeuggewicht von gut 1,5 Tonnen pro Auto. Das lässt sich (noch) nicht ändern – in einem Elektroauto sind mögliche Kilometer wichtiger als km/h. Trotzdem fahren Leaf und E-Golf agil. Der große Vorteil der E-Mobilität ist das hohe Drehmoment, das schon beim Anfahren zur Verfügung steht. Das fühlt sich schneller an als man misst: Der Golf sprintet in 10,4 Sekunden auf Tempo 100, der Leaf eine knappe Sekunde langsamer. Bis Tempo 50 stellen wir kaum Unterschiede fest. Beide Kompakte düsen von der Ampel los und lassen manch Zylinder-Angeber hinterherschauen. Zu dynamisch werden aber beide nicht – das verhindern Fahrzeuggewicht und Leichtlaufreifen. Quelle: MOTOR-TALK Die Höchstgeschwindigkeit bei E-Golf und Leaf? Reine Formsache. Der Luftwiderstand jenseits der 100 km/h reduziert die Restreichweite drastisch. Deshalb begrenzen beide Hersteller das Maximal-Tempo auf 140 (VW) bzw. 145 km/h (Nissan). Gleiten, rekuperieren und auffallenLautlos säuselt das Duo durch Berlin. Der Leaf fällt wegen seiner eigenwilligen Optik stärker auf. Leaf und Golf koppeln je nach Fahrmodus den Elektromotor vom Antrieb ab („segeln“) oder nutzen ihn als Generator („rekuperieren“). Drei Rekuperationsstufen im E-Golf ermöglichen eine fein dosierte Umwandlung der Bewegungsenergie, machen aber in der flachen Stadt wenig Sinn. Nur der Almöhi könnte sich darüber freuen, wenn er auf dem Weg ins Tal die Akkus lädt. Das Laden dauert beim Golf an der Haussteckdose (2,3 kW) 13 Stunden, mit einer Ladebox (3,6 kW) acht Stunden. An einer Schnellladesäule erreicht die Batterie in knapp 30 Minuten einen Ladestand von 80 Prozent. Der Leaf lädt zu Hause eine Stunde schneller, ist sonst aber mit dem Golf gleichauf. Fahrverhalten: Vorteil E-GolfTrotz aller Elektro-Erfahrung der Japaner profitiert VW vom Millionenseller nach Baukasten-Prinzip: Der E- Quelle: MOTOR-TALK Golf fährt in unserem Vergleich souveräner und ausgereifter als der Leaf. Dort stören uns die gefühllose Lenkung sowie die nervöse Vorderachse bei Vollbremsungen. Außerdem bleibt im kleineren Golf mehr Platz. Die Reichweite im Alltag gibt VW mit mindestens 130 Kilometern an. Wir wissen, dass Gasfuß, Komfortfunktionen und Minusgrade diesen Wert stark beeinflussen. Bei beiden Autos schwanden die Reserven laut Bordcomputer schneller als der Kilometerstand auf dem Tacho stieg. Hochgerechnet hätten beide Akkus bei teils zügiger, teils ruhiger Fahrt mit Strom durch Stadt und Stau etwa 140 Kilometer gehalten. Elektrisch fahren ab 23.790 EuroWer günstig elektrisch fahren will, der greift zum Leaf. Der Einstieg in die lokal emissionsfreie Mobilität kostet bei Nissan 23.790 Euro – zuzüglich einer Batteriemiete von mindestens 79 Euro pro Monat über drei Jahre. Wer den Akku kaufen will, bezahlt 5.900 Euro Aufpreis. Der Golf steigt auf den ersten Blick eine Klasse höher ein: VW setzt den Preis bei 34.900 Euro an. Ausstattungsbereinigt macht das etwa 5.000 Euro Aufpreis zu einem vergleichbaren Benziner bzw. 3.000 Euro zum Diesel. LED-Scheinwerfer, vier Türen, Alufelgen und ein großes Navigationssystem gibt es serienmäßig im E-Golf. Ein ähnlich ausgestatteter Leaf ist je nach Modell 2.000 bis 5.000 Euro günstiger. Service für Elektro-MuffelQuelle: MOTOR-TALK Toll: Beide Hersteller kümmern sich um die Sorgen und Nöte von Elektro-Muffeln. Sie setzen dort an, wo das Vertrauen in die Elektro-Autos endet: Nissan schleppt stromlose Leaf im ersten Jahr kostenlos zur Ladestation. Denn das Säulennetz ist derzeit schlecht ausgebaut und teilweise unzuverlässig. VW bietet in den ersten drei Jahren einen kostenlosen Mietwagen. 30 Tage im Jahr dürfen E-Golf-Fahrer wieder Kraftstoff verbrennen. Das widerspricht zwar der Idee des elektrischen Fahrens, hilft aber auf dem Weg in den Urlaub. So wird der E-Golf zu einem (fast) vollwertigen Alltagsauto und kompensiert seinen höheren Einstiegspreis. VW E-Golf: Technische Daten
Nissan Leaf: Technische Daten
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