Aus 650S wird 720S, aus 650 PS werden - logisch - 720 PS: McLaren bringt das erste Modell einer neuen Generation der „Super Series“ auf den Markt. Erste Fahrt.
Quelle: McLaren & Michael Specht Von Michael Specht Rom – Für die meisten Autofahrer bewegt sich ein McLaren gewöhnlich im Windschatten der Wahrnehmung. Ganz weit weg, noch hinter Ferrari und Lambo. So ein Auto sieht man ganz selten. Und wenn, dann eher in Monte Carlo neben dem Café de Paris als in Berlin vor Kalles Pommes-Paradies. Dabei sind die Briten schon eine Weile mit mehreren Autos am Markt. Auf der Automesse in Genf zeigten sie den direkten Nachfolger des 650S, den 720S. Er ist der Erste einer neuen Generation, intern „Super Series P14“ genannt. Sie löst die Baureihe P11 aus dem Jahre 2011 ab. Direkt auf der Messe verkaufte McLaren 400 Autos, erklärt McLaren-Mann Jolyon Nash. Im Folgemonat gingen weitere 1.000 Bestellungen in der Zentrale ein. Aktuelle Lieferzeit: Gut ein Jahr. McLaren 720S: Schneller, leichter, besserSchon die Vorgänger lieferten tolle Fahrleistungen, Handling, Längs- und Querdynamik. Nur wenige Modelle dieses Kalibers lassen sich so schnell und dabei so geschmeidig und gelassen durch jede Art von Kurven bewegen. Der 720S kann alles noch ein bisschen besser. Klar definiert im Lastenheft war: neues Karbon-Monocoque, neues Design, weniger Gewicht, optimiertes Fahrwerk, größere Spreizung zwischen Alltag und Track, ein noch ausgewogeneres Handling, variable Driftwinkel und natürlich mehr Leistung und Drehmoment. Mit 1.283 Kilogramm Trockengewicht unterbietet der McLaren 720S Ferrari 488, Lamborghini Huracan und Porsche 911 Turbo S. „Kein Wettbewerber weist ein besseres Leistungsgewicht auf“, sagt Chef-Ingenieur Emilio Scervo, der früher in Maranello für Ferrari arbeitete. Ein Vierliter-Twinturbo-V8 leistet im 720S (natürlich) 720 PS und 770 Newtonmeter. Gegenüber dem 650S sind das gut zehn Prozent mehr. Gleichzeitig flogen 18 Kilo Gewicht über Bord. Das ergibt etwas bessere Sprintwerte, vor allem mit aktivierter Launch-Control: In 2,9 Sekunden erreicht der 720S Tempo 100 – und genauso schnell bremst er wieder auf Null. Nach 7,8 Sekunden stehen 200 km/h auf dem Tacho, nach 21,4 Sekunden 300. Damit nimmt er seinem Vorgänger 0,1, 0,6 und 4,0 Sekunden ab. Die Höchstgeschwindigkeit stieg von 333 auf 341 km/h. Fein ausbalanciert, toll abgestimmt, gerne querAuf der ersten Ausfahrt in Italien sind solche Zahlen gefährlich. Die Carabinieri geben sich längst nicht mehr mit ein paar Gasstößen aus dem V8 zufrieden, selbst bei einer „bella macchina“ - die noch nicht mal aus Italien stammt. Also rauf auf die Rennstrecke „Autodromo Vallelunga“ nördlich von Rom. Denn erst auf abgesperrter Piste kann man sich halbwegs an den Grenzbereich des 720S herantasten. Der liegt deutlich höher als der eigene. Dafür haben die McLaren-Leute sehr professionell gesorgt. Ihr jüngstes Baby wirkt bestens abgestimmt und ausbalanciert. Schließlich sollen auch Nicht-Profis Freude am Schnellfahren haben, Brems- und Einlenkpunkte perfekt treffen und nach einiger Übung irgendwann vielleicht im leichten Drift ein paar Kurven meistern. Etwas Hilfe gibt es vom Hersteller. McLaren nennt es „Variable Drift Control“. Der Modus lässt sich per Schieberegler stufenlos auf dem Display einstellen – von „leicht den Hintern raus“ bis „voll quer“. Sinnvoller: Der 720S bekommt die Fahrmodi C (Alltag), S (Sport) und T (Track). Doch egal, welches Setting aktiv ist, es bleibt schier unglaublich, mit welcher Dynamik der 720S zupackt, wie direkt er am Gas hängt, wie knackig die Gänge wechseln, wie locker der V8 bis knapp an die 8.000er-Grenze dreht. Dabei entwickelt er einen Sound, der süchtig macht. Mehr Fahrspaß geht kaum. In der 250.000-Euro-Klasse ist Sprit egalDass der McLaren locker das Doppelte des NEFZ-Traumwertes (10,7 Liter pro 100 km) wegsüffelt – geschenkt. Der 720S ist eben kein Öko-Racer. Und wer 247.350 Euro für ein Auto ausgeben kann, sollte auch an der Tankstelle die entsprechende Souveränität mitbringen. Am digitalen Cockpit muss McLaren noch arbeiten. Auch wenn es cool auf- und zuklappt, die Oberfläche wirkt zu billig. Lob verdienen hingegen Verarbeitung und Materialien (Karbon, Alcantara) sowie die beiden Kofferräume. Für einen Wochenendtrip langen die allemal. Und selbst um eine vermeintliche Nebensächlichkeit hat man sich in Woking Gedanken gemacht: Damit beim Öffnen der Flügeltüren die teure Valentino-Brille nicht aus der Ablage auf die Straße fällt, schließt das Fach beim Hochdrücken der Tür automatisch. Technische Daten - McLaren 720S
Quelle: Michael Specht |