Die Berliner Kiezlegende Paul Knopf fährt seit 30 Jahren eine alte Mercedes-Heckflosse. Die bedrohen nun Rost und technische Macken. Wer bewahrt den Benz vor der Presse?
Von Haiko Prengel Berlin – Der letzte Wagen ist immer ein Kombi, sagt man. Das gilt auch für Paul Knopf. Nicht, weil der Berliner selbst vorhätte, demnächst seine letzte Fahrt anzutreten. Aber seine alte Heckflosse könnte bald den Löffel abgeben. An dem Mercedes 220 SB, Baujahr 1962, einem ehemaligen Bestattungswagen, nagt der Zahn der Zeit. Dem Klassiker der Baureihe W111 droht der Autofriedhof, wenn sich nicht bald etwas tut. „Oh, da tropft es“, sagt Knopf lapidar, als sein Oldtimer nach einigen Wochen Standzeit am Kreuzberger Straßenrand nicht anspringen will. Kumpel Uwe, ein pensionierter Kfz-Schlosser, vermutet Luft in der Leitung als Ursache der Startschwierigkeiten. Beim Blick in den Motorraum wird ein arges Spritleck sichtbar, möglicherweise eine poröse Dichtung der Benzinpumpe. Auf dem Asphalt hat sich schon eine kleine, stinkende Pfütze gebildet. Paul Knopf nimmt es seinem alten Benz nicht krumm und leiert weiter am Anlasser. Dann springt der Motor doch an, und auf dem Gesicht des Berliners breitet sich ein Lächeln aus. „Wenn der einmal läuft, dann läuft er. Wie ein Uhrwerk.“ Dieses Uhrwerk ist ein 2,2 Liter großer Reihensechszylinder von Mercedes' Baureihe W111, von Heckflossen-Freunden auch „große Flosse“ genannt. Das Auto begleitet Paul Knopf schon seit 30 Jahren. Für diesen sonnigen Novembernachmittag hat er zu einer Spritztour durch seinen Kiez eingeladen. Seit 30 Jahren ein Team Paul Knopf und sein Oldtimer sind schon seit 30 Jahren ein Team. Allerdings sind es keine Leichen, die der Berliner mit seiner Heckflosse transportiert. Der Mann mit dem bunten Pulli ist, wie der Name bereits nahelegt, Knopfhändler. Sein Laden „Knopf Paul“ ist vielleicht der bekannteste Knopfladen in Berlin. Die Sammlung im Kreuzberger Laden umfasst mehrere Hunderttausend Knöpfe. Aber auch Glasperlen, Pailletten, Ohrdekos und Manschettenknöpfe. Im Grunde ist sein Laden eine Art Museum: „Ich führe Knöpfe aus 100 Jahren Knopf-Geschichte.“ Seit einigen Jahren betreibt Paul Knopf neben dem Laden auch ein Knopfmuseum im gleichen Haus. Den Leichenwagen kaufte sich Paul Knopf Ende der 1980er-Jahre, weil er einen geräumigen Kombi brauchte. Damals fuhr der Berliner mit seinen Knöpfen regelmäßig auf Märkte, um seine Ware anzubieten. Im Fond des ausrangierten Bestatters fand er genug Platz, um seine Knöpfe zu transportieren. Über die Schienen für die Sarghalterung zimmerte er eine hölzerne Ladefläche von beträchtlichem Ausmaß. „Um das Auto zu zivilisieren“, erzählt Paul Knopf, ließ er den W111 außerdem umlackieren: von Schwarz, wie es sich für einen Bestattungswagen gehört, in das freundlichere Lichtgrau eines Knöpfe-Transporters. Keine Gruselgefühle Er selbst hatte nie Gruselgefühle wegen der Vorgeschichte seines Ex-Bestatterwagens. Der Vater war Arzt, die Mutter Krankenschwester. Berührungsängste mit Krankheit und Tod sind dem Berliner daher fremd. Hinzu kommt, dass „Harold und Maude“ zu seinen Lieblingsfilmen gehört. Die schwarze Komödie handelt von einem Millionärssohn, der es liebt, Selbstmorde zu inszenieren und auf Beerdigungen zu gehen. Die nächste HU wird anspruchsvoll Um die nächste Hauptuntersuchung zu bestehen, seien allerdings einige Schweißarbeiten nötig, sagt Paul Knopf. Radläufe, Kotflügel, Unterboden – der Rost nagt an diversen Karosserieteilen. Paul Knopf erwägt daher, seine geliebte Heckflosse zu verkaufen, denn auf Märkte fährt der Knopfhändler heute nicht mehr. Er bleibt lieber in seinem gemütlichen Laden in der Zossener Straße. Die Kundschaft reicht bis zu Prominenten, die bei ihm Manschettenknöpfe in Sonderanfertigung bestellen. Auch Film- und Fernsehproduktionen ordern gerne bei Knopf für die Requisite. Die große Heckflosse steht daher oft längere Zeit am Straßenrand und wird selten bewegt. „Eigentlich zu selten“, sagt Paul Knopf etwas wehmütig. Umso mehr genießt er es deshalb, wenn mal eine Spritztour ansteht. Mit dem 110 PS starken Sechszylinder kann die große Heckflosse auch im modernen Stadtverkehr noch bequem mitschwimmen. „Irre drehfreudig“ sei das Aggregat, schwärmt Paul Knopf. Auch der Wendekreis sei für das stattliche Gefährt erstaunlich klein. Dennoch ist Paul Knopf inzwischen auf einen Motorroller als Citymobil umgestiegen. „Ich fahre elektrisch“, sagt der Berliner. Unverbriefter Tacho-Millionär Der Kilometerstand liege wohl schon bei etwa einer Million, sagt Paul Knopf. Genau weiß er es nicht, vor Jahren wurde einmal der Tacho ausgetauscht. Zu dem Oldtimer gäbe es ein großes Ersatzteillager inklusive Austauschmotor dazu, verspricht der Berliner. In den vergangenen Jahrzehnten hat Paul Knopf in weiser Voraussicht die ein oder andere Heckflosse geschlachtet und die Teile in einem Lager aufbewahrt. Sein letzter Wunsch: Sein eigener, lichtgrauer 220 SB möge bitte nicht auf der Schlachtbank landen. |
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