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Wirtschaftlicher Totalschaden: Nutzungsausfall bei fahrbereitem Kfz möglich?
Hallo,
ich hatte im September einen unverschuldeten Unfall, bei dem mir ein entgegenkommender PKW die gesamte linke Seite meines damaligen Autos beschädigt hat. Laut Gutachten der gegnerischen Versicherung lag ein wirtschaftlicher Totalschaden vor mit einem Restwert von knapp 800,- Euro.
Dieser Restwert wurde mir auf den Cent genau überwiesen. Hier zeigte sich in meinen Augen die volle Schuldanerkenntnis der gegnerischen Versicherung: Sie zahlt überhaupt (= Schuld) und sie zahlt den im Gutachten genannten Betrag (= Abrechnung nach Gutachten).
Da mein beim Unfall beschädigter PKW fahrbereit aber optisch sehr ramponiert war, entschied ich mich im November zum Kauf eines "neuen" Gebrauchtwagens und stellte der gegnerischen Versicherung alle dafür gemachten Ausgaben sowie Nutzungsausfallentschädigung für den im Gutachten genannten Wiederbeschaffungszeitraum von 10 Tagen in Rechnung. Außerdem habe ich zum Nachweis des Fahrzeugwechsels Kopien von Abmeldung (Altfahrzeug) und Kfz-Brief (Neufahrzeug) beigelegt.
Heute kam dann die Antwort:
Die Versicherung erstattet mir zwar alle angefallenen Kosten der Ab- und Anmeldung, sie will aber nicht für den im Gutachten genannten Wiederbeschaffungszeitraum von 10 Tagen zahlen. Sie schreibt:
"Das Fahrzeug war nach dem Unfall fahrbereit und verkehrssicher. Nutzungsausfall können wir daher nicht übernehmen."
Meine Frage dazu ist die:
Besteht eine Möglichkeit, für die Wiederbeschaffungszeit eine Nutzungsausfallentschädigung oder sonst wie genannte Pauschale zu erhalten?
Es geht hier immerhin um 270,- EUR (10 Tage x 27,- EUR). Ich denke, wenn sie wie geschehen nach Gutachten abrechnet (= fiktiv), dann muss sie auch alles zahlen, was im Gutachten drinsteht - erst recht dann, wenn ich mir auch wirklich ein anderes Auto gekauft habe, weil ja das beschädigte Fahrzeug als Totalschaden deklariert wurde. Und wenn für die Beschaffung eines solchen Ersatzfahrzeugs 10 Tage im Gutachten angesetzt sind, dann möchte ich die auch bezahlt haben...
Noch zwei Urteile dazu:
AG Frankfurt am Main v. 17.12.1996:
Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß ein Geschädigter im Falle des Vorliegens eines wirtschaftlichen Totalschadens einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die fiktive Wiederbeschaffungsdauer hat
(Aus diesem Urteil geht hervor, dass ein "wirtschaftlicher Totalschaden" ausreicht - ein tatsächlicher Totalschaden i.S.v. "nicht fahrbereit / nicht verkehrssicher" muss nicht vorliegen)
und
KG Berlin v. 01.03.2004:
Die Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges ist keine Voraussetzung des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung
Wie seht Ihr meine Chance auf 270,- EUR für die Wiederbeschaffung? Hab ich überhaupt eine?
Danke und Grüße,
Maerzenbecher
Beste Antwort im Thema
Zitat:
Original geschrieben von Maerzenbecher
Wie kann die Versicherung einerseits mein Unfallfahrzeug für "fahrbereit und verkehrssicher" erklären, während sie andererseits nach einem Gutachten abrechnet, welches mein Fahrzeug als Totalschaden deklariert und für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges eine Zeitdauer von 10 Tagen für angemessen nennt?
Das widerspricht sich doch...
Nein, tut es nicht. EIn wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten den Wert des Wagens übersteigen.
Das hat nicht im Entferntesten etwas damit zu tun, ob es fährt oder nicht.
Zitat:
Das ich einen "Nutzungsausfall" im wörtlichen Sinne nicht geltend machen kann, ist nachvollziehbar.
Guter Anfang.
Zitat:
Aber so etwas wie eine "Wiederbeschaffungsdauer-Tagessatz-Abrechnung", die im Gutachten als "Wiederbeschaffungszeitraum" benannt ist, möchte ich geltend machen -
Das steht Dir frei. Du kannst auch eine "Schlecht-Wetter-und-schlechte-Laune-Tagespauschale" fordern.
Bekommen wirst Du beides nicht.
Zitat:
und dabei denke ich an das erste der beiden Urteile, die ich genannt habe.
Woran Du dabei denkst, ist ebenfalls Dir überlassen.
Ich weiß nicht, was tatsächlich in den beiden Entscheidungen steht. Aus den von Dir zitierten Sätzen ergibt sich jedoch keinerlei Begründung für Dein Verlangen.
Zitat:
Warum wohl stehen denn die zehn Tage Wiederbeschaffungszeit überhaupt im Gutachten drin? Die Antwort lautet: Weil ein Totalschaden vorlag und aus diesem Grund mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges gerechnet wird.
Richtig. Und wenn Dein Auto nicht fahrbereit gewesen wäre, hätte der Sachverständige das auch in das Gutachten geschrieben und Du hättest für diesen Zeitraum Nutzungsausfall bekommen.
Zitat:
Ich denke, ich werde das versuchen: Eine Forderung, bei Bedarf eine Mahnung und letztlich die gerichtliche Eintreibung. Nur wer wagt, gewinnt möglicherweise.
Genau. Mach das. Hat der Kollege mal was zu lachen.
Zitat:
Noch könnt Ihr mich aufhalten...
Ich denk gar nicht dran. Nur zu: los geht´s!!
Hafi
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16 Antworten
ohne die zitierten urteile hätte ich ohne zögern gesagt "warum soll nutzungsausfall bezahlt werden, wenn man keinen nutzungsausfall hatte???" du konntest ja in der zeit des beschaffens ohne einschränkungen mit dem (optisch beeinträchtigten) alten auto fahren. kosten sind dir auch keine zusätzlichen entstanden.
aber die urteile verwirren mich
aber wenn du schon die urteile hast, warum schreibst der schadensabteilung nicht eine zahlungsaufforderung mit nennung der urteile?
wäre interessant wie die antwort aussieht
Die Antwort wird ganz kurz und knapp ausgfallen...
@TE: Lass Dir doch mal das Wort auf der Zunge zergehen: Es heißt "Nutzungs-ausfall-entschädigung"
Der Geschädigte bekommt dafür Geld, dass er sein Auto nicht fahren kann, weil es nach einem Unfall beschädigt ist.
Er bekommt weder Geld dafür, dass im Gutachten irgendeine Dauer der Wiederbeschaffung angegeben ist, noch dafür, dass er sich ein anderes Auto kaufen muss und das irgendwie lästig ist.
Mit anderen Worten: Solange Dein Auto fahrbereit und verkehrssicher ist oder mit geringem Aufwand verkehrssicher gemacht werden kann, entsteht Dir kein Schaden, also gibt es auch keine Entschädigung.
Gruß
Hafi
Hallo,
vielen Dank für Eure Antworten.
Zitat:
Original geschrieben von Hafi545
(...) Solange Dein Auto fahrbereit und verkehrssicher ist oder mit geringem Aufwand verkehrssicher gemacht werden kann, entsteht Dir kein Schaden, also gibt es auch keine Entschädigung.
.
.
Wie kann die Versicherung einerseits mein Unfallfahrzeug für "fahrbereit und verkehrssicher" erklären, während sie andererseits nach einem Gutachten abrechnet, welches mein Fahrzeug als Totalschaden deklariert und für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges eine Zeitdauer von 10 Tagen für angemessen nennt?
Das widerspricht sich doch...
Das ich einen "Nutzungsausfall" im wörtlichen Sinne nicht geltend machen kann, ist nachvollziehbar. Aber so etwas wie eine "Wiederbeschaffungsdauer-Tagessatz-Abrechnung", die im Gutachten als "Wiederbeschaffungszeitraum" benannt ist, möchte ich geltend machen - und dabei denke ich an das erste der beiden Urteile, die ich genannt habe.
Warum wohl stehen denn die zehn Tage Wiederbeschaffungszeit überhaupt im Gutachten drin? Die Antwort lautet: Weil ein Totalschaden vorlag und aus diesem Grund mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges gerechnet wird. Und genau das ist von meiner Seite ja auch passiert und darum will ich das dafür im Gutachten vorgesehene Geld...
Ich denke, ich werde das versuchen: Eine Forderung, bei Bedarf eine Mahnung und letztlich die gerichtliche Eintreibung. Nur wer wagt, gewinnt möglicherweise.
Noch könnt Ihr mich aufhalten...
MfG, Maerzenbecher
Zitat:
Original geschrieben von Maerzenbecher
Wie kann die Versicherung einerseits mein Unfallfahrzeug für "fahrbereit und verkehrssicher" erklären, während sie andererseits nach einem Gutachten abrechnet, welches mein Fahrzeug als Totalschaden deklariert und für die Beschaffung eines Ersatzfahrzeuges eine Zeitdauer von 10 Tagen für angemessen nennt?
Das widerspricht sich doch...
Nein, tut es nicht. EIn wirtschaftlicher Totalschaden liegt vor, wenn die Reparaturkosten den Wert des Wagens übersteigen.
Das hat nicht im Entferntesten etwas damit zu tun, ob es fährt oder nicht.
Zitat:
Das ich einen "Nutzungsausfall" im wörtlichen Sinne nicht geltend machen kann, ist nachvollziehbar.
Guter Anfang.
Zitat:
Aber so etwas wie eine "Wiederbeschaffungsdauer-Tagessatz-Abrechnung", die im Gutachten als "Wiederbeschaffungszeitraum" benannt ist, möchte ich geltend machen -
Das steht Dir frei. Du kannst auch eine "Schlecht-Wetter-und-schlechte-Laune-Tagespauschale" fordern.
Bekommen wirst Du beides nicht.
Zitat:
und dabei denke ich an das erste der beiden Urteile, die ich genannt habe.
Woran Du dabei denkst, ist ebenfalls Dir überlassen.
Ich weiß nicht, was tatsächlich in den beiden Entscheidungen steht. Aus den von Dir zitierten Sätzen ergibt sich jedoch keinerlei Begründung für Dein Verlangen.
Zitat:
Warum wohl stehen denn die zehn Tage Wiederbeschaffungszeit überhaupt im Gutachten drin? Die Antwort lautet: Weil ein Totalschaden vorlag und aus diesem Grund mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges gerechnet wird.
Richtig. Und wenn Dein Auto nicht fahrbereit gewesen wäre, hätte der Sachverständige das auch in das Gutachten geschrieben und Du hättest für diesen Zeitraum Nutzungsausfall bekommen.
Zitat:
Ich denke, ich werde das versuchen: Eine Forderung, bei Bedarf eine Mahnung und letztlich die gerichtliche Eintreibung. Nur wer wagt, gewinnt möglicherweise.
Genau. Mach das. Hat der Kollege mal was zu lachen.
Zitat:
Noch könnt Ihr mich aufhalten...
Ich denk gar nicht dran. Nur zu: los geht´s!!
Hafi
Zitat:
Original geschrieben von Hafi545
Genau. Mach das. Hat der Kollege mal was zu lachen.
.
.
Eben. Warum soll der nicht auch mal ein wenig Freude im Beruf haben?!
... und vielleicht hat ja noch ein Nicht-Versicherungsangestellter eine Meinung dazu.
MfG, Maerzenbecher
Zitat:
Original geschrieben von Maerzenbecher
... und vielleicht hat ja noch ein Nicht-Versicherungsangestellter eine Meinung dazu.
delle schreibt gutachten (als nicht VS gutachter ^^) und sitzt nicht im callcenter einer VS
Als Nicht-Versicherungsangestellter bin ich der gleichen Meinung wie Hafi. Und zu deinen zitierten Urteilen: Ich habe die Originaltexte nicht gefunden, aber folgende Zusammenfassungen würden mir zu denken geben:
Zitat:
AG Frankfurt am Main v. 17.12.1996: Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, daß ein Geschädigter im Falle des Vorliegens eines wirtschaftlichen Totalschadens einen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsausfallentschädigung für die fiktive Wiederbeschaffungsdauer hat.
Auch wenn der Geschädigte bei einem Totalschaden die fiktive Abrechnung (auf Gutachtenbasis) wählt, steht ihm Nutzungsausfall zu, wenn das Fahrzeug infolge des Unfalls nicht mehr fahrbereit war; dies gilt nach Auffassung des AG Frankfurt am Main, Urt. v. 17.12.1996; 30 C 1766/96-45(veröffentlicht MittBl. der ARGE Verkehrsrecht im DAV, 1997, 20), auch dann, wenn das Fahrzeug nach wie vor auf den Anspruchsteller zugelassen ist, jedenfalls dann, wenn der Schädiger nicht wirksam einwendet, daß die Nutzungsmöglichkeit (z.B. durch Eigenreparatur) wieder gegeben war:
http://www.verkehrslexikon.de/Texte/NAFiktiv.php
Zitat:
Das Kammergericht Berlin DAR 2004, 352 f. = VersR 2004, 1620 (Urt. v. 01.03.2004 - 12 U 96/03) hat entschieden, dass der Ersatzanspruch auf Nutzungsausfall nicht vom Nachweis der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs abhängig ist:
Das Fahrzeug der Klägerin zu 1) war infolge des Verkehrsunfalls vom 2. März 2001 nicht fahrfähig und nicht verkehrssicher. Die Gesamtkosten zur Wiederherstellung des Fahrzeuges lagen über den Kosten für eine Ersatzbeschaffung. Aus technisch-wirtschaftlicher Sicht lag ein Totalschaden vor. Mithin steht der Klägerin zu 1) die der Höhe nach unstreitige Nutzungsausfallentschädigung für 14 Tage zu.
danke moveatur für die ausführlicheren urteile, die ja eindeutig sind und das besagte klar bestägigen.
@TE
bitte mach das mit den zahlungsaufforderungen und einschreiben und berichte hier wie es weiter ging.
du hast keine chance - nutze sie
Zitat:
Original geschrieben von bullrider
@TE
bitte mach das mit den zahlungsaufforderungen und einschreiben und berichte hier wie es weiter ging.
du hast keine chance - nutze sie
Sehr schön.....
Gruß
Delle
Zitat:
Original geschrieben von Harry999
Zitat:
Original geschrieben von Maerzenbecher
... und vielleicht hat ja noch ein Nicht-Versicherungsangestellter eine Meinung dazu.
delle schreibt gutachten (als nicht VS gutachter ^^) und sitzt nicht im callcenter einer VS
Joh..........aber ein Callcenter habe ich auch...
Und auch eine Meinung, die selbe wie Hafi...
Aber trotzdem viel Glück, evtl kommst du ja an einen Richter/in die keine Ahnung von Autos hat und entspricht deinem Wunsch.
Gruß
Delle
Hallo,
vielen Dank, besonders an moveatur für seine aufschlussreiche Antwort. Ich werde in der Sache nichts weiter unternehmen, denn ich bin ja lernfähig...
Eine letzte Frage zu diesem Thema habe ich aber noch:
Ist in einem Unfallgutachten die Angabe einer "Wiederbeschaffungszeit für ein gleichwertiges Fahrzeug" eine Standardformulierung, unabhängig von der Schadenshöhe? Steht diese Angabe auch dann drin, wenn nur ein Bagatellschaden vorliegt und überhaupt nicht mit der Anschaffung eines Ersatzfahrzeuges gerechnet werden kann?
Grüße, Maerzenbecher
Bei einem Bagatell- oder Reparaturschaden ist die Reparaturdauer im Gutachten anzugeben.
Eine Angabe der Wiederbeschaffungdauer erfolgt immer dann, wenn Sie unter bestimmten Umständen zum tragen kommen "könnte"
Der Sachveständige hat alle Informationen, die für die Regulierung in Frage kommen könnten in seinem Gutachten aufzuführen.
Er hat sie aber nicht zu würdigen, er bestimmt auch nicht wie der Schadensfall abgewickelt wird.
Das obliegt der rechtlichen Würdigung.
Und wenn man sich nicht einig wird, halt der juristischen.....
Gruß
Delle
Zitat:
Eine Angabe der Wiederbeschaffungdauer erfolgt immer dann, wenn Sie unter bestimmten Umständen zum tragen kommen "könnte"
(...)
Er hat sie aber nicht zu würdigen, er bestimmt auch nicht wie der Schadensfall abgewickelt wird.
Alles klar, vielen Dank.
Dann wäre die Angelegenheit für mich abschließend geklärt.
Grüße,
Maerzenbecher
Nur mal so, weil ich das hier gerade interessehalber gelesen habe.
Die Versicherung zahlt den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes.
Also nicht den im Gutachten ermittelten Wiederbeschaffungswert und ich kann mir kein gleichwertiges Fahrzeug kaufen weil mir der Restwert zur vollen Summe fehlt.
Oder ich gebe mein verunfalltes Fahrzeug an den im Gutachten genannten Höchstbietenden zum genannten Preis ab. Dann habe ich den Wiederbeschaffungswert meines Fahrzeuges in der Tasche aber kein Auto.
Nur mal so als Denkansporn warum die Nutzungsausfallentschädigung bei wirtschaftlichen Totalschaden generell zu zahlen ist.