Alf Cremers empfiehlt Einsteigern die Ente. Sie bietet den speziellen Reiz einer Cabrio-Limousine und steckt voller Widersprüche. Komfortables Fahrwerk, nur 26 PS Leistung aus dem Zweizylinder-Boxer und gruselige passive Sicherheit - einen Citroen 2CV muss man sich erarbeiten. In meiner Jugend mochte ich die Ente nicht. Für mich war sie ein untermotorisiertes, hochtouriges Hippie-Auto, eine Art APO auf Rädern, das dünnwandige Blech dekoriert mit vielen bunten Protestaufklebern. Studentenfutter der spartanischsten Sorte, dazu eilte dem Citroën 2 CV der Ruf launenhafter Zuverlässigkeit voraus. Eine Ente mag ein Bein heben, umfallen wird sie aber nie Der Wagen passte einfach nicht in mein Beuteschema, ich hätte jederzeit einen Opel Kadett B, einen Simca 1000, ja sogar einen Renault 4 bevorzugt. Die übermütige Spritztour mit der Ente eines Freundes in die Eifel endete auf kurvenreicher Straße mit einem entwurzelten Leitpfosten. Vom hecklastigen, kurvenwilligen NSU 1200 C kommend, war ich vom ausgeprägten Untersteuern des 23 PS starken gelben 2 CV4, Baujahr 1973, völlig überrascht. Ich kriegte buchstäblich die Kurve nicht und nietete den schwarzweißen Pappkameraden um. Zum Glück blieb das Auto heil. So eine Ente will mit Nachdruck in die Kurve gezwungen werden. Dass sie dabei manchmal ein Bein hebt, aber niemals umkippt, hatte ich schon als Schüler in auto motor und sport gelesen. Ein anderer Freund hatte eine 67er Luxus-Ente mit Stoßstangenbügeln und Radzierblenden, intern im fast geheimwissenschaftlichen Citroën-Code AZAM genannt. Die Farbe dieses archetypischen Bohème-Vehikels hieß bezeichnenderweise Gris Dandy. Das Besondere an der auch nur 23 PS starken Glamour-Ente war die Fliehkraftkupplung, die auch Fahranfängern wie uns ein ruckfreies, sanftes Anfahren bescherte. Im Verbund mit den damals neu eingeführten homokinetischen Antriebswellen gelang das sogar bei vollem Lenkradeinschlag. Die Ente steckt voller Widersprüche Die Ente steckt voller Widersprüche, deshalb muss man sie verstehen, ja mehr noch, man muss sie sich erarbeiten. In den Disziplinen Hubraum und Leistung mimt sie den knausernden Kleinwagen - Radstand, Raumangebot und Fahrkomfort haben dagegen Mittelklasse-Format. Ihre passive Sicherheit ist gruselig: Dünnblech auf Plattformrahmen, innen liegt alles scharfkantig offen, die Lenksäule hat die Form einer Lanze. Aber ihr spurstabiles Frontantriebs-Fahrwerk mit den vier Längsschwingarmen samt waagerechten Schraubenfedern und hinteren Teleskopstoßdämpfern ist frei von der Pendelachs-Tücke eines Käfers und kennt nicht die für Mini und NSU typischen-Nickschwingungen, die für schlechten Fahrkomfort stehen. Der Zweizylinder-Stoßstangenboxer mit dem hellen schnatternden Klang will gedreht werden. Lange Schaltpausen mindern den Vortrieb beträchtlich. Deshalb ist es nötig, den Bogen mit der ungewohnten Krückstockschaltung samt ihrem seltsamen Schaltschema - erster Gang hinten links, vierter Gang vorn rechts, beide in separaten Gassen -, rasch herauszuhaben. Im Grund braucht der 2 CV nichts nötiger als einen Drehzahlmesser. Bis zu 7.000 Touren sind für den verkappten Motorradmotor nach altem BMW-Muster (nur liegt die Nockenwelle unter der Kurbelwelle statt darüber) zumindest beim 2 CV6 kurzfristig drin. Aber wer traut sich das schon? Citroen 2CV: Buddhistische Form der Mobilität genießen Der große Reiz des 2 CV liegt darin, dass er ähnlich wie Isetta, Mini oder VW Käfer anders ist als alle anderen. Wer es begriffen und wer mit ihr die Chance ergriffen hat, ein völlig neues Auto-Leben zu beginnen, der wird auch mit ihr glücklich. Die Ente steht für Fahren in Frieden entlang idyllischer Landstraßen. Es ist eine sanfte, ja fast buddhistische Form der Mobilität. Sie steht für Picknick unterwegs, weil sich ihr Gestühl mit wenigen Handgriffen ins Freie befördern lässt. Sie steht für lauschiges Offenfahren, das Wiesenduft und Sonnenstrahlen einfängt. Sie steht auch für ein gutes Gewissen, weil sie nur 6 Liter braucht, und weil sie heutzutage keiner mehr wegwirft, nur weil sie durchgerostet ist. Schließlich gibt es nagelneue verzinkte Plattformrahmen, die fast so schnell gewechselt sind wie ihre Dreiloch-15-Zoll-Räder. Manchmal hat man das Gefühl, ein Philosophie-Studium könne nicht schaden, um sie zu begreifen.
Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 08.06.2010
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