Vor wenigen Tagen starb ein Zuschauer beim VLN-Lauf auf der Nordschleife. Die Verantwortlichen reagierten mit Tempolimits. In die Trauer mischt sich jetzt Wut und Spott.
Berlin/Nürburgring – Jürgen Alzen ist Rekord-Gesamtsieger der VLN-Langstreckenmeisterschaft auf dem Nürburgring und der vorerst letzte Sieger eines VLN-Rennens ohne Tempolimits. Die hatte der Deutsche Motor Sport Bund (DMSB) am 7. April als Reaktion auf den Tod eines Zuschauers beim ersten VLN-Lauf 2015 für die Nordschleife beschlossen. Eine weitere Reaktion darauf ist die Absage des Kremer-Racing-Teams für das Qualifikationsrennen des 24-Stunden-Rennens an diesem Wochenende. „Ein Tempolimit auf einzelnen Passagen der Nürburgring Nordschleife ist mit unserem Verständnis von freiem Wettbewerb im Motorsport nicht vereinbar“, lässt Kremer-Inhaber Eberhard A. Baunach per Pressemitteilung verlauten. Im Gespräch mit MOTOR-TALK ergänzt ein Sprecher, dass das Team unter den gegenwärtigen Bedingungen auch den Start beim 24-Stunden-Rennen absagen wird. Die Entscheidung des Kölner Rennstalls nötigt anderen Teams und Fahrern Respekt ab. Denn ein Tempolimit auf einer Rennstrecke, das halten am Ring eigentlich alle für „Schwachsinn“ oder wenigstens für eine „Katastrophe“. Trotzdem bleibt Kremer bisher das einzige Team, das eine derartige Maßnahme ergreift. Die Teams Phoenix, Manthey, Black Falcon, Marc VDS und Frikadelli bestätigten MOTOR-TALK, dass es derzeit keine festen Pläne gebe, zukünftige VLN-Rennen oder das 24-Stunden-Rennen ausfallen zu lassen. Ein weiterer Schlag für die Region?Motorsport wird am Limit betrieben und nicht innerhalb von Limits. Diese romantische Vorstellung fasziniert Fans und Fahrer. Allerdings entspricht sie nicht mehr der Wahrheit. Längst haben Leistungsangleichungen (Balance of Performance) und Kostendruck besonders kleinen, regionalen Rennställen enge Rahmen gesteckt. Ein Tempolimit bürdet den Teams und Fahrern jetzt die maximale Kontrolle auf. Und zwar in doppeltem Sinne. Denn entziehen können sie sich kaum. Nicht jeder hat die Freiheit hinzuschmeißen. Sponsorenverträge sind gemacht, zahlreiche Jobs in der Region hängen am Motorsport. Die Vorbereitungen auf ein 24-Stunden-Rennen beginnen mit dem Ende des vorherigen. Klar ist, dass die jetzigen Maßnahmen eine von nur wenigen Möglichkeiten waren, überhaupt ein 24-Stunden-Rennen 2015 abzuhalten (Anm. der Redaktion: Wir haben diesen Satz präzisiert). Nachdem der DMSB in einer Blitzreaktion nach dem VLN-Unfall ein Fahrverbot für GT3-Autos auf dem Ring verhängt hatte, stand mit dem 24-Stunden-Rennen das größte Event des Jahres auf dem Spiel. Denn ohne die schnellen Autos von Audi, BMW und Porsche wäre das Rennen für viele Zuschauer und vor allem für viele Geldgeber gestorben. Eine Lösung musste her und statt dem Verbot kam das Tempolimit. Rennfahrer Dirk Adorf, Mitglied der Expertenrunde des DMSB, schreibt auf Facebook: „In meinen Augen wurde eine Lösung gefunden und verabschiedet, die für die Fahrer, für die Teams, für die Fans/Zuschauer und für den Motorsport steht, auch wenn sie allen nicht gefällt.“ Wie es am Ring langfristig weitergeht, ist damit einmal mehr unklar. Die Temoplimits gelten laut DMSB als kurzfristige Maßnahme für diese Saison. Der Motorsport-Bund und sein Präsident (und VW-Markenbotschafter) Hans-Joachim Stuck suchen jetzt mit einer Expertenkommission nach Lösungen, „die möglichst unmittelbar nach der Rennsaison umgesetzt werden sollen“. „Dazu könnten umfassende Reglementänderungen ebenso gehören wie eventuelle Baumaßnahmen“, sagt der DMSB. Für Jürgen Alzen spielt das keine Rolle mehr. Er hat mit der VLN und dem 24-Stunden-Rennen unter den derzeitigen Bedingungen abgeschlossen und sucht den Weg in Rennserien wie die GTOpen oder GT Masters. „Die Welt lacht über den deutschen Motorsport“, sagte er zu MOTOR-TALK. Quelle: MOTOR-TALK |
