• Online: 3.510

Im Interview: Rekord-Weltmeister Michael Schumacher - "Ich vermisse nur den guten, alten Handbremshebel"

verfasst am

Michael Schumacher ist DER Rekordfahrer der Formel 1. MOTOR-TALK-Reporter Philipp Monse traf Schumi zum Interview und stellte dem Weltmeister die Fragen der Community.

MOTOR-TALK traf Michael Schumacher auf dem Mercedes-Benz-Testgelände in Sindelfingen zum Interview MOTOR-TALK traf Michael Schumacher auf dem Mercedes-Benz-Testgelände in Sindelfingen zum Interview Quelle: Christoph Michaelis

Sindelfingen – Keiner hat je geschafft, was Michael Schumacher schaffte. Der Junge aus Kerpen faszinierte Generationen von Autofahrern, einte Italiener und Deutsche in ihrer Leidenschaft für den unscheinbaren, aber unfassbar schnellen Mann der Formel 1. Sieben Mal wurde Schumi Formel-1-Weltmeister. Fast wichtiger aber ist: Seitdem er sich abseits der Strecke für mehr Sicherheit einsetzte, starb kein Fahrer mehr bei Rennen in der Königsklasse.

Während seiner Karriere kletterte er 155-mal auf das Podium eines Grand Prix. Heute steht Michael Schumacher, 44, auf dem Mercedes-Testgelände in Sindelfingen. Als Botschafter für die Assistenzsysteme des Herstellers begleitet er die neue Mercedes C-Klasse bei den letzten Feinabstimmungen, bevor sie im März 2014 auf den Markt kommt. MOTOR-TALK, Europas größte Auto-Community, trifft den Rekordfahrer bei dieser Gelegenheit zum Interview.

Schumacher, der Kerpener Jung', fuhr schon mit 4 Jahren ein Kettcar mit Mofa-Motor. Zum Interview kommt er in festen Schuhen, Jeans und einer Winterjacke mit Pelzkragen. Seine Hand drückt fest die des Reporters, seine Augen lächeln. Wir führen unser Gespräch im Auto, so viel Schumi muss sein. Die Türen der E-Klasse fallen ins Schloss, das Tonband läuft.

Auf Michael Schumachers Beifahrersitz

MT: Herr Schumacher, nach 28 Jahren als Profi-Rennfahrer: Was tut morgens am meisten weh?

MS: Tatsächlich: Nichts. Manchmal zwickt der Rücken, aber das haben meine Kumpels auch. Ich hatte viel Glück und habe immer trainiert. Darum spüre ich kaum Verschleiß, nach all dem, was ich so erlebt habe.

MT: Du bist gelernter Kfz-Mechaniker. Jetzt, am Ende Deiner Rennfahrer-Karriere, sollen wir Dir auf diesem Weg einen Job in einer Werkstatt suchen?

MS: Das wird nichts. Wenn ich unter eine Motorhaube schaue, sehe ich nichts mehr, das so ist, wie ich es mal gelernt habe.

Surfen auf MOTOR-TALK: Die Fragen an die Formel-1-Legende stammen von den MT-Nutzern Surfen auf MOTOR-TALK: Die Fragen an die Formel-1-Legende stammen von den MT-Nutzern Quelle: Christoph Michaelis MT: Hast Du in den vielen Jahren im Cockpit das Schrauben verlernt?

MS: Quatsch. An meinen Go-Karts schraube ich ständig, am Motorrad und am Fahrrad auch. Aber für ein Auto musst du heute Mechatroniker sein. Das bin ich nicht.

MT: Ist der Fortschrittswahn im Auto ein Fluch?

MS: Im Gegenteil. Heute haben Autos viel weniger Probleme. Früher mussten wir ja regelmäßig unter die Haube kriechen und etwas richten. Mich faszinieren Autos mit zukunftsorientierter Technik.

MT: Ein Oldtimer kommt für Dich also nicht in Frage?

MS: Na, das älteste Auto, mit dem ich fahre, ist Baujahr 2009. Das älteste Auto, das ich besitze, ein 91er Jordan...

MT: ... mit dem Du am 25. August 1991 Dein erstes Formel-1-Rennen in Spa gefahren bist?

MS: Ja. Ansonsten bin ich kein Oldtimer-Freak. Ich mag Oldies, bin schon ein paar Rallyes mitgefahren. Aber danach freue ich mich wieder auf ein modernes Auto.

Das Interview mit dem Rekord-Weltmeister der Formel 1 führte MT-Reporter Philipp Monse Das Interview mit dem Rekord-Weltmeister der Formel 1 führte MT-Reporter Philipp Monse Quelle: Christoph Michaelis

Auch Schumi fing klein an

MT: Fast alle Autofahrer fangen klein an. Womit hast Du begonnen?

MS: Mit einem Fiat 500, da war ich zehn. Damit bin ich auf einem Privatgelände rumgefahren, nicht auf der Straße. Später hat mir Luca di Montezemolo (der Ferrari-Boss, Anm. d. Red.) so einen mal geschenkt.

MT: Viel kleiner kann man sein automobiles Leben kaum beginnen. Was war denn das Größte, was Du abgesehen von Rennwagen gefahren bist?

MS: Im Prinzip bin ich so ziemlich alles gefahren. Aber das neueste Auto war immer das beste für mich. Weil so viel Fortschritt darin steckt und damit so viel Spaß.

MT: Gibt es denn nichts an alten Autos, das Du bei modernen vermisst? Die Patina, das Fahrgefühl?

MS: Doch, etwas vermisse ich: Den guten, alten Handbremshebel. Nichts gegen die elektrische Bremse, aber die kann den Hebel nicht ersetzen.

MT: Kommen wir zur Fahrdynamik. Du warst ja mal „The Stig“, der ewig schnelle, weiße Rennfahrer von Top Gear...

MS: Das war witzig. Im Studio warteten die Zuschauer ganz gespannt, wer „The Stig“ ist. Dann habe ich den Helm abgenommen und in lauter fragende Gesichter geblickt: DU....?

MT: Eine andere Anekdote erzählt von einer Begegnung zwischen Dir und Walter Röhrl in der Eifel. Ihr sollt beide im 599er Ferrari auf der Nordschleife gewesen sein. Erst hat er Dein Auto vor sich entdeckt, dann fuhrst Du hinter ihm von der Strecke. Wie war das genau?

MS: Wir haben uns mal am Ring getroffen und stellten beide fest: „Ah, das bist Du doch.“ Wir wussten nicht, wer da im anderen Auto sitzt. Röhrl war sehr sympathisch. Dass er mich überholt hat? Kann sein, ja. Er ist ja der Nordschleifen-Spezialist, nicht ich.

Im Interview zeigt sich Michael Schumacher als technikverliebt: "Das neueste Auto war immer das beste für mich.“ Im Interview zeigt sich Michael Schumacher als technikverliebt: "Das neueste Auto war immer das beste für mich.“ Quelle: Christoph Michaelis

Mit der Formel 1 abgeschlossen

MT: Aber Du bist ein Spezialist für viele Formel-1-Strecken. Sebastian Vettel bricht dort gerade einige Deiner alten Rekorde. Schmerzt das?

MS: Rekorde sind schön. Aber sie sind dazu da, gebrochen zu werden. Mein Ziel war es nie, welche aufzustellen. Mir waren Missionen wichtig. Die bei Benetton, bei Ferrari und zuletzt bei Mercedes. Ob ich da einen Titel mehr oder weniger hätte einfahren können, zählte nicht. Wer es schafft, meine Rekorde zu brechen, der hat es verdient.

MT: Als Lotus Dich als Ersatz für Kimi Räikkönen wollte, hat es da gejuckt?

MS: Nicht ansatzweise. Es war ein Kompliment. Ich habe mich gefreut, dass man an mich glaubt. Mehr nicht.

MT: Jetzt testest Du für Mercedes Straßenautos?

MS: Ja, ich mache etwas Ähnliches wie nach meiner F1-Zeit bei Ferrari und unterstütze die Entwickler mit meiner Erfahrung. Dabei versuche ich zum einen, normalen Autofahrern zu zeigen: Schaut mal, das System kann was. Zum anderen den Ingenieuren zu sagen, da wäre noch Spielraum, das geht noch besser.

MT: Welches Wissen kann man aus der Formel 1 in Alltagsautos transportieren?

MS: Einiges. Ein Beispiel ist die Effizienz, mit der Formel-1-Teams arbeiten. Viele Ingenieure wechseln nach der F1-Zeit in die Serienproduktion. Davon profitiert jeder Autofahrer. Weil viel effizienter entwickelt wird und so schneller bessere Autos entstehen.

MT: Die Formel 1 fährt 2014 mit neuen V6-Turbos und neuen Regeln. Wird es spannender?

MS: Speziell die Motoren finde ich nicht so spannend, weil der Einfluss auf das Tempo viel geringer ist als der von der Aerodynamik. Sie bleibt das A und O der Rennwagen.

Komfort im Auto ist der Formel-1-Legende wichtig. Schumacher nutzt die Assistenzsysteme seiner Fahrzeuge regelmäßig Komfort im Auto ist der Formel-1-Legende wichtig. Schumacher nutzt die Assistenzsysteme seiner Fahrzeuge regelmäßig Quelle: Christoph Michaelis

Worauf es ankommt: Fortschritt und Komfort

MT: Du hast Dich sehr für die Sicherheit in der Formel 1 eingesetzt. Was brauchen Serienautos, um sicherer zu werden?

MS: Bisher erkennen Assistenzsysteme nur Dinge, die auf den Längsspuren stattfinden. Das nächste wird der Kreuzungsassistent. Der schaut auf den Querverkehr und berücksichtigt Autos, Kinder und Radfahrer. Das wird helfen, schlimme Unfälle zu vermeiden.

MT: Im Mercedes-Bereich auf MOTOR-TALK diskutieren MOTOR-TALKer über aktive Fahrwerkskomponenten. Nach Ansicht unserer User stößt ein konventionelles Fahrwerk an Grenzen, wenn elektromechanische Komponenten eingebaut werden. Was hältst Du von aktiven Fahrwerken?

MS: Wahrscheinlich war ich einer der ersten, der überhaupt ein adaptives Fahrwerk getestet hat. Das war 1990 oder 1991 in Hockenheim in einem Rennwagen mit einem Mercedes-Ingenieur. Die Testfahrten waren sensationell und ich konnte mein Auto perfekt optimieren. Generell begrüße ich jeden technischen Fortschritt im Auto.

MT: Noch einmal einen Schritt zurück. 28 Jahre Rennfahren ohne Zipperlein werfen eine Frage auf: Fährst Du heute lieber sportlich-straff oder komfortabel?

MS: Das erste, was ich mache, wenn ich in ein Auto steige: alles auf Komfort stellen. Am häufigsten fahre ich im Moment meinen SLS und meinen ML. Die kann man beide schön bequem fahren, wenn man möchte. Insgesamt finde ich viele Autos heutzutage eher auf der zu harten Seite.

MT: Lieber Michael Schumacher, vielen Dank für das Gespräch!

So kommt die neue C-Klasse

Sidekick bei unserem Treffen mit dem Rekord-Weltmeister war eine getarnte Version der kommenden C-Klasse. Die neue C-Klasse soll mehr denn je eine kleine S-Klasse werden. Von den ersten (inoffiziellen) Bildern wissen wir, dass Mercedes das besonders optisch umsetzt. Scheinwerfer, Kühlergrill und das Heck tragen die Linien des Luxus-Benz. Auch innen finden die Kunden mehr Mercedes als je zuvor. Alle aus der S-Klasse bekannten Assistenzsysteme werden in der Mittelklasse-Limousine verfügbar sein. Ab März 2014 kommt die neue C-Klasse mit drei Motoren (zwei Benziner, ein Diesel) auf den Markt. Es folgen Allrad- und Hybridvarianten sowie V6-Motoren und ein AMG-Modell.

Quelle: MOTOR-TALK

Avatar von granada2.6
Mercedes
70
Diesen Artikel teilen:
70 Kommentare: