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Plymouth Road Runner Superbird (1970): Auktion, Geschichte - (Scheunen)-Tor in die Zeit der wilden Spoiler

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Dass der Plymouth Road Runner Superbird so beim Händler stand? Praktisch unvorstellbar. Dass zwei Exemplare die Jahrzehnte in einer Scheune überdauerten auch. Eigentlich.

Lange Nase, hoher Spoiler: Der keilförmige Superbird ist praktisch nicht als Teil der Road-Runner-Serie zu erkennen. Plymouth brachte ihn 1970 als Racer, heute ist er eine passable Wertanlage - besonders in derart unberührtem Zustand Lange Nase, hoher Spoiler: Der keilförmige Superbird ist praktisch nicht als Teil der Road-Runner-Serie zu erkennen. Plymouth brachte ihn 1970 als Racer, heute ist er eine passable Wertanlage - besonders in derart unberührtem Zustand Quelle: amistadi via ebay.com

Maine – Vier Augen, zwei lange Nasen und Heckspoiler bis knapp unters Garagendach: Ein Autosammler aus den USA konnte kaum glauben, auf was er da gestoßen war. Vor ihm stand der viel zitierte Scheunenfund, und zwar gleich doppelt. Diese Exemplare des legendären Plymouth Road Runner Superbird standen seit mehr als drei Jahrzehnten in einer unscheinbaren, hölzernen Garage. Geschützt vor Wettereinflüssen und – noch wichtiger – Modifikationsversuchen junger Gebrauchtwagenkäufer.

Zur Einordnung: Wenn jemand in den Staaten beiläufig seine unverbastelten Superbirds anbietet, ist das so, als würden einem hierzulande zwei Audi Sport-Quattro in Topzustand in Aussicht gestellt. Der Plymouth ist ein Homologationsmodell, also der Straßenableger eines Rennautos. Rar, begehrt und damit eine garantierte Wertanlage – trotz heute astronomisch hoher Preise.

Wie viel der Sammler für die bespoilerten Muscle-Cars löhnte, ist nicht bekannt. Aktuell versteigert er sie auf eBay. Das Modell in Weiß (Laufleistung rund 69.000 Kilometer) steht aktuell (3 Tage vor Auktionsschluss) bei 150.100 Dollar und 95 Geboten, das blaue Exemplar (rund 44.000 Kilometer) bei 157.100 Dollar und 104 Geboten.

Gegner des Ford Torino, Erbe des Dodge Charger

Der Heckflügel sollte auf der Rennstrecke bis in die "saubere" (also unverwirbelte) Luft emporragen Der Heckflügel sollte auf der Rennstrecke bis in die "saubere" (also unverwirbelte) Luft emporragen Quelle: amistadi via ebay.com Jede Wette, dass viele Interessenten dieses Auto mit der NASCAR-Saison 1970 verbinden. Mit Siegen von Racing-Idol Richard Petty und gedemütigten Ford-Piloten. Kurz zuvor hatte das blaue Oval noch im Oval dominiert. Der Überlegenheit von Fords Torino verdankt der Plymouth Superbird erst seine Entstehung, indirekt. Konzernschwester Dodge hatte mit dem Charger in seiner ursprünglichen Form bei Stock-Car-Rennen selten Chancen. Man haderte mit der ungünstigen Aerodynamik und machte die Kante in der Saison 1969 deshalb zum Keil.

Die Ingenieure schraubten eine spitze, lange Nase an die Front. Und einen unglaublich hohen Spoiler ans Heck – da oben war die Luft im Rennen eben „sauberer“, also weniger verwirbelt durch das eigene und vorausfahrende Autos. Damals wurden die NASCAR-Meisterschaften noch mit seriennahen Autos ausgetragen, es musste ein entsprechendes Straßenauto geben. Dodge brachte das geflügelte Ding als Charger Daytona auf den Markt, in einer Auflage von rund 500 Stück.

Auf der Rennstrecke war man auf Anhieb erfolgreich und verordnete Plymouths Sportmodell im Folgejahr dieselbe Kur. Der Road Runner Superbird unterschied sich nur geringfügig vom Dodge-Vorbild, etwa durch eine etwas höhere Schnauze. Da sich die Regularien änderten, musste Plymouth knapp 2.000 Serienmodelle jährlich auflegen. Der Lebenszyklus endete nach den ersten 12 Monaten, da die Sportbehörde den Einsatz der Flügelmonster durch Auflagen (höheres Gewicht oder kleinerer Motor für Aero-Cars ab 1971) unattraktiv machte.

Zu Beginn wollten ihn wenige

Der Innenraum eines Plymouth-Superbird-Scheunenfundes: "Das nachträglich verbaute Kassetten-Radio hat selbst schon Kult-Status", meint der Verkäufer Der Innenraum eines Plymouth-Superbird-Scheunenfundes: "Das nachträglich verbaute Kassetten-Radio hat selbst schon Kult-Status", meint der Verkäufer Quelle: amistadi via ebay.com Heute soll es noch rund 1.000 Exemplare des Superbird geben, doch Schätzungen sind schwierig. Das liegt an der wechselhaften Beliebtheit des Modells. In der neueren Zeit wurden viele reguläre Roadrunner mit Umbausätzen zum Superbird. Früher verhielt es sich umgekehrt, viele Besitzer schraubten das Flügelwerk ab. Oder entschieden sich erst gar nicht für das Racing-Derivat. Das Aerodynamik-Paket brachte auf High-Speed-Rennstrecken Vorteile. Beim „privaten Drag-Race“ an der Ampel zogen die leichteren, herkömmlichen Varianten aber davon. Superbirds standen mitunter lange am Hof der Händler.

Denkbar, dass die Einmottung dieser beiden Superbird-Exemplare Anfang der 1980er-Jahre nicht aus reiner Liebe geschah. Sondern weil ein echter Verwendungszweck fehlte, für die Variante mit dem unspektakuläreren Aggregat. Der zwischen rund 380 PS und 395 PS starke 7,2-Liter-V8 (intern: 440 Super Commando) fand in die Mehrzahl der Superbird-Motorräume. Markenfans wollten eher den 431 PS starken 7,0-Liter (intern: 426), von dem es weniger als 200 Exemplare gegeben haben soll.

Heute benötigt ein Superbird keinen Hemi-Motor für den Legenden-Status. Nicht einmal ein garantiert funktionstüchtiges Aggregat. Ob die Scheunenfunde anspringen, probierte der Verkäufer nicht aus. Unsere Vermutung: Selbst mit plattem Aggregat wäre ein Superbird auf lange Sicht eine sichere Bank. Und die Refinanzierung klappt vielleicht ganz ohne Wiederverkauf. In kleinen Schritten, mit: "Wetten wir um 50 Euro, dass mein Spoiler serienmäßig ist?"

 

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