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Classic Driving News

…und läuft und läuft und läuft? Kaufberatung VW Käfer

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Eine Kaufberatung zum VW Käfer – das hat etwas von der berühmten „Quadratur des Kreises“. Denn der letzte Mexikaner aus unserem Jahrhundert mit seinem 1600er Einspritzmotor hat mit dem Ur-Brezel, der kurz nach dem Krieg aus dem Schutt der Wolfsburger Hallentrümmer krabbelte, technisch nichts gemeinsam, nicht ein einziges Teil.

Allein weit über 200 Varianten zur Gemischaufbereitung hat es im Laufe von rund sechs Jahrzehnten gegeben. Dennoch haben alle Käfer genug Konstruktionsmerkmale (und Schwachstellen) gemeinsam, um den Versuch zu wagen, sie in einem Text zusammen zu fassen.

Blech und Rost

Der Hauptfeind des Wolfsburger Krabblers ist leicht aus zu machen: Väterchen Rost! Ein Käfer kann eigentlich an jeder Stelle rosten, wobei manche mehr gefährdet sind als andere. Deshalb sind der Zustand der Bodengruppe und der Karosserie wichtig. An der Front lohnt sich ein Blick unter die vordere Haube. In der Mulde für das Reserverad sammelt sich gern Feuchtigkeit, und dann blüht es dort zügig braun. Knitterblech in diesem Bereich ist der Beleg für einen schlecht reparierten Frontschaden. Bei den Versionen mit „langem“ Vorderwagen (1302 bzw. 1303, ab August 1970) verdienen auch die Federbeindome einen kritischen Blick. Die Fronthaube selbst gammelt gern im Bereich der Haubenhalter und reißt des öfteren an der Unterkante. Die vorderen Radkästen rosten gern in Richtung Fußraum und auch die Lampentöpfe in den vorderen Kotflügeln gelten als Schwachpunkt.

Auch wenn alle vier Kotflügel geschraubt sind, lässt sich Ersatz in guter Qualität nicht mehr ganz so einfach beschaffen wie noch vor einigen Jahren. Dies gilt vor allem für die älteren Modellen mit liegenden Scheinwerfern. An den Türen verdienen die Unterkanten und die Bereiche unter dem Chromrahmen Aufmerksamkeit. Die Türscharniere sind auf Spiel und die Fensterheber auf Gängigkeit zu prüfen. Bei geöffneten Türen ergibt sich ein guter Ausblick auf die Schweller. Sie gammeln gern dort, wo die Trittbretter angeschraubt sind. Mit einem vorsichtigen Tritt auf die gummierte Oberseite lassen sich auch diese Anbauteile prüfen: Knirscht es, ist der Austausch des Trittbretts angesagt.

Im Innenraum lohnt sich ein Blick unter die Fußmatten beziehungsweise die Bodenteppiche. Ist dort alles trocken? Anschließend empfiehlt es sich, die Rückbank hochzuklappen und die hinteren Seitenschweller sowie den Batterieboden zu inspizieren. Ein original vorhandenes Falt- oder Stahlkurbeldach ist ein gern gesehenes, wertsteigerndes Ausstattungsdetail – sofern es dicht und funktionstüchtig ist. Nistet der Gilb in den Regenrinnen oder in der Falz zur A-Säule, ist Vorsicht geboten: Beide Stellen sind nur schwer dauerhaft zu sanieren. Blasen im Bereich der als „Halbmonde“ bekannten hinteren Zwangsentlüftungen (ab Modelljahr 1971) bedeuten Ärger: Der Bereich dahinter ist ab Werk gegen Zugluft ausgeschäumt, und der Schaum speichert eingedrungene Feuchtigkeit wie ein Schwamm.

Die hinteren Seitenteile sind im unteren Bereich zwischen Tür, Trittbrett und hinterem Kotflügel anerkannte Schwachpunkte und normalerweise bei jedem historischen Käfer mindestens einmal saniert worden. Leider ist dieser Bereich häufig ein Tummelplatz für Spachtel-Virtuosen, der altbekannte Magnettest ist an dieser Stelle also besonders sinnvoll. In den hinteren Radkästen verdienen die Halter des Heckstoßfängers, die Deckel der Drehstäbe und die Verstärkungsbleche für die StoßdämpferAufnahmen kritische Beachtung.

Die Bodengruppe des Käfers lässt sich am besten auf einer Grube oder Hebebühne begutachten – zur Not muss man das Objekt seiner Begierde halt hoch bocken. Im Frontbereich ist der untere Bereich der Reserveradmulde von Interesse. Es folgt die Inspektion der Vorderachse, die – vor allem beim 1200er – an den Verbindungen der Achsrohre durchgammelt. Eine Reparatur an dieser Stelle muss sehr sorgfältig durchgeführt werden, sonst droht Ärger mit dem TÜV. Mindestens ebenso kritisch beäugen die Herren in den grauen Kitteln den dahinter liegenden Rahmenkopf. Schweißarbeiten hier erfordern ebenfalls besondere Sorgfalt. Ein Blick auf die Bodenbleche kann nicht schaden, und auch die Unterseite der Schweller wird ab und an vom Gilb befallen. Der Bereich über den Rohren der Drehstabfederung ist besonders anfällig an der Stelle, wo die Heizschläuche ins Wageninnere führen: An dieser Stelle liegen drei Bleche übereinander. Bei den Stoßstangen sind leicht patinierte Originale dem Ersatz aus dem Zubehör oft vorzuziehen: Da ist viel Schrott auf dem Markt, bei dem der Glanz nach einer Saison oft schon hinüber ist.

Interieur

Im Innenraum ist auf Stimmigkeit zu achten: Sitze und Türverkleidungen sollten in ordentlichem Zustand sein und optisch zueinander passen, die Sitze dem Baujahr entsprechen, der Radioschacht nicht unfachmännisch für eine moderne Musikanlage erweitert worden sein und sich möglichst nur die originalen Instrumente wie Tachoeinheit und Tankuhr an ihrem Platz befinden. Womöglich wild ins Blech der Armaturentafel gesägte Löcher für Zusatzinstrumente sowie bunte Kupferspaghetti unterhalb lassen auf Bastelorgien und Billig-Tuning schließen und sind überdies oftmals nur mit viel Aufwand rückzurüsten. Originales und intaktes Interieur aufzutreiben, ist inzwischen – selbst für jüngere Semester – schwieriger als noch vor wenigen Jahren. Sonderausstattungen wie beim „Jeans“ Käfer schneidert man am besten selbst – Ersatz ist nämlich gar nicht mehr aufzutreiben.

Antrieb und Elektrik

Alte Käfer aus der Zeit vor 1967 mit originaler 6 Volt Elektrik sind nur für das Fahren bei Tageslicht geeignet, denn die funzeligen Bilux-Lampen spenden selbst bei vernünftigem Stromdurchgang herzlich wenig Licht, und die mehr glimmenden als leuchtenden Rückleuchten gehen im Meer der Leuchtdioden-Hecklampen schlicht unter. Der Verzicht auf eine 12 Volt Umrüstung ist daher nur etwas für Originalitäts-Fetischisten. Ansonsten macht die einfach aufgebaute Elektrik wenig Ärger, so fern alle Masseanschlüsse in Ordnung sind.

Die Motoren des Käfers haben einen legendären Ruf, was die Zuverlässigkeit angeht. Dennoch sind sie nicht völlig gegen Schäden gefeit. Vor allem der dritte Zylinder des luftgekühlten Vierzylinders neigt zu Hitzeproblemen: Denn, wie schon die VW-Werbestrategen in den sechziger Jahren wussten, „Luft kocht nicht, Luft gefriert nicht“. Allerdings kühlt Luft auch nicht wirklich besonders gut und erst recht heizt sie nicht wirklich. Deshalb ist bei einem Käfer, der nicht nur im Sommer bei schönem Wetter gefahren werden soll, in jedem Fall auf eine Ausrüstung mit intakten Wärmetauschern, den so genannten Heizbirnen, und ebensolchen Heizkanälen zu achten. Etwas Ölfeuchtigkeit ist beim Käfer normal, tropfen sollte der Antriebsstrang aber nicht. Die Getriebe gelten als weitgehend unzerstörbar, lediglich die Synchronringe (vor allem zwischen zweitem und drittem Gang) schwächeln mit der Zeit. Spiel an der Hinterachse lässt Arbeit erwarten, an der Vorderachse ist geringes Spiel in den Radlagern sogar vorgeschrieben, sie sind auch bis zu einem gewissen Punkt nachstellbar. Ähnliches gilt für die Lenkung, zwei Fingerbreit Spiel am Lenkradkranz gelten als tolerabel.

Teile und Verfügbarkeit

Auch wenn ein Käfer auf dem Schrottplatz heutzutage schon fast ein Exot ist: Um die Teileversorgung zumindest der jüngeren Baujahre muss man sich auf absehbare Zeit nicht sorgen. Im Internet und bei spezialisierten Händlern gibt es noch fast alles, zumindest im Bereich der Technik. Nachgefertigte Karosserie- und Anbauteile hingegen sind oft von eher fragwürdiger Qualität, und beim Interieur ist oftmals langes Suchen angesagt, bis man das wirklich zum Fahrzeug passende Teil gefunden hat. Je älter der Käfer ist, um so schwieriger gestaltet sich zumeist die Teilesuche, und um so teurer wird der Ersatz: Herzchenleuchten für 50er Jahre Modelle oder Türen, die in dieser Form nur im Modelljahr 1966 zum Einsatz kamen, werden inzwischen fast in Gold aufgewogen. Bei kompletten Fahrzeugen ist die Bandbreite groß: Verschlissene Letzthand-Mexikaner wechseln manchmal noch für unter 100 Euro den Besitzer, während ein Ovali im gleichen Zustand vierstellig werden kann. Fahrbereite Käfer kratzen oftmals an der 1000er Grenze, ordentliche Exemplare mit TÜV sind – zumindest wenn es sich um in Deutschland gefertigte Autos handelt – kaum noch unter 3.000 Euro zu bekommen. Originale Ovalis oder Brezelkäfer im Zustand 3+ oder besser kosten zumeist fünfstellige Summen, und für Cabrios werden noch einmal satte Aufschläge verlangt. Weil die offenen Käfer von jeher gefragter waren als Modelle mit Blechbuckel, ist ein besonders kritisches Auge vonnöten: Mit Spachtel, Lack und viel Optimismus wurde schon so manches Cabrio am Leben gehalten, das als Limousine schon vor Jahren auf dem Schrott gelandet wäre.

Originale Ovalis oder Brezelkäfer im Zustand 3+ oder besser kosten zumeist fünfstellige Summen, und für Cabrios werden noch einmal satte Aufschläge verlangt. Weil die offenen Käfer von jeher gefragter waren als Modelle mit Blechbuckel, ist ein besonders kritisches Auge vonnöten: Mit Spachtel, Lack und viel Optimismus wurde schon so manches Cabrio am Leben gehalten, das als Limousine schon vor Jahren auf dem Schrott gelandet wäre.

von Michael Grote

 

Quelle: Carsablanca

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