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Blitzer-Legenden und was dran ist: Strafen, Einsprüche, Toleranzwerte - 10 Blitzer-Mythen im Fakten-Check

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Entfällt die Strafe, wenn das Blitzer-Foto unscharf ist? Wie darf ich Entgegenkommende vor einer Radar-Falle warnen? Sind Blitzer-Apps erlaubt? 10 Blitzer-Mythen.

Wir kennen ihre Standorte in unserer Heimatstadt genau. Und glauben auch sonst vieles über Blitzer zu wissen. Doch nicht alles, was man sich erzählt, stimmt tatsächlich. Wir überprüften die zehn größten Blitzer-Mythen Wir kennen ihre Standorte in unserer Heimatstadt genau. Und glauben auch sonst vieles über Blitzer zu wissen. Doch nicht alles, was man sich erzählt, stimmt tatsächlich. Wir überprüften die zehn größten Blitzer-Mythen Quelle: dpa / Picture Alliance

Berlin - Wir merken uns ihre Standorte. Und fürchten die Konsequenzen ihres Zwinkerns: Blitzer-Apparate bestimmen seit der ersten Fahrstunde das Gewicht unseres Gasfußes. Oder waren es doch nur halbgare Legenden, an denen wir unser Tempo all die Jahre ausrichteten? Wir entlarven zehn verbreitete Mythen - über Blitzer-Apparate, die Strafen, die sie uns einbringen und die Tricks, die das abwenden sollen.

Mythos 1: Blitzer sind „Radarfallen“

Die wenigsten stationären Blitzer messen die Geschwindigkeit mittels Radar-Strahlen. Zu fehleranfällig ist die Technik, wie Anwalt Jens Dötsch erklärt: „Die Messgeräte senden Radarstrahlen aus, die vom Fahrzeug reflektiert werden (…). Dabei kann es schnell passieren, dass nicht nur ein Objekt gemessen wird.“ Häufiger ist der „Starenkasten“ – der Klassiker unter den Blitzer-Systemen. In bestimmten Abständen sind piezoelektrische Drucksensoren in die Fahrbahn eingelassen. Fährt das Auto darüber, geben sie ein Signal. Aus dem Abstand der Signale wird die Geschwindigkeit errechnet. Der von außen sichtbare Blitzer-Kasten ist lediglich für das Foto zuständig, sendet nichts aus. Gleiches gilt für Foto-Boxen, die an Lichtschranken gekoppelt sind.

Häufig stehen mittlerweile sogenannte Blitzer-Säulen am Fahrbahnrand - silbergraue Röhren mit dunklen Ringen. Dahinter verbirgt sich ein Laser-Messsystem. Lichtimpulse werden ausgesendet und vom Auto reflektiert. In ganz Deutschland gibt es aktuell rund 800 Blitzer-Säulen, Tendenz steigend. Die Gesamtzahl der Blitzer wird damit nicht zwingend größer, häufig ersetzen diese Säulen die Messtationen mit älterer Technik.

Mythos 2: Blitzer-Säulen messen immer in beide Fahrtrichtungen

An der Anzahl der Ringe lässt sich der Wirkungsbereich einer Blitzer-Säule ablesen. Vier Ringe erfassen bis zu vier Spuren, drei Ringe nur zwei Fahrstreifen An der Anzahl der Ringe lässt sich der Wirkungsbereich einer Blitzer-Säule ablesen. Vier Ringe erfassen bis zu vier Spuren, drei Ringe nur zwei Fahrstreifen Quelle: dpa / Picture Alliance Die Exekutive zieht aktuell Blitzer-Säulen den älteren Messtechniken vor – unter anderem, weil sie in beide Fahrtrichtungen gleichzeitig messen können. Bis zu vier Fahrspuren lassen sich abecken. Das bedeutet aber nicht, dass jede Blitzer-Säule die gesamte Fahrbahn im Blick hat. Praktisch: Wie weit der Messbereich geht, kann der Fahrer schon ermitteln, bevor es blitzt. „Säulen mit vier Ringen messen in beiden Fahrtrichtungen, bei drei Ringen wird nur eine Fahrtrichtung abgedeckt“, erklärt Sebastian Ramb vom Hersteller Vitronic.

Der Nachteil aus Autofahrer-Sicht: Die Säulen knipsen nicht genauer oder unbarmherziger als ältere Blitzer-Systeme, könnten aber häufiger „scharf“ gestellt sein. Sie speichern die Bilder der Temposünder digital, verfügen damit im Vergleich zu Apparaten mit Filmrollen über mehr Kapazität bei weniger Wartung.

Mythos 3: Der Fahrer muss auf dem Blitzer-Foto zu erkennen sein

Wer auf dem Blitzer-Foto nicht klar zu erkennen ist, muss kein Bußgeld zahlen – in groben Zügen stimmt das. Dabei ist es in der Theorie sogar unerheblich, ob die Fotoqualität mangelhaft ist oder der Fahrer eine große Sonnenbrille trägt. In der Praxis ist das nicht ganz so einfach - und nicht ohne Nachspiel: Ob der Fahrer zu erkennen ist oder nicht, entscheidet bei einem Einspruch des Fahrzeughalters letztendlich der Richter. Und der kann sich im äußersten Fall auf eine Befragung von Nachbarn oder Familienangehörigen stützen, oder sich auf charakteristische Identifizierungsmerkmale berufen.

Wenn das alles nichts ergibt, hat der Fahrer gute Chancen, ohne Bußgeld davonzukommen: In Deutschland gilt keine Halterhaftung - sprich: Der Gesetzgeber muss dem vermeintlichen Raser nachweisen, dass er tatsächlich gefahren ist. Streitet der Halter die Schuld ab, ist er nicht verpflichtet eine andere Person mit seinen Angaben zu belasten. Weniger formell: „Ich bin es nicht und weiß nicht wer auf diesem Bild im Auto sitzt“, ist eine zulässige Aussage. Die Strafe könnte entfallen, doch: Die Exekutive darf den Fahrzeugbesitzer nach einer solchen Situation zur Führung eines Fahrtenbuches verdonnern – damit beim nächsten Mal klar ist, wer am Steuer saß.

Mythos 4: Blitzer-Apps und warnende Navis sind rechtlich kein Problem

Selten steckt Radar-Technik in den umgangssprachlichen Radar-Fallen. Häufiger messen Druck-Sensoren im Boden oder Laser-Lichtimpulse die Geschwindigkeit Selten steckt Radar-Technik in den umgangssprachlichen Radar-Fallen. Häufiger messen Druck-Sensoren im Boden oder Laser-Lichtimpulse die Geschwindigkeit Quelle: dpa / Picture Alliance Eine App, welche die Standorte der Blitzer kennt. Oder ein Navigationsgerät, das kurz piepst, wenn in der Karte eine Geschwindigkeits-Messstation eingetragen ist. Das alles gehört längst zum Alltag und kann doch rechtlich gar kein Problem sein? Auslegungssache. Laut Paragraph 23 der StVO ist es dem Lenker untersagt, ein technisches Gerät mitzuführen, das Verkehrsüberwachungen anzeigen oder stören soll. Die nachträglich eingebauten Radar-Scanner sind damit definitiv illegal. Blitzer-Apps und Navis bewegen sich in einer Grauzone. Laut einem Bericht der "Augsburger Allgemeinen" stünde es jedem Fahrer frei, sich vor der Fahrt über Geschwindigkeitskontrollen zu informieren.

Das sei auch über Blitzer-Apps und die entsprechende Navi-Funktion zulässig. Was die Nutzung während der Fahrt angeht, vertreten Juristen recht unterschiedliche Meinungen. Grundsätzlich lässt sich sagen: Wer das Gerät schon vor der Fahrt aktiviert und sicherstellt, dass es keine Echtzeit-Informationen aus Datenbanken ziehen kann, hat zumindest etwas Spielraum für Argumentationen. Von zweifelsfreier Legalität kann aber nicht die Rede sein.

In Deutschland können Polizeibeamte theoretisch ein Bußgeld von bis zu 75 Euro verlangen und das Gerät einkassieren. Wenigstens ein solcher Fall ist bekannt. Die Mehrzahl der heimischen Beamten wird in der Praxis aber wenig Interesse am Navigationsgerät zeigen. Doch Achtung auf dem Weg in den Urlaub: In der Schweiz und einigen anderen europäischen Staaten wird die Sache strikter gehandhabt.

Mythos 5: Von der gemessenen Geschwindigkeit werden 10% abgezogen

Hartnäckig hält sich der Glaube, von der gemessenen Geschwindigkeit würden rund 10 Prozent abgezogen. Um etwaige Ungenauigkeiten des Systems auszugleichen. Tatsächlich sind es bei fest montierten Blitzern weit weniger: Bei Geschwindigkeiten von mehr als 100 km/h werden drei Prozent abgezogen. Darunter streicht die Exekutive drei km/h weg. Mehr Toleranz gewährt die Polizei nur, wenn aus einem stehenden oder fahrenden Auto gemessen wird.

Mythos 6: Ich darf Entgegenkommende vor einem Blitzer warnen

Wer unterwegs ist und von mehreren entgegenkommenden Fahrzeugen per Lichthupe angeblinkt wird, weiß Bescheid: Weiter vorne wartet wohl eine Geschwindigkeits- oder Verkehrskontrolle. Hat jeder schon erlebt, viele bereits gemacht. Doch Achtung: Laut Paragraph 16 der StVO ist es nicht zulässig, die Lichthupe zu diesem Zweck einzusetzen. Die Strafe fällt allerdings moderat aus: Bis zu 10 Euro werden für die „Hinweisgeber“ fällig.

Ohne Einsatz der Lichthupe ist das Warnen vor Blitzern oder Kontrollen gestattet - und wenn man zu noch so bizarren Mitteln greift. Vereinzelt kam es zu Situationen, in denen Passanten die Verkehrsteilnehmer mit selbst gebastelten Schildern über Blitzer und Kontrollen informierten. Sie bewegen sich im rechtlichen Rahmen, müssen keine Strafe fürchten. Die Polizei darf sie aber des Platzes verweisen.

Mythos 7: Stand der Blitzer zu nah am Schild, zählt die Strafe nicht

Blitzer-Messung mittels Lichtschranken: Kennt man die Wegstrecke und die Zeit, die ein Auto dafür braucht, kennt man auch dessen Geschwindigkeit Blitzer-Messung mittels Lichtschranken: Kennt man die Wegstrecke und die Zeit, die ein Auto dafür braucht, kennt man auch dessen Geschwindigkeit Quelle: dpa / Picture Alliance Grundsätzlich können Lenker bis zu zwei Wochen nach Erhalt des Strafbescheids Einspruch gegen die Blitzer-Strafe einlegen. Ein beliebter Grund: Der Blitzer stand zu knapp hinter dem Verkehrsschild mit der Geschwindigkeitsbegrenzung. Tatsächlich gibt es hier Minimalwerte: Je nach Region beträgt das Limit grundsätzlich zwischen 75 und 200 Metern, doch es gibt zahlreiche Ausnahmen – etwa für kurze Tempo-30-Zonen, Baustellen oder Bereiche vor Schulen.

Auch wenn bestimmt schon mal ein Blitzer an einem regelwidrigen Standort aufgebaut war: Wir raten klar davon ab, sich hierauf zu berufen. Die meisten Foto-Kästen stehen vermutlich richtig.

Mythos 8: Erst ab einer Übertretung von 40 km/h ist der Lappen weg

Wer außerhalb des Ortsgebietes mit 41 km/h oder mehr über dem Geschwindigkeitslimit geblitzt wird, erhält ein einmonatiges Fahrverbot, zwei Punkte in Flensburg und eine Strafe von rund 160 Euro. Doch auch bei weniger hohen Übertretungen kann der Führerschein weg sein: Innerorts zieht eine Übertretung von 31 km/h dieselben Konsequenzen nach sich.

Also maximal 30 km/h zu schnell und der Führerschein ist sicher? So leicht macht es der Gesetzgeber nicht: Wer innerhalb eines Jahres zwei Mal mit 26 km/h oder mehr über der erlaubten Geschwindigkeit erwischt wird, muss ebenfalls einen Monat lang auf sein Auto verzichten.

Mythos 9: Ein Fahrverbot gilt sofort und bedingungslos

Am Montag verkündet ein eingeschriebener Brief das Fahrverbot, am Dienstag geht es bereits mit dem Bus zur Arbeit? Ganz so streng ist die Sache nicht, so lange es um Geschwindigkeitsübertretungen geht. Das Fahrverbot (denkbar sind ein bis drei Monate) kann innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten angetreten werden. Den genauen Zeitpunkt bestimmt der Raser weitestgehend selbst, kann sich damit auf die Zeit ohne Auto einstellen. Außerdem haben betroffene die Chance, das Fahrverbot mittels eines einmaligen unbegründeten Einspruchs für zwei weitere Monate aufzuschieben. Macht in Summe bis zu sechs Monate Vorlaufzeit, ehe der Führerschein tatsächlich weg ist.

Wer den Lappen nachweislich im Job benötigt (und nicht lediglich auf dem Weg dorthin), kommt unter Umständen am Fahrverbot vorbei. Geht das Ansuchen durch, erhöht sich allerdings das Bußgeld. Regulär geht ein Fahrverbot mit einer Strafe zwischen 160 und 680 Euro einher.

Mythos 10: Blitzer-Strafen verlängern die Führerschein-Probezeit

Mit dem Führerschein in Händen beginnt die Freiheit. Und die Probezeit. Soll heißen: Führerschein-Neulinge können innerhalb von zwei Jahren den Lappen leichter verlieren als die erfahrenen Kollegen. Bei mittelschweren Vergehen erhöht sich diese Zeitspanne flugs um weitere 24 Monate. Doch keine Sorge: Wer den rechten Fuß nicht allzu schwer werden lässt, muss die Blitzer nicht fürchten. Tempo-Vergehen, die mit einem Bußgeld von weniger als 40 Euro belegt sind, wirken sich nicht auf die Länge der Probezeit aus. Wir sprechen von Geschwindigkeitsübertretungen von bis zu 20 km/h.

Nur wer die Grenze überschreitet, behält den Probe-Status länger. Und muss ein kostenpflichtiges Aufbau-Seminar besuchen. Blitzt es ein weiteres Mal bei mehr als 20 km/h über dem Limit, folgt eine Verwarnung und das Angebot, ein verkehrspsychologisches Gespräch zu besuchen. Beim nächsten Vergehen ist der Schein dann allerdings weg.

Quelle: Mit Material von dpa, Bussgeldinfo.org und Augsburger Allgemeine

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