Marktbereinigung, das klingt nach einer sauberen Sache. Dabei bedeutet es weniger Jobs, weniger Vielfalt. In der Zulieferindustrie droht dem deutschen Mittelstand genau so eine Bereinigung.
Frankfurt - Nicht immer fallen kleine Zulieferer großen Krisen zum Opfer. Manchmal reicht schon ein unscheinbarer "Weiter"-Knopf auf der Internetseite eines Autobauers. Der vergibt seine Aufträge häufig nur noch online. Und beim digitalen Wettbieten reicht es längst nicht mehr, günstig und gut zu sein. Autoteile werden heute zeitgleich und baugleich in Europa, den USA und in Asien gebraucht. Wer bei der Ausschreibung das Angebotsfeld für China leer lässt, weil er dort nicht produziert, für den bleibt mancher Auftrag in weiter Ferne. Ohne Internationalisierung läuft heute nicht mehr viel. "Die Hersteller machen klar: Wenn man sie beliefern will, dann muss man sie weltweit beliefern", sagt Bernd Welzel, Geschäftsführer bei Fehrer, einem mittelständischen Spezialisten für Sitzpolster aus der Nähe von Würzburg. "Wenn ich das nicht kann, dann bin ich schnell nur noch ein kleiner regionaler Zulieferer, der bald weg vom Fenster ist." 75.000 Jobs in Europa bedrohtSo weit ist es bei Fehrer zwar nicht. Vor gut sechs Jahren entschied sich der Zulieferer für den riskanten Schritt nach China, Indien, die USA und Südafrika - teils über Partnerunternehmen. Nur in der Heimat sieht es düster aus. Vergangene Woche verkündete Fehrer das Aus für einen Standort bei Leipzig. Am Stammsitz in Kitzingen sollen bis Ende 2014 400 Arbeitsplätze gestrichen werden. Mit dem Stellenabbau steht das Unternehmen nicht alleine da. Laut einer Studie dürften in den nächsten drei bis vier Jahren in Westeuropa rund 75.000 Jobs in der Branche verloren gehen. Davon "rund ein Drittel bis die Hälfte" in Deutschland, sagt Marcus Berret von der Unternehmensberatung Roland Berger. Der Grund: Hierzulande gibt es noch viele Autozulieferer mit großen Belegschaften. Wer nicht expandiert, bekommt ProblemeDie Schrumpfkur in Westeuropa ist aber kein Vorbote für den Niedergang der Branche - im Gegenteil. Die profitablen Unternehmen verdienen einen großen Teil ihres Geldes längst in den USA oder China. Dort und in Osteuropa, wo bereits viele Teile für deutsche Autos erzeugt werden, entstehen neue Jobs. Wer sich die Expansion in die weite Welt nicht leisten kann, bekommt Probleme. "Diese Unternehmen werden nicht von der Bildfläche verschwinden, sich aber zunehmend schwer tun", sagt Berret. Branchenriesen reduzieren LieferantenzahlDie großen Zulieferer wie Continental, Faurecia und ZF achten immer mehr darauf, dass Lieferanten nicht nur Innovationen mitbringen, sondern auch finanziell solide dastehen. So schaut der Sitzehersteller Grammer seinen Lieferanten seit der letzten schweren Branchenkrise vor vier Jahren sehr genau in die Bücher - und guckt sich bei zu vielen Fragezeichen auch nach Alternativen um. Den Ausfall eines Lieferanten können die Großen nicht riskieren, denn das wäre fatal. Schließlich können schon kleine Verzögerungen die ganze Produktionskette lahmlegen. Und zum Teil haben die Aufträge der Hersteller jahrelange Laufzeiten. Da dürfen keine bösen Überraschungen passieren. Deshalb will Grammer die Zahl seiner Zulieferer von einst 1.500 auf rund 300 reduzieren. Bei anderen Branchengrößen sieht es ähnlich aus: Continental schraubte die Zahl seiner strategischen Lieferanten bereits von 1300 auf 900 herunter. Auch ZF Friedrichshafen will die Zahl von 3.500 auf 2.000 fast halbieren. Das trifft dann vor allem kleinere Unternehmen, die nur lokal operieren. Ganz verschwinden müssen aber auch diese Unternehmen nicht zwangsläufig, sagt ein Branchenexperte. Denn die Globalisierung bietet ihnen auch eine Chance: In China und Indien gebe es reichlich interessierte Investoren, die deutsche Mittelständler mit jahrzehntelangem Know-How gern schlucken würden.
Quelle: dpa/bmt |