Jetzt wird’s auch noch politisch! Wohl denen, die in diesem Jahr - allen Unkenrufen zum Trotz, Deutschland rutsche in eine schreckliche Depression - ihren löcherigen Sparstrumpf plündern und einen schicken Neuwagen kaufen wollen. Mutter Staat spendiert in der zweiten Runde der rettenden Ideen jedem Bürger satte 2500,- Euro, wenn er (oder sie) im Gegenzug ihren alten, bösen, umweltfeindlichen Benzinvernichter abwracken lässt. Abwracken! Ausradieren!! Kommen einem da böse Gedanken? Neiiiiin. Schiebt das womöglich unsere Wirtschaft wieder an? Können wir unsere Atemluft bald wieder essen? Oder ist das eine unfassbar überflüssige Schnapsidee und eine Geldverbrennung sonder gleichen? Na - überlegen wir doch mal gemeinsam. Nur damit Sie wissen, worum es geht: Das Bundesamt für Wirtschaft zahlt Ihnen diese Summe, wenn Sie bis zum 31. Dezember diesen Jahres hier in Deutschland einen Neuwagen mit mindestens Schadstoffklasse 4 kaufen und auf Sie selbst zulassen. Das abzuwrackende Auto wiederum muss mindestens 9 Jahre alt sein, ein Jahr auf Sie zugelassen und von einem Fachbetrieb nachgewiesen verschrottet worden sein. Und Sie müssen sich beeilen, denn mehr als 600.000 Bürgen bekommen diese Prämie nicht. Dann sind die 1,5 Milliarden alle. Stelle ich einmal ein paar Thesen auf. Das hat damals schon Luther gemacht, allein, mir fehlt die Kirchentür zum daran Festnageln.
1. These: Das ist ja ein guter Wirtschaftsmotor! In Frankreich hat das doch auch geklappt! Hier verbuchen seit Einführung einer staatlichen Abwrackprämie (halb so viel wie in Deutschland) die großen drei - Citroen, Renault und Peugeot - Absatzsteigerungen im Neuwagensektor zwischen 30% und 40%. Aber vielleicht kaufen die Franzosen auch in Krisenzeiten lieber einheimische Produkte, hört man da drüben mal Radio weiß man was ich meine. Trotzdem ist das doch schön: Ich schieb’ meinen alten Polo in die Presse! Bei Yussuf an der Ecke hätte ich grad mal 250,- Euros bekommen, jetzt zahlt mir Angela das zehnfache! Oh wie schön! Und dann mit diesen sagenhaften Preisnachlässen auf neue Autos, weil ja überall Kurzarbeit ist. Mensch, da tu’ ich was für die Umwelt, für die lieben steuerzahlenden Fließbandarbeiter und für Deutschland. Vielleicht wird es diesmal gar ein Opel?
2. These: Das lockt viele Verbrecher an! Nun. Alle neuen Verordnungen unseres Staates sind prinzipiell doch erst einmal wasserdicht. Schließlich können Sie nicht einfach losziehen und, kurz bevor jeder noch so schrotte Altwagen plötzlich Gold wert ist, noch schnell 20 Stück kaufen, um sie dann teurer an die Neuwageninteressenten weiter zu verkaufen. Nein nein. Das haben schon andere vor Ihnen gemacht. Und dann ist da ja noch die Hürde mit der Zulassung, ein Jahr muss diese ja auf SIE lauten. Nein. Unser ganzes Vertrauen gilt den Recyclingbetrieben, die natürlich nur denen eine Quittung ausstellen, die eben genau dieses vorher auf Sie zugelassene ganz alte Auto dort haben abwracken lassen. Ludolfs. Haufenprinzip. Und alle haben sich lieb.
3. These: Ich kaufe mir deshalb ein neues Auto! Eine Streitfrage. Wenn Sie sich einen Neuwagen für ungefähr 15.000 Euro kaufen möchten, machen 2500,- Euro einen nennenswerten Prozentsatz aus. Überschlagen Sie mal. Also ein klares JA für den finanziellen Anreiz. Aber hätten Sie sich Ihren Neuwagen nicht ohnehin gekauft? Der Bausparvertrag war ja fällig, die Eigenheimzulage kam rechtzeitig im März und diese neue Werbung war irgendwie überzeugend. Und erst dieser charmante Verkäufer… Na da trennt man sich doch strahlend von seinem alten Ford Sierra oder Golf 2 oder Opel Senator. Oder wie all die Autos heißen, die nun keine Klassiker mehr werden können, weil sie abgewrackt wurden und wie vom Erdboden verschluckt sind. Oh. Ich habe eine Meinung durchblicken lassen…
4. These: Die Welt wird trotzdem vor die Hunde gehen! Oha. Gerade noch verstehe ich mich als neuwagenkaufender Retter der Atmosphäre, und da lese ich irgendwo, dass bei der Produktion eines Neuwagens bis zu 15 Tonnen Sondermüll anfallen. Und 200.000 Liter Frischwasser verbraucht werden. Huch? Hergestellt müssen die auch noch werden? Und das ist schmutzig? Na ja, solange Neuwagen in ihrem Leben mehr Schadstoff einsparen als bei ihrer Herstellung produziert wird ist doch alles okay… oder… äh, tun sie das etwa NICHT? Ha! Dachten SIE etwa, die Herstellung einer Solarzelle würde weniger Energie kosten, als diese Solarzelle in 10 Jahren produziert? Tz. Wo leben Sie denn? Auf der Erde? Albern. Willkommen bei den Lobbyisten und Subventionstheoretikern.
Und jetzt sind Sie gefragt. Neben diesen 4 Thesen ließen sich noch unzählige weitere aufstellen, aber vielleicht geht Ihre Meinung ja weit über mein wie gewohnt unrecherchiertes Stammtischwissen hinweg. Teilen Sie mir diese unverblümt und ungeschönt mit: Was halten Sie von der Abwrackprämie? Eine glatte EINS für Deutschlands Wirtschaft? Ein Tritt in den Mages des Greenpeace-Aktivisten? Oder alles nur Humbug? Um Ihnen das Nachdenken zu vereinfachen ein kleiner VHS-Beitrag aus den frühen 90ern. Da haben wir auch schon sehr erfolgreich abgewrackt:
Sodenn, ich bin gespannt auf Ihre Meinung. Meine kennen Sie vermutlich. Aber ich bin nur ein kleiner Blogger und in diesem Jahr bestimmt kein Neuwagenkäufer. Sandmann
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Quelle: Chromjuwelen |
verfasst am 26.01.2009
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