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Alpine A110 (2018) im Test: Fahrbericht, Rennstrecke - Alpine bringt uns die Leichtigkeit zurück

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Was haben wir in 50 Jahren alles verlernt. Zum Beispiel, dass es PS-Monster und Puristenkisten nicht braucht. Die neue Alpine A110 zeigt uns die Mitte. Erste Fahrt.

MOTOR-TALK-Redakteur Sven Förster führte die Französin aus: Mit der Alpine A110 Premiere Edition auf die Rennstrecke von Grand Sambuc MOTOR-TALK-Redakteur Sven Förster führte die Französin aus: Mit der Alpine A110 Premiere Edition auf die Rennstrecke von Grand Sambuc Quelle: Renault

Marseille – Da vorne ist sie wieder. Die Mutkurve. Dieser verdammte, verdammt schnelle Rechtsknick auf der Rennstrecke von Grand Sambuc. In den ersten beiden Runden hob sich der Gasfuß unweigerlich vom Bodenblech. Es ist kalt, es ist nass. Wer weiß, wie der Mittelmotor-Sportwagen Alpine A110 bei um die 200 km/h reagiert. Sagte das Hirn. Nun sagt das Herz: Geht voll. Vielleicht.

Doch noch sind wir auf den letzten Metern der Start-Ziel-Geraden. Wo die Alpine den Fahrer konditioniert wie Pawlow seinen Hund. Ein Piepsen führt zum Zucken in der rechten Hand. Immer. Der Ton kommt wenige Momente, bevor der 252 PS starke 1,8-Liter Vierzylinder sein Drehzahllimit von 6.800 Umdrehungen erreicht. Dann zupft die Hand am fix montierten Schaltpaddel. Das Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe feuert den nächsten Gang rein. Im Track-Modus mit unglaublicher Wucht. Schneller und roher als in den technisch verwandten R.S.- und Sport-Modellen von Renault.

Vergesst alles nach 1977

Die Alpine A110 kommt mit einem 1,8-Liter Turbo-Vierzylinder mit 252 PS und ausschließlich mit einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe Die Alpine A110 kommt mit einem 1,8-Liter Turbo-Vierzylinder mit 252 PS und ausschließlich mit einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe Quelle: Renault Außerdem lauter. Ein Knall schallt beim Heraufschalten der Kurve entgegen: Hier kommt die Neuauflage einer Legende. Der direkte Nachfahre der Alpine A110 Berlinette. Dem ersten Auto, das die Rallye-Weltmeisterschaft gewann. Das war 1973. Damals sicherte sich Renault die Aktienmehrheit am kleinen französischen Sportwagenhersteller Alpine. Bis 1977 entstand in Dieppe die Ur-Version, bis 1995 drei weitere Generationen. Die keilförmigen Nachfolger klammerte man beim Relaunch aus. Den Namen Renault ebenfalls. Alpine soll als eigenständige Marke wahrgenommen werden. Das vorerst einzige Modell A110 soll ein würdiger Nachfolger der meist in Tiefblau lackierten Ikone werden.

Bei knapp 200 km/h auf der Rennstrecke beeinflusst die Farbe durchaus das Denken: Nur keinen silbernen Streifen auf dem tiefblauen Rückspiegel hinterlassen. Trotzdem vor der Kurve so knapp wie möglich an die Leitplanke, jeder Zentimeter vergrößert den Radius. Ruhig Einlenken und durch. Ohne Lupfen. Ohne Probleme. Geht ja! Hat aber eine Folge: Mehr Geschwindigkeit vor der folgenden 180-Grad-Kehre. Hart und entschieden Anbremsen. Die Brembo-Stopper kommen mit dem Gewicht der Alpine A110 gut zurecht. Moderate 1.103 Kilogramm wiegt dieses Modell der Premiere Edition.

Das Mitte bis Ende 2018 folgende Basismodell Pure soll rund 20 Kilogramm leichter werden. Daneben wird es die etwas schwerere und komfortabler ausgestattete Legende-Version geben. Hauptunterschied: elektrisch verstellbare Sitze anstelle der stark taillierten einteiligen Sabelt-Hocker.

Leichtgewicht mit 44:56-Gewichtsverteilung

Der Unterschied zwischen einem Innenraum und einem Cockpit? In Letzterem fühlt man sich geborgen. Und trotzdem aufgestachelt. Wie im Inneren der Alpine A110 Der Unterschied zwischen einem Innenraum und einem Cockpit? In Letzterem fühlt man sich geborgen. Und trotzdem aufgestachelt. Wie im Inneren der Alpine A110 Quelle: Renault Auf der Rennstrecke sind wir froh über den Seitenhalt. Wenn man sich nirgends abstützen muss, ist der Kopf frei für das Wesentliche. Einlenken auf die enge Kehre, zum Beispiel. Funktioniert mit der Alpine ohne irgendwelche Tricks oder Experimente. Manche Mittelmotor-Sportler müssen auf der Bremse in die Kurve gewuchtet werden, der Gewichtstransfer erleichtert der Vorderachse dann die Arbeit. Die Alpine ist da weniger empfindlich. Gut, 44 Prozent der Masse lasten auf den Vorderrädern – zumindest bei vollem Tank. Diesen verlegte Renault nach vorne.

Wie gelungen diese Verteilung auch sein mag: Am Kurvenausgang braucht es auf nasser Strecke Geduld am Gas. Ein Heckausbruch ist in der Alpine längst keine Nahtoderfahrung, so spitz stimmte Renault den kleinen Sportler nicht ab. Aber der Drift kostet immer Zeit. Das Stabilitätsprogramm drosselt bei heraushängendem Heck die Leistung. Im "Sport"-Modus weniger als in "Normal". In "Track" weniger als in "Sport". Aber doch. Bei deaktiviertem Sicherheitsnetz verpufft die Kraft dagegen. Die elektronische Differenzialsperre scheint recht konservativ ausgelegt, die Kraft mehrheitlich am kurveninneren (bzw. entlasteten) Rad anzukommen. Eine mechanische Sperre ist nicht im Angebot.

Gut, die Alpine soll kein Drifter sein. Man räubert nicht in die Kurven, sondern fließt eher hindurch. Für einen Sportler ist das Fahrwerk vergleichsweise weich, die Lenkung leichtgängig, aber direkt. Für die folgenden schnellen, welligen Schikanen passt das. Mit der Alpine kann man spielen, das Auto mal sanfter, mal ruppiger in die nächste Kurve umsetzen. Die Französin verzeiht Fehler. Oder sagen wir: toleriert Experimente.

Die Alpine hat ihre Nische

Die Alpine A110 ist lediglich 4,18 Meter lang und 1,25 Meter hoch Die Alpine A110 ist lediglich 4,18 Meter lang und 1,25 Meter hoch Quelle: Renault Letzte Kurve, am Ende der Start-Ziel-Geraden ist schon die nächste Alpine zu sehen. Sieht nicht nur aus der Entfernung klein aus. Knappe 4,18 Meter ist das Auto lang, nur 1,25 Meter hoch. Gut so. Eine Adaption der Alpine A110 Berlinette sollte kein opulentes Ungetüm sein. Klein und leicht genug, um mit moderater Leistung schnell zu sein - so war es ab 1966 und so gelang es bei der aktuellen Ausgabe. Die kommt bislang am Markt gut an: Die 1.955 Exemplare der Premiere Edition (ab 58.000 Euro) sind vergeben, für die Serienmodelle liegen zahlreiche Bestellungen vor.

Das Auto hat unabhängig vom Retroschick seine Nische: Die Alpine ist leichter und verspielter als ein Porsche Cayman, als der Audi TT sowieso. Gleichzeitig alltagstauglicher als eine Lotus Elise oder ein Alfa 4C. Alltag, das ist für Besitzer leichter Mittelmotor-Sportler nicht zwingend die Fahrt zum Supermarkt. Hier ist die Alpine mit insgesamt 190 Liter Kofferraumvolumen und spärlichen Ablageflächen im Innenraum genauso schlecht aufgestellt wie die Mitbewerber aus England und Italien.

Nein, Alltag heißt in diesem Segment viel mehr: Regen am Tag des Trackdays oder eine holprige Landstraße auf dem Weg dorthin. Schmutz auf der Ideallinie oder ein zu optimistisch gesetzter Bremspunkt. Dann wünscht man sich als Fahrer einen unkomplizierten Spielkameraden, keine zickige Prinzessin. Herzlich willkommen, Alpine! Schade allerdings: In Deutschland wird es vorerst nur 13 Händler geben.

Technische Daten Alpine A110

  • Modell: Alpine A110 Premiere Edition
  • Motor: 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner
  • Getriebe: Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (ausschließlich)
  • Leistung: 252 PS bei 6.000 Umdrehungen
  • Drehmoment: 320 Nm bei 2.000 bis 5.000 Umdrehungen
  • Verbrauch: 6,1 l/100 km (NEFZ)
  • CO2: 138 g/km
  • 0 – 100 km/h: 4,5 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Länge: 4,18 m
  • Breite: 1,80 m
  • Höhe: 1,25 m
  • Radstand: 2,42 m
  • Leergewicht (EU): 1.103 kg (Ausstattung Pure ab 1.080 kg)
  • Kofferraum: 96 l (vorne) 100 l (hinten)
  • Grundpreis: 58.000 EUR
  • Marktstart: März 2018
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