Hinter manchem Inserat verbergen sich besondere Fundstücke. Einige davon stellen wir Euch auf MOTOR-TALK vor. Diesmal ein Audi V8, der erste Oberklasse-Wagen aus Ingolstadt.
Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Von Haiko Prengel Eberswalde - Piëchs Prestigeprojekt wartet auf dem platten Land, weit draußen in der Brandenburger Provinz. Für besondere Autos muss man eben manchmal etwas weiter fahren. "Der war von Hause aus schon sehr rar", begrüßt uns Stephan Gloede freundlich und tätschelt die vollverzinkte Karosserie seines seltenen Luxusschlittens. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Der - damit ist ein Audi V8 gemeint, Erstzulassung März 1989. Der Audi V8, Typ D11/4C, war der erste Oberklasse-Wagen des Konzerns aus Ingolstadt. In Eberswalde, eine Autostunde nordöstlich von Berlin, steht gerade ein 3.6er mit strammen 250 PS zum Verkauf. In Zermattsilber, mit geradezu jungfräulichen 176.000 Kilometern auf dem Tacho. Rückblende: Vor 30 Jahren war es noch nicht üblich, dass Politiker oder Firmenchefs mit einem Fahrzeug der Audi AG vorfuhren. Die Autos der Marke galten als bieder und hatten zu wenig Renommee. Zwar solide, aber eher etwas für Rentner und Hutträger. Der damalige Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piëch wollte das unbedingt ändern. Und ließ mit immensem Aufwand und viel Geld eine Luxuslimousine entwickeln, die es mit der etablierten Konkurrenz, also der S-Klasse von Mercedes und der 7er-Reihe von BMW, aufnehmen sollte. Auto-Teile aus guten JahrgängenDer Audi V8 in Eberswalde steht für sein Alter erstaunlich gut da. Von Rost gibt es, anders als bei den meisten anderen Autos aus den Achtzigerjahren, praktisch keine Spur. Speziell in den ersten beiden Produktionsjahren 1988 bis 1990 sei die Blechqualität sehr gut gewesen - in den Folgejahren sei dann daran gespart worden, erklärt Verkäufer Gloede. Auch dass der 3.6er V8 ein hohen Ölverbrauch habe, sei Quatsch. Ein Ölfresser sei eher der ab 1992 angebotene Motor mit 4,2 Litern Hubraum. "In der Szene ist das bekannt, aber es wird immer falsch angegeben." Dafür gehe bei den 4,2ern mit ihren 280 PS noch mal ganz anders die Post ab. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Man merkt: Hier kennt sich einer aus. Tatsächlich kann man Gloede wohl als Kenner bezeichnen. In den vergangenen Jahren fuhr der Brandenburger diverse Audi V8. Den aktuellen in Zermattsilber besitzt er seit 2013, will sich aber nun von dem Wagen trennen, gezwungenermaßen. Daheim hat Gloede nur einen offenen Carport. Einen besonderen Klassiker wie den Audi V8 müsse man aber in einer festen Garage unterstellen, findet er. Noch besser als Abstellen ist es allerdings, mit dem Teil zu fahren. Zur Probefahrt versinken wir in tiefen Ledersitzen, das Cockpit ist mit edlem Holz eingefasst. Der Achtzylinder springt etwas lustlos an, gemächlich rollen wir vom Hof. Schon auf der Landstraße bekommt der betagte Schlitten aber gute Laune und wir mit ihm: Beherzt aufs Gaspedal gedrückt, jagen wir vorbei an Wiesen und Feldern, der Motor klingt wie eine Turbine. Oder kommt der Sound von den Reifen? Windgeräusche jedenfalls gibt es kaum, so gut ist der 1,7 Tonnen schwere, permanent allradgetriebene Wagen abgedämmt. Leider funktioniert die Klimaautomatik nicht und wir müssen die Fenster öffnen, um uns etwas Abkühlung zu verschaffen. Auch der V8 ist auf Betriebstemperatur, aus dem Auspuff sägt es kernig. "Wenn der warm ist, dann faucht er", schwärmt Stephan Gloede. Der Auspuff bei seinem Audi V8 ist übrigens noch der erste. Auch die Ersatzteil-Preise liegen in der OberklasseQuelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Erst neulich bei der Hauptuntersuchung monierte der Prüfer leichten Rostansatz bei der Abgasanlage, nach 29 Jahren. Damals hat die Audi AG bei der Entwicklung des ersten Oberklasse-Wagens offenbar noch massiv in die Haltbarkeit investiert. Neben der vollverzinkten Karosserie besticht der Audi V8 durch eine äußerst langlebige Technik. Probleme mit der Elektronik sind vergleichsweise selten, abgesehen von kalten Lötstellen im Kombiinstrument. Brechen die Kontakte im Alter auf, geben Temperatur- oder Tankanzeige gerne mal den Geist auf. Abhilfe schafft in der Regel ein Tropfen Lötzinn. Auch Motor - aluminiumgefertigt und mit Zylinderköpfen vom VW Golf GTI - sowie Getriebe gelten als langlebig, normale Pflege vorausgesetzt. Ein Problem ist dagegen die Ersatzteillage. Vieles ist neu nicht mehr zu bekommen, auch nicht bei Audi Tradition. Weil der Audi V8 auf Basis der Modelle Audi 100 und 200 entwickelt wurde, passen zwar manche Teile aus dem Konzernregal auch für den V8, zum Beispiel einige Fahrwerkskomponenten, Sitze und vordere Türen. Die hinteren Türen vom 100/200 passen dagegen nicht. "Manche Ersatzteile sind schwer zu bekommen, etwa die Gummidichtungen für die Scheinwerfer", ergänzt Stephan Gloede. Auch Rücklichtecken sind nicht mehr erhältlich. Defekte Lenkgetriebe kann man dagegen überholen lassen. Teuer wird es, wenn der Tacho kaputt geht, ein neuer kostet 3.500 Euro. Auch Verschleißteile wie Bremsen gehen ins Geld - ein neuer Satz vorne kostet 1.500 Euro. Ein neuer Motor kostet um die 10.000 Euro. "Das sind teils schon brutale Preise", sagt Gloede. Oberklasse eben. Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Gloedes Audi V8 ist ein sogenannter "Buchhalter", was angesichts der Ausstattung - serienmäßig Ledersitze, elektrische Fensterheber, Bordcomputer, Schiebedach, Klimaautomatik - kurios erscheint. Der Neupreis für einen Buchhalter lag bei knapp 100.000 D-Mark. Mit einem Autotelefon wie bei Gloedes Wagen - waren es dann direkt 110.000 Mark. Den Wünschen der Kunden waren kaum Grenzen gesetzt, um die Edellimousine weiter mit aufzurüsten. Wer sein Häkchen bei der Classic-Line-Ausstattung machte (über 20.000 Mark Aufpreis), konnte die Farbe der Ledersitze selbst wählen. Die Nähte waren davon noch einmal farblich abgesetzt. Der Dachhimmel ließ sich steppen, für das Armaturenbrett waren verschiedene Farbtöne bestellbar. Vielbeschäftigte Business-Kunden konnten das Office-Paket mit Computer und Drucker ordern. Das Irre dabei: Wer die serienmäßige Klimaautomatik nicht haben wollte oder statt auf Leder lieber auf Stoff oder Velours sitzen wollte, musste diese Features abwählen - kostenpflichtig. Der Wegbereiter des Audi-Aufstiegs"Das Auto wurde viel belächelt", sagt Stephan Gloede. "Aber was die Technik betrifft, haben sie richtig geklotzt." Heute gilt der Audi V8 als ein Meilenstein des damaligen Audi-Chefs Ferdinand Piëch, lange Zeit der mächtigste Mann im VW-Imperium. Die Verkaufszahlen des ersten Oberklasse-Audis blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück. Die hohen Entwicklungskosten wurden nie eingespielt. Das lag wohl nicht nur am hohen Preis: In der Basisausstattung kostete der Audi V8 deutlich mehr als die Autos der Konkurrenz von Mercedes-Benz und BMW. Das wollten viele nicht ausgeben, auch weil ein Audi beim Image und Prestige damals noch nicht ganz oben mitspielte. Heute sind sich selbst die meisten Audi-Fans daher einig, dass die Marke erst 1994 so richtig in der Oberklasse ankam - mit der Luxuslimousine A8. Den Grundstein dafür legte allerdings der Audi V8. Er gilt nicht nur als Zeuge, sondern auch als der Wegbereiter des Audi-Aufstiegs. Überschaubare 21.500 Exemplare (einschließlich der von Steyr gebauten Langversion) wurden gefertigt, davon waren 2017 noch rund 800 Exemplare in Deutschland angemeldet. Einer davon ist in Brandenburg in freier Wildbahn unterwegs, und Verkäufer Stephan Gloede gibt seinen Edel-Audi nur ungerne ab. "Er soll auf jeden Fall in gute Hände." Audi V8 bei mobile.de finden Technische Daten Audi V8 3.6 (1988 bis 1994)
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