Das Auto ist schon fast 130 Jahre alt. Aber erst mit dem konsequenten Einsatz des Fließbandes bei Ford vor genau 100 Jahren wurde der eigene Wagen für den Großteil der Bevölkerung bezahlbar. Heute ist das Fließband aus den großen Autofabriken nicht mehr wegzudenken.
Anfang des 20. Jahrhunderts sah das anders aus. Damals wurde noch jedes Fahrzeug komplett zusammengebaut, bevor die Arbeit am nächsten Automobil begann. Leisten konnten sich die frühen Motorkutschen nur die Reichen und Mächtigen.
Ford Modell T: Zwischen 1908 und 1927 wurden 15 Millionen davon gebaut Quelle: Ford
Als erster adaptierte Ransome Eli Olds im Jahre 1901 eine Fließbandfertigung, die er in den Konserven- und Fleischfabriken Chicagos kennengelernt hatte. Der Materialtransport zwischen den einzelnen Arbeitsplätzen erfolgte über ein Band, jedem in dessen Verlauf positionierten Arbeiter wurde eine Aufgabe zugeteilt.
Der Oldsmobile-Schöpfer ist heute zumindest in Deutschland vergessen. Zum Durchbruch verhalf dem Fließband sein Konkurrent Henry Ford, der mit dem im Akkord produzierten T-Modell ab 1913 die Welt veränderte.
Ford mobilisiert Millionen
Die Kostenvorteile seiner permanent optimierten Fließbandfertigung bewirkten, dass ein Auto nur noch rund vier Monatslöhne eines amerikanischen Industriearbeiters kostete. Das sorgte für einen nie geahnten Auto-Boom. Beim Bandanlauf des Model T betrug der gesamte Fahrzeugbestand in den USA nur 900.000 Einheiten, 1927 waren es 20 Millionen.
Neben der Fließbandfertigung ermöglichte auch die erste durchrationalisierte Produktionskette vom Rohstoffeinkauf bis zur Fahrzeugauslieferung permanent sinkende Endpreise bei Ford.
Hinzu kamen die Anfänge der „Just in Time“-Produktion, bei der die benötigten Materialien immer nur in den gerade erforderlichen Mengen passgenau zum Zeitpunkt des Verbrauchs angeliefert wurden.
Dadurch wurde Lagerhaltung überflüssig, wie Henry Ford schon 1922 in seinen Lebenserinnerungen erläuterte.
Ford vertrat die Überzeugung: „Es gibt keine fehlende Nachfrage, es gibt nur zu hohe Preise“. Er konnte den Verkaufspreis für das Model T von 780 US-Dollar im Jahr 1911 auf 490 US-Dollar im Jahr 1914 senken. Für seine Arbeiter bedeutete das, dass sie sich mit mit dem Einsatz von 98 Tageslöhnen ein T-Model leisten konnten.
Opel 4/12 PS „Laubfrosch“: Deutschlands erstes echtes Fließbandauto Quelle: General Motors
Europa kopiert Amerika
Von den Arbeitern forderte Ford die bedingungslose Anpassung an das Produktionssystem. Kritiker prangerten die monotone Arbeit mit stets gleichen Handgriffen immer wieder an.
Aufhalten konnten sie das Fließband jedoch nicht.
Europas Automobilbauer kopierten Fords revolutionäres System schnell. André Citroen setzte die Fließbandfertigung 1919 als erster in Europa ein. In Deutschland baute Opel sein Werk komplett um und kopierte nicht nur Citroens Produktionstechnik, sondern auch sein Auto: Der anfänglich aus Kostengründen stets grün lackierte Opel 4/12 PS „Laubfrosch“ avancierte mit 120.000 verkauften Einheiten zu einem Bestseller. In England erfolgte die Revolution durch Herbert Austin, dessen kleiner Seven die Insel mobilisierte.
Ford Model T wird erst 1972 abgelöst
1934 forderte in Deutschland Adolf Hitler den Bau eines Autos für breite Bevölkerungsmassen in einer Stückzahl von 1,5 Millionen Fahrzeugen pro Jahr.
So hohe Stückzahlen erreichten die Wolfsburger Fließbänder zwar nicht. Immerhin wurde 1972 mit dem 15-millionsten Käfer der bis dato gültige Produktionsrekord des Ford-T-Modells eingestellt.
Noch gewaltiger sind die Volumen des bis heute gefertigten Golf, der sich bereits der 30-Millionen-Marke nähert. Den absoluten Superlativ setzt der Toyota Corolla, mit der bis heute meistverkauften Fahrzeugreihe der Welt. Rund 40 Millionen Einheiten rollten bislang in 13 Generationen von den Bändern.
Internationalisiert: Ford-Produktion in Berlin-Westhafen, 1925 Quelle: Ford
Der Stress für die Werktätigen am Fließband wird nicht weniger, dafür nimmt wird die Zahl der benötigten Mitarbeiter immer weiter ab. Der Industrieroboter machte es möglich. Schon 1980 wurden bei Fiat von 2.700 Schweißpunkten nur noch 20 durch Menschen ausgeführt.
Seit 1996 sind immer mehr rechnergesteuerte Fertigungsmaschinen im Einsatz. Einige Werkshallen wirken menschenleer. Für manchen eine ganz andere Art von Alptraum.
Quelle: SP-X