Wenn nur dieses Heck nicht wäre: BMW X6 und X4 werden mit Vorurteilen überhäuft. Wir fuhren das kleinere SUV-Coupé mit Sechszylinder im Alltag und wurden bestätigt.
Berlin – Autobahn A7, drei Spuren, freie Fahrt. Unter solchen Bedingungen bricht das Klischee vom X6-Fahrer heraus – auch, wenn der Fahrer eigentlich nur den „kleinen“ X4 steuert. Der Grund ist in unserem Fall der 3,0-Liter-Reihensechsylinder. Einen schnellen Seat Leon und einen flotten Skoda-Kombi lassen wir einfach rechts liegen. Unfassbar, wie die Fuhre anschiebt. Bis 200 km/h glaubt man, nichts könnte den X435i bremsen. Erst danach bis ca. 250 km/h geht es etwas langsamer. Man gewöhnt sich an diese Geschwindigkeit, an diesen Kick beim Start. Daran, dass man mit dem 306-PS-Koloss schneller ist als die meisten anderen Verkehrsteilnehmer. Egal, ob Langstrecke auf der Autobahn, Überholen auf der Landstraße oder Ampelstart in der Stadt – irgendwann tritt man einfach aufs Gas und fährt möglichst so schnell wie erlaubt. Verbrauch irgendwo zwischen 11 und 15 Litern? Egal. Herzlichen Glückwunsch, Sie sind jetzt ein BMW-SUV-Coupé-Fahrer. Ob dieses 78.000-Euro-Auto auch für etwas anderes gut ist? Das lest Ihr in unserer Detail-Betrachtung. Karosserie/Platzangebot: Bitte nichts SperrigesWarum kaufen Menschen geländeuntaugliche Geländewagen? Meist wegen der angenehmen Sitzposition. Die bekommt man auch im 4,67 Meter langen X4 – und trotz schrägem Heck noch genug Platz. Vorne saßen wir gut, auch auf den Rücksitzen gibt es gute Bein- und Kopffreiheit – zumindest bei Körpergrößen bis 1,80 Meter. Ganz hinten werden im Vergleich zum X3 nur 50 Liter Kofferraum eingebüßt. 500 Liter schluckt der X4, bei umgeklappten Sitzen sind es 1.400 Liter - das Mercedes GLC Coupé bietet exakt die gleichen Werte. Erst bei umgeklappten Sitzen zeigt sich der Vorteil des biederen Bruders. Der X3 fasst 1.600 Liter. Uns reichte der Platz aus. Allerdings stört die flachere Dachlinie schon bei mäßig sperrigen Gegenständen wie einem Kinderfahrrad. Die Sicht nach hinten leidet hingegen nicht. Interieur: Schon etwas älterDen stylishen X4 gibt es erst seit gut zwei Jahren. Doch der Innenraum sieht altbacken aus. Klar, denn hier kann die Coupé-Variante die Abstammung vom normalen X3 nicht verbergen – und der liegt in den letzten Zügen. Seit 2010 wird das Modell gebaut, 2017 wird eine neue Generation vorgestellt. Wer also den aktuellen X4 kauft muss sich mit dem alten Cockpit abfinden. Die Qualität stimmt allerdings: Materialien, Schalter, Knöpfe, Sitze – alles fest, straff, solide verarbeitet. Hier gibt es nichts zu beanstanden. Infotainment: Kleiner aber auf aktuellem StandObwohl das Cockpit alt aussieht, steckt Neues drin. Software-technisch ist der X4 kein BMW-Alteisen. Lediglich der tief im Armaturenbrett versenkte 8,8-Zoll-Bildschirm wirkt etwas klein. Dabei handelt es sich dabei schon um die größere Variante (normal 6,5 Zoll) aus dem Navigationssystem Professional (2.390 Euro). Der größere 10,25-Zoll-Touchscreen aus dem X6 wäre für die Zukunft wünschenswert. Für satte 3.400 Euro (Navigationspaket Conncected Drive, inklusive Navi Professional) bietet BMW die volle Vernetzung: Telefonie mit Wireless Charging, Hotspot, Echtzeit-Verkehrsdaten für das Navi, Concierge Service. Uns gefiel das Online-Entertainment (fünf Millionen Musiktitel über Napster) am besten. Allerdings will BMW dafür nochmal freche 220 Euro extra sehen, und für die Apple-Carplay-Vorbereitung weitere 300 Euro. Das Smartphone ist im X4 aber auch ohne diese Zutaten schnell gekoppelt. Assistenzsysteme: Nichts BahnbrechendesAufgrund seines Alters kann der BMW X4 bei den Assistenzsystemen nichts bahnbrechendes vorweisen – aber ein gutes Standardprogramm. Das Driving Assistant Plus Paket (1.620 Euro) bietet Auffahrwarnung mit Notbremse, Spurverlassenswarnung und Abstandstempomat mit Stop&Go-Funktion (bis 210 km/h, aktivierbar ab Erreichen von 30 km/h). Wir fanden: anhand der üppigen Ausmaße des X4 sind besonders in der Stadt Rückfahrkamera (420 Euro) und 360-Grad-Draufsicht (Surround View, 490 Euro) sinnvoll. Das Head-Up-Display lohnt sich für Schnellfahrer und kostet 1.100 Euro. Antrieb: Im 2er besser aufgehobenN55B30 lautet die kleine Glücksformel bei BMW. Wenn es kein V8 sein soll, ist der 3,0-Liter-Reihensechsylinder derzeit der schönste Motor der Bayern. Kernig, kräftig und vom Aussterben bedroht. Denn nach und nach wird der Baukasten-Nachfolger B58 eingeführt. Der ältere N55 in unserem X4 35i ist immerhin die ursprüngliche Basis für den Motor des M3. Der gleiche Motor arbeitete im M235i, eine modifizierte Version im M2 und dem X4 M40i – BMW griff bei diesen Modellen zum älteren Motor, weil er als besonders haltbar bekannt ist. Allerdings, in den sportlichen Coupés macht der Motor deutlich mehr Spaß. Zwar bringen die 306 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment den X4 35i verdammt schnell nach vorn. Doch der Motor klingt dabei nicht freudig wie im Coupé, sondern angestrengt wie bei einem Traktor. Kräftiger Diesel-Schub passt besser zu diesem SUV. Und fährt schneller: Der X4 xDrive35d (313 PS, 630 Nm) fährt in 5,2 Sekunden auf 100 km/h – 0,3 Sekunden schneller als unser Benziner. Im nächsten X4 wird BMW auf den neuen Baukastenmotor setzen. Fahrwerk/Lenkung: Etwas straffer, bitteDer X435i kann von allem ein bisschen und vieles richtig gut. Die Karosserie liegt 3,6 Zentimeter tiefer als beim X3. Insgesamt wirkt das Auto sportlicher. Das Fahrwerk könnte bei schlechtem Untergrund gerne weicher und komfortabler sein, die Lenkung arbeitet präzise. Sollte das Auto tatsächlich auf Waldwegen und Autobahnen bewegt werden, lohnt sich das adaptive Fahrwerk (1.100 Euro). Denn wer auf der Autobahn richtig Gas gibt spürt in Kurven schnell, wie es den Dicken aus den Latschen hebt. Wir griffen dann gerne zum Sport-Plus-Modus. Der sorgt dafür, dass Motor und Getriebe harmonischer aus dem Knick kommen. In den anderen Modi spürt man ein deutliches „Loch“ beim Anfahren. Ausstattung/Preis: Dafür gibt es auch einen X6Kraft kostet: Abgesehen vom „Sport“-Modell M40i ist unser 35i mit XDrive (Serie) der teuerste Benziner im Programm. Die Preise beginnen bei 59.700 Euro. Die Zusatzausstattung treibt den Preis für unseren Testwagen auf satte 78.010 Euro. Für 67.000 Euro könnte man sich schon einen X6 kaufen – mit dem gleichen 306-PS-Benziner. Teure Punkte auf der Ausstattungsliste: Ledersitze-Nevada (1.790 Euro), 19-Zöller (1.100 Euro), Head-Up-Display (1.100 Euro), adaptive LED-Scheinwerfer (1.900 Euro), ein Harman Kardon Surround Sound System (1.090 Euro) und das Driving Assistant Plus Paket (1.620 Euro, siehe Assistenzsysteme). Während das Assistentenpaket für Vielfahrer sinnvoll sein kann, bleibt der Rest Geschmackssache. Wirklich empfehlenswert finden wir das adaptive Fahrwerk (1.100 Euro). Wer den kleinen Koloss flott bewegen möchte, wird den Sportmodus zu schätzen wissen. FazitKein Mensch braucht einen BMW X4 - aber viele wollen eben einen. Wir sehen das ähnlich. Der Platz im X4 reicht aus, der Reihensechszylinder macht Spaß, die Verarbeitung ist top und das technische Angebot gut. Und doch gibt es deutlich sinnvollere Autos – vor allem angesichts des Preises. Letztlich wirkt selbst der Sechszylinder im X4 irgendwie verloren. Gönnen wird sich das nur, wer wirklich kann. Technische Daten – BMW X4 35i XDrive
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