"Stark in den Markt", das erhofft sich die Regierung für Elektroautos. Beim Kongress in Berlin versprach die Politik mehr Geld. Es überwog aber eine gewisse Ratlosigkeit.
Berlin – Der Bundesverkehrsminister setzte im Berliner Congress Center am Alexanderplatz modische Akzente. Doch nicht nur Alexander Dobrindts karierter Zweiteiler wirkte exotisch, sondern auch sein Auto. Beim Kongress der Bundesregierung zum Thema: „Elektromobilität: Stark in den Markt“ fuhr Dobrindt in einem elektrischen BMW i3 vor. Seine Regierungskollegen, ebenso wie die Wirtschaftsprominenz, bevorzugten Geschütze vom Kaliber Audi A8. Die Botschaft von Alexander Dobrindt lautete: Optimismus. Sei es bei der Pkw-Maut, oder beim erklärten Ziel der Bundesregierung: eine Million Elektroautos bis 2020. Wer unambitioniert an die Arbeit gehe, werde nicht erfolgreich sein, sprach er ins Auditorium. Und noch etwas: "Ich glaube übrigens, dass wir dieses Ziel erreichen können". Quelle: dpa/Picture Alliance Dabei kann der Verkehrsminister auf persönliche Erfolge verweisen. Sein Ministerium fahre bereits 2016 zu 50 Prozent elektrisch, verspricht er. So weit ist Sigmar Gabriel, Koalitionspartner und Minister für Wirtschaft, noch nicht. Er gab den bösen Cop beim Auftakt der zweitägigen Konferenz. Das Ziel sei mit einem „Weiter so“ nicht erreichbar, sagte Gabriel – die bisherigen Anstrengungen reichten nicht. Deutschland müsse zeigen, „dass wir solche Fahrzeuge im Volumen und wirtschaftlich bauen können.“ Unausgesprochen blieb der Satz: Sonst tun es andere. Am Berliner Alexanderplatz ging es nicht nur darum, den deutschen Autokäufern die Elektroautos schmackhafter zu machen. Nein, Deutschland will sie auch bauen und damit nicht nur Leitmarkt, sondern auch Leitanbieter sein. Wo sind die Batteriezellen?Gabriel legte den Finger in die Wunde: Es gebe in Deutschland keine Batteriezellenfertigung und zu wenig Forschung. Auch Gabriels Staatssekretär Matthias Machnig forderte: Bei der Schlüsseltechnologie Batteriezelle dürfe Deutschland sich nicht auf andere verlassen. Er kann sich vorstellen, eine Batterieproduktion finanziell zu fördern: „Ich verstehe nicht, warum die Autoindustrie bei diesem Thema so zurückhaltend ist“. Für diese Zurückhaltung gibt es gute Gründe: Eine solche Anlage bindet langfristig Milliarden. Einen weiteren nannte Joachim Fetzer vom Zulieferer Bosch (während die Herren Winterkorn, Zetsche und Stadler anderweitig beschäftigt waren, mit einem Fototermin mit Angela Merkel). Die Maschinenbauer, die Produktionsanlagen für Batteriezellen herstellen können, seien alle in Japan, sagte Fetzer. Selbst Samsung in Korea produziere auf japanischen Maschinen. Deutschland müsse seine Stärken in den Vordergrund stellen: Integrationskompetenz, also das Bauen von Autos aus Komponenten unterschiedlicher Herkunft. Genau diese Kompetenz bündelt der Visio.M der TU München, auf den mehrere Redner verwiesen. Ein Hochschulprojekt, 450 Kilo leicht, groß wie eine Mittelklasselimousine, günstig wie ein Kleinwagen – und rein elektrisch. Beteiligt sind zum Beispiel BMW, Daimler, Continental, Siemens und Webasto. Dobrindt: Mehr als 400 Ladesäulen bis 2017Bis solche Autos ernsthafte Stückzahlen erreichen können, wird es noch dauern, unabhängig von der Nachfrage. Ein Grund: Die weltweite Produktionskapazität für Lithium-Ionen-Batterien reiche derzeit für ungefähr zwei Millionen Elektroautos im Jahr, rechnet der Bosch-Manager Fetzer vor. Dies gelte aber nur dann, wenn ab sofort keine Smartphones und Tablets mehr produziert würden. Quelle: MOTOR-TALK/bmt Immerhin: als einladende Institution hatte die Bundesregierung mehr als Pausenkuchen mitgebracht. Alexander Dobrindt versprach bis 2017 400 Ladesäulen an Autobahnraststätten. Zwischen 2016 und 2018 fließen 161 Millionen Euro in die Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Sigmar Gabriel dachte laut über Sonderabschreibungen für E-Autos in Dienstflotten nach, ebenso wie über ein öffentliches Beschaffungsprogramm für Elektroautos. Post, soziale Dienste, Bund, Länder Gemeinden – „wenn wir das nicht schaffen, können wir uns den Rest eigentlich sparen,“ sagt der Minister. Das Bonbon allerdings hatte die Kanzlerin dabei. Angela Merkel stellte neue finanzielle Anreize für den Kauf von Elektroautos noch in diesem Jahr in Aussicht. Deutschland werde "um eine weitergehende Förderung nicht herumkommen, obwohl wir schon Einiges gemacht haben", sagte Merkel. Das zeige der Vergleich mit anderen Ländern. Eine Million - warum eigentlich?In Deutschland, dieser Eindruck entsteht auf dieser Konferenz, sind wir mit dem Diskutieren noch lange nicht fertig. Anfang 2015 gab es bundesweit 25.300 E-Autos. Vielleicht fehlt diesem Land ein steinreicher Verrückter wie Tesla-Chef Elon Musk: Einer, der seine „Gigafactory“ einfach selbst baut und nicht auf die deutsche Autoindustrie und erst recht nicht auf die Bundesregierung angewiesen ist. Vielleicht verstellt das Marktziel auch den Blick für das Wesentliche. Viele Autohersteller, auch wenn sie es nicht öffentlich sagen, sind mit dem Thema „E-Mobilität“ vorerst durch. Sie investieren lieber in effizientere Verbrenner, bis es leistungsfähigere Batterien gibt. Haben sie Recht? „Für den Klimaschutz ist es letztlich nicht entscheidend, ob das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen in 2020 erreicht wird“, sagt Michael Ziesak, Bundesvorsitzender des ökologisch orientierten „Verkehrsclub Deutschland“ (VCD): Entscheidender seien insgesamt effizientere Pkw. Der Club weist darauf hin, dass das erfolgreichste Elektroauto Europas ausgerechnet ein dickes SUV ist: Der Mitsubishi Outlander PHEV. Quelle: m. Material v. dpa |