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Reportage: Stuntman für einen Tag - Auf dem Dach durch den Vulkan

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Stuntmänner leben zwischen Traumberuf und Transparenz. Sie riskieren ihr Leben, um auf der Leinwand zu erscheinen. Wir haben zwei Stuntmen getroffen und uns auf ein Autodach gelegt.

MOTOR-TALK-Redakteurin Sabine im Einsatz: Vor allem das Bremsen am Berg kostete viel Kraft MOTOR-TALK-Redakteurin Sabine im Einsatz: Vor allem das Bremsen am Berg kostete viel Kraft Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK

Babelsberg - Wild und grell tanzen die Flammen auf Martin Lederers Arm. So schön brennt nur Benzin. Das hat der Bartmann mir noch gesagt, bevor der Funke meines Feuerzeugs seine Haut in Brand setzte. Für eine Millisekunde hält das Feuer die Zeit fest. Alle Blicken richten sich auf den Mann, der lodernd brennt.

Martin Lederer mit brennendem Arm Martin Lederer mit brennendem Arm Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Dann schwingt der Bartmann seinen Arm durch die Luft, als wolle er ein überdimensionales Streichholz löschen. Das heizt die Flammen weiter an. Sie schlucken den Sauerstoff gieriger, als Martin fuchteln kann. Erst die Löschdecke beendet meine kleine Stuntman-Lehrstunde.

Der erste Sturz: Von der Motorhaube auf die Matte

Mit dem Serien-Aus von „Ein Colt für alle Fälle“ erlosch meine Leidenschaft für Stuntmänner. Jetzt stehe ich im Vulkan des Babelsberger Filmstudios, bereit zu lernen und zu leiden wie einst Colt Seavers. Ich übe einen Tag lang Stunt-Frau zu sein. Dazu stürze ich mich zuerst von einem Auto. Ok, der Wagen steht und ich lande auf einer Matratze. Klingt ziemlich lahm.

Manchmal spritzt hier trotzdem Blut, sagt Lederer. Berufsbedingt haben Stuntmänner nicht viel zu sagen und wer diese Regel gleich zu Beginn missachtet, beißt sich beim Plappern, Fliegen und Landen mit voller Wucht auf die Zunge. Ich schließe Mund und Augen und stürze mich todesmutig vom Auto.

Vom Auto auf die Matte: Mit dieser Übung fängt Sabines "Stunt-Karriere" an Vom Auto auf die Matte: Mit dieser Übung fängt Sabines "Stunt-Karriere" an Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Für Colt Seavers ist der Job laut Titelsong eine undankbare Aufgabe. Er riskiert sein Leben, um andere stark und mutig aussehen zu lassen. Er rettet schöne Frauen, die anderen Kerlen dafür danken.

Für Martin Lederer ist es ein Traum, Stuntman zu sein. Für ihn gehören brennende Körperteile, explodierende Autos und fliegende Kollegen zum Arbeitsalltag wie für andere klappernde Tasten und klingelnde Telefone. Martin arbeitet für die Stuntcrew Babelsberg, freiberuflich. Meist sitzt er im Büro, organisiert, plant, denkt.

Zu den bekanntesten Stuntmännern weltweit gehört Motorradfahrer Evel Knievel. Der US-Amerikaner wurde Ende der 60er-Jahre durch den spektakulären Sprung über die Brunnenanlage des Caesars Palace in Las Vegas berühmt, der mit einem Schädelbruch und einem gebrochenen Becken endete. Laut "New York Times" lag Knievel einen Monat im Koma. Wenige Tage später sprang er wieder. Diesmal über 52 Autowracks.

Evel Knievel stürzte so häufig, dass sogar die eingesetzten Metallteile in seinem Körper verbogen wurden. Der Stuntman starb 2007, sein Sohn Robbie springt weiter. Er vollendete den Sprung über den Brunnen in Las Vegas und, den Traum seines Vaters, über den Grand Canyon.

Omega von oben

Auch wenn es nicht danach aussieht: Das Auto fährt noch Auch wenn es nicht danach aussieht: Das Auto fährt noch Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Mein zweiter Stuntversuch führt mich aufs Autodach. Martin reicht mir einen Helm, einen Brustgurt, eine Sicherheitsbrille und Handschuhe. Mit den Füßen soll ich mich zwischen die Dachreling des alten Omega klemmen.

Meine Hände klammern sich an die Fensterrahmen. Dann gibt Martin Gas und mir bleibt die Spucke weg. Während wir die Kulisse hoch und runter fahren, in einer nicht enden wollenden Linkskurve, frage ich mich: Wie kann ich Martin sagen, dass ich so viel Kraft in den Oberarmen habe wie Popey vor einer Spinat-Mahlzeit?

Mein Bizeps versagt

Fest geklammert, fest geklemmt – irgendwie hält sich meine rechte Hand am Fensterrahmen, egal, was mein Bizeps zu der Anstrengung sagt. Doch auf eine Sache hat mich keiner vorbereitet, auf das sehr heftige Bremsen. Wieder und wieder tritt Martin vom Gas auf die Bremse und wieder zurück.

Bergab verliere ich den Kampf gegen den Vorwärtstrieb. Ich gleite unbrems-, unhaltbar Richtung Windschutzscheibe. Meine Schultern rutschen vor meine Hände, der Winkel arbeitet gegen mich. Loslassen und klopfen? Keine gute Idee. Also tue ich, was ich auch mit schlappen Armen gut kann. Ich schreie. Martin bremst und ich kann mich aus der Stellung einer kopfüber Gekreuzigten lösen.

Die Autos in der Show werden von den Stuntmännern selbst präpariert. Alles, was brechen, splittern, verletzen kann, fliegt raus. Die Fahrgastzelle wird verstärkt. Nach zwei bis drei Jahren sind die Fahrzeuge am Ende. Dann muss die Crew neue kaufen, am liebsten BMW, sagt Lederer. Aktuell fahren ein roter und ein schwarzer Camaro durch den Vulkan. Auch ein schwerer Lkw mit Turbinenantrieb gehört zum Fuhrpark.

So oder so ähnlich lernt man als Stuntfrau fliegen So oder so ähnlich lernt man als Stuntfrau fliegen Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK

"Wir sind Sicherheitsexperten"

In diesem Moment wünsche ich mir, ich hätte bei der vorangegangenen Stuntshow heftiger geklatscht. Seit 21 Jahren springen in Babelsberg Männer von Türmen, fliegen Motorräder über Autos und Autos in die Luft. Jede Rolle ist zwei bis drei Mal besetzt. Alle arbeiten frei und parallel für Film und Fernsehen.

Der Beruf des Stuntman ist nicht geschützt. Die Risiken halten sich laut Martin in Grenzen. „Wir sind Sicherheitsexperten“, sagt Lederer, „und setzen alles so um, dass es keine Risiken mehr gibt.“ Er sagt, Stuntmen haben einen sicheren Job. Ungefährlich ist er nicht.

Privat fährt Tietz wie ein "Osterhase"

Andreas Tietz, der an diesem Tag mit seinem Cross-Bike über mich springt, sieht das wohl genauso. Er hat sich gleich beim ersten Sprung in Babelsberg verletzt. Als er landet, schlägt sein Fuß am Boden auf. Sein Mittelfuß bricht. Die Show macht er trotzdem zu Ende. Privat fährt er wie ein zahmer „Osterhase“, findet eine Freundin.

Ok, der Schrei war nur fürs Foto... Andreas Tietz springt "über " Sabines Kopf Ok, der Schrei war nur fürs Foto... Andreas Tietz springt "über " Sabines Kopf Quelle: Jens Koch/MOTOR-TALK Zur Show gehören im Moment 15 Männer, fünf Frauen, vier Pkw, vier Motorräder und ein Lkw. Die fünf Frauen sind etwas ganz Besonderes.

Früher gab es so wenige Stunt-Frauen, dass Männer verkleidet wurden. Ein bisschen so wie damals bei Shakespeare. Heute übernehmen die Stuntgirls die Rollen von Kindern. Wer Stuntman werden möchte, muss mindestens 21 Jahre alt und sehr sportlich sein. Lederer empfiehlt allen Nachwuchs-Stuntlern, Kampfsport zu betreiben.

Stuntmen ist kein anerkannter Ausbildungsberuf. In Deutschland gibt es mehrere Privatschulen, die eine Ausbildung anbieten. Der Bundesverband deutscher Stuntleute rät jedoch zu „learning by doing“ als Mitglied in einem Profiteam. In Deutschland gibt es schätzungsweise 150 bis 170 Stuntmänner und –frauen, wobei der Anteil der Stuntladys unter 20 Prozent liegt. Stuntmänner, die Schwierigkeiten mit ihrem Versicherer haben, können sich beim Bundesverband informieren. Er hat Versicherer gefunden, die bereit sind, die Risikobereiten zu versichern.

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