Im September 1970 präsentierte Opel am Timmendorfer Strand eine für das Unternehmen neue Fahrzeugklasse: Ein sportlich wirkendes 2+2 Coupé namens Manta. Pate gestanden hatten offensichtlich die in den USA populären „Pony Cars“ – formschöne und doch familientaugliche Coupés auf der Basis von in Großserie produzierten Mittelklasselimousinen. So teilte sich auch der Manta seine Plattform mit dem bieder wirkenden Mittelklassemodell Ascona, das wenige Wochen später auf den Markt kam. In fünf Jahren entstanden fast eine halbe Million Exemplare des Coupés mit den doppelten Leuchten an Front und Heck. Dann kam der Manta B – und mit ihm irgendwann die Witze… Der hier präsentierte orangerote Manta SR mit dem schwarzen Kunstledergestühl wurde 1973 mit der damaligen Top-Motorisierung ausgeliefert, dem 1,9 Liter Triebwerk aus dem Rekord. Außerdem orderte der Erstbesitzer ein Automatikgetriebe. Lange Jahre der Existenz des Mantas liegen im Dunkeln, denn über das zwischenzeitliche Schicksal des Coupés ist nichts weiter bekannt. Es geriet aber offenbar nie in die Hände eines jungen Heißsporns, denn Spoilerorgien blieben ihm ebenso erspart wie eine wilde Kriegsbemalung oder akustische Maximalausstattung. Statt dessen landete der Manta mit einem Tachostand von rund 85.000 Kilometern in der Übungswerkstatt einer handwerklichen Berufsschule, wo er für lange Zeit den Kfz-Lehrlingen als Anschauungsmaterial und Übungsobjekt diente. „Möglicherweise war der Besitzer selbst einmal an der Schule tätig oder hat den Wagen zu diesem Zweck gestiftet“, vermutet sein heutiger Eigentümer. Als der technische Fortschritt den Manta A zum Alteisen degradiert hatte, verschwand er im Fundus der Schule. Einer der jungen Männer, die dort ihre Ausbildung machten, erzählte einem Freund davon. Der heißt Thomas Schlick – und der wurde hellhörig. „Als ich davon hörte, dass der Wagen verkauft werden sollte, erwachte mein Interesse“, erinnert sich der Schwabe. „Nicht, dass der Manta mein Traumauto wäre – so etwas habe ich gar nicht. Ich möchte lieber ein Fahrzeug für jeden Anlass, und der Opel hatte halt eine interessante Geschichte, so als Dornröschen“. Neben dem roten Coupé nennt er unter anderem noch einen /8er Benz und einen 181er VW „Kübel“ sowie einen BMW E 30 in einer Rennversion sein eigen. Eine eingehende Inspektion vor dem Kauf war kein Problem; Werkstatt samt Hebebühne waren ja in der Schule vorhanden. Die Überprüfung erbrachte eine fast völlige Abwesenheit von Rost – was so lange verwunderlich war, bis klar wurde, dass der Manta schon vor langer Zeit eine Dinol-Hohlraumversiegelung erhalten hatte. „Die habe ich inzwischen erneuert“, erklärt Thomas Schlick. Es war nicht das Einzige, was er an seiner Neuerwerbung erneuern sollte. Denn während sich die braune Pest nur in Form von Flugrost an den vorderen Radläufen und im Bereich der A-Säulen fand, hatte die Technik doch etwas unter der langen Standzeit von vermutlich knapp einem Vierteljahrhundert gelitten. Das war für Thomas Schlick keine Frage von Kompromissen. Nach dem Motto: „Sekt oder Selters“ zerlegte er das Fahrwerk, die Bremsanlage und den Motor nach und nach vollständig, um alles gründlich zu revidieren. Die Achsen ließ er sandstrahlen, danach wurden sie kunststoffbeschichtet. Der Motor bedurfte nur einer gründlichen Durchsicht, erhielt aber eine schärfere Nockenwelle und wird seitdem von zwei 40er Solex Doppelvergasern beatmet, die Thomas an Stelle des originalen 35er Solovergasers montiert hat. „Das gibt einen prima Sound, vor allem in Verbindung mit den offenen Trichtern“, freut sich der Besitzer des Manta, der ansonsten vom schwarzen Interieur bis hin zum Originallack nur behutsam aufgefrischt wurde. Ein halbes Jahr lang steckte der damals 22 jährige einen Großteil seiner Freizeit in den Opel, der immerhin acht Jahre älter ist als er selbst. „Das ist inzwischen auch schon wieder sechs Jahre her“, wundert sich rückblickend der Mann aus dem Raum Stuttgart, der als Kfz-Elektriker ausgebildet wurde und sich sein Geld mittlerweile als staatlich geprüfter Kraftfahrzeugtechniker verdient. Rund 2.000 Kilometer legt Thomas Schlick pro Saison mit seinem roten Coupé zurück. Dabei führen ihn seine Wege zu diversen Treffen quer durch die Republik bis hinauf nach Würzburg. Am liebsten sind ihm aber „Bewegungsfahrten“ durch seine schöne schwäbische Heimat. Oder einfach mal das Dutzend Kilometer in die Landeshauptstadt Stuttgart hineinfahren „und ein Kruserle machen“, wie er sagt. Die Passanten danken es ihm – mit erhobenem Daumen oder zumindest einem plötzlichen Lächeln im Gesicht… Autor: Michael Grote
Quelle: Carsablanca |
verfasst am 27.07.2009
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