Mercedes und Tesla sehen sich vorne beim autonomen Fahren. Was heißt das in der Praxis? Wir sind Drive Pilot (Daimler) und Autopilot (Tesla) im Vergleich gefahren. Ein Video.
Berlin – Der Endgegner ist noch ein Stück entfernt. Wir haben erst Level 2 erreicht im „Computerspiel“ des autonomen Fahrens. Das natürlich alles andere als ein Spiel ist. Es geht um Verkehrssicherheit. Derzeit muss noch der Fahrer dafür sorgen. Der Rechner assistiert, der Fahrer darf sich nur kurz um andere Dinge kümmern. Erst bei Level 5 fahren wir vollständig autonom. Der Führerschein wird überflüssig. Der Übergang bis Level 5 wird fließend sein. Schon jetzt scheint Level 3 in vielen Situationen erreicht, in anderen noch meilenweit entfernt. Zwei Hersteller, die in der Wahrnehmung vorausfahren, sind Mercedes und Tesla. Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte kürzlich, dass er sein Unternehmen als führend innerhalb der Autobranche sehe. Google allerdings räumte er einen kleinen Vorsprung ein. Mercedes Drive Pilot und Tesla Autopilot im VergleichWie Mercedes und Tesla mit der Technik umgehen, haben wir im direkten Vergleich erfahren. In einem Model X mit Autopilot in der Version 8.0 und einer E-Klasse mit Drive Pilot der neuesten Generation. Wir fuhren beide Autos auf derselben Strecke. Einer mäßig befahrenen Landstraße mit moderaten Kurven und wechselnden Straßenmarkierungen. Ohne Spurwechsel, den beide Systeme schon teilautonom beherrschen. Wer beide Systeme ausprobiert, wird zu dem Ergebnis kommen, dass Tesla Daimler ein gutes Stück voraus ist. Doch unser Test zeigt nur, was die Systeme zulassen. Nicht, was sie können oder könnten. Das ist auch eine Philosophie-Frage: Vertraut man der Technik und dem Fahrer, damit verantwortungsvoll umzugehen? Oder geht man lieber auf Nummer sicher? Auch um unangenehme Schlagzeilen zu vermeiden.
Unterschiede zeigen sich schon nach kurzer Strecke. Wo der Mercedes nur mit häufigen Korrekturen die Spur hält, eiert das Model X kaum. Stoisch hält der Tesla die Spur, zwei blaue Linien im Display zeigen, dass links und rechts Fahrbahnmarkierungen erkannt werden. Werden die Mittelstreifen zu blass, hält der Tesla sich an die rechte Fahrbahnmarkierung. Er fährt weiter, fängt in Kurven aber eher an, etwas zu mäandern. Die E-Klasse fährt nur bei guten Markierungen konstant geradeaus, ohne merklich zu lenken. Wird die Markierung in der Mitte schlecht, fordert das System den Fahrer meist auf, das Steuer zu übernehmen. Verkehr voraus erleichtert die Arbeit. Doch immer mahnt der Drive Pilot bei Mercedes früher als der Autopilot bei Tesla. Die Technik darf nicht alles, was sie kannQuelle: MOTOR-TALK Aus Gesprächen mit Daimler-Ingenieuren wissen wir, dass der Drive Pilot mehr könne, als er zeigen darf. Er könnte deutlich kleineren Kurvenradien folgen, könnte auch weniger herumeiern. Daimler begründet das mit der Sicherheit: Wird der Radius zu eng, steigen die Lenkkräfte. Fährt das Auto zu "perfekt", wiegt es den Fahrer in falscher Sicherheit. Die Technik soll den Fahrer nicht überfordern, der im Notfall übernehmen müsste. Was der Mercedes mit der aktuellen Technik könnte, wenn er dürfte, bleibt nebulös. Der Tesla darf deutlich mehr zeigen. Regelmäßige Updates erweitern zudem die Funktionen. Mit der Hardware, die wir im Model X gefahren sind, geht es allerdings nicht mehr viel weiter. Tesla verbaut inzwischen ein neues Sensorpaket, mit dem deutlich mehr möglich sein soll. Mercedes bringt voraussichtlich mit dem Facelift der S-Klasse in diesem Jahr ein Update der autonomen Fahrfunktionen. Ob es hier in naher Zukunft regelmäßige Software-Updates geben wird, womöglich sogar "Over the Air", wie bei Tesla? Vermutlich nicht sehr bald. Klar ist: Beide Systeme würden unbegrenzt fahren, ohne dass der Fahrer die Hände am Steuer hat – wenn nicht der Ausstieg einprogrammiert wäre. Der Mercedes greift hier früher ein und warnt den Fahrer, die Hände ans Lenkrad zu nehmen. Tesla lässt den Fahrer länger allein. Beide hätten in unserem Test allerdings unterwegs einen Kreisverkehr mittig überfahren und eine Verkehrsinsel mindestens gestreift. Bevor es soweit kommen konnte, griffen wir lieber ins Lenkrad. Level 2 des autonomen Fahrens bedeutet eben nur: Fahrassistenz. |