Im Windschatten der Hochpreis-Ikonen fahren unterbewertete Liebhaberautos mit großem Potenzial. Wer vor dem Trend einsteigt oder Oldtimer kauft, die gerade in der Flaute segeln, ist morgen der Gewinner. Die professionellen Spekulanten agieren in der Oldtimerszene erst bei Hochpreis-Klassikern weit über 100.000 Euro. Ein BMW M1 wäre zum Beispiel ihr Typ. Sie haben selten eine persönliche Beziehung zum alten Auto und sperren es oft in ein Garagen-Schließfach, statt es zu fahren. Der wahrhafte Oldtimer-Liebhaber tickt anders. Er freut sich schon, wenn der Wertzuwachs die Unterhaltskosten wieder einspielt und am Ende eine kleine Rendite winkt, die sie bestätigt, auf den richtigen Typ gesetzt zu haben. Hier eine Auswahl. Emotionen verwässern oftmals die Wertprognose Fragt man Kenner in der Klassiker-Szene nach ihren Geheimtipps, also nach Autos mit hohem Attraktivitäts-Potenzial, die in den nächsten Jahren einen deutlichen Preissprung nach oben machen werden, bekommt man selten eine übereinstimmende Antwort. Zu viele Emotionen, subjektive Wahrnehmungen und persönliches Wunschdenken sind bei solchen Wertprognosen im Spiel. Trotzdem lassen sich vage Trends ableiten. Sechs Autotypen, die von Insidern häufig genannt werden, sind Renault 4, Audi Urquattro, BMW M3-Vierzylinder, Porsche 944 und die beiden Mercedes- Benz Modelle 450 SLC 5.0 und 190 E 2.3-16. Selbst die drei teuersten, Urquattro, SLC und M3, liegen noch auf einem erschwinglichen Preisniveau bis maximal 25.000 Euro. Sie nehmen wohl in Zukunft noch einmal einen kräftigen Schluck aus der Preispulle, während dem knorrigen Ur-Oldtimer Triumph TR 6 gerade in dieser Preisregion die Puste ausgeht. Er, der gusseiserne Haudegen für harte Männer, lässt sich von den jungen "Gebrauchtwagen" - derjenigen, die sich zur Tarnung Youngtimer nennen -, den Schneid abkaufen. Wie kommt das? In 5 Jahren lacht keiner mehr Beispiel Renault 4. Er wird gerade 50 und vom Preisschub des Citroën 2 CV mitgezogen. Er, der große Pragmatiker - der genial Einfache, ohne primitiv zu sein -, wird trotz seiner liebenswerten Hässlichkeit als Design-Ikone verehrt. Er transportiert die Emotionen mindestens zweier Generationen in ihrer schönsten Lebensphase, nämlich der des Jungseins: Motto "So einen hatten wir auch mal. Mit dem waren wir auf Korsika und in Schweden." In fünf Jahren wird keiner mehr lachen, wenn man in einen 86er R4 GTL 5.000 Euro in die Restaurierung steckt, dann ist er nämlich 10.000 wert. Letztes Argument: Auch der R4 GTL ist ein Evergreen wie Käfer, Mini, Ente und Fiat 500. Das zieht, das erhebt ihn weit über das bürgerliche Heer der Zeitgenossen Audi 80 Typ 81, VW Passat, Opel Ascona C oder Ford Sierra. Der Audi Urquattro verursacht Kopfkino Der Audi Urquattro ist ein Meilenstein und Imagebildner der dynamischen Vorsprung-durch-Technik Marke. Noch vor zehn Jahren stand er in der Schmuddelecke der Tuningfraktion. Seinen raubeinigen Charme mochten nur Außenseiter. Heute ist er eine Ikone. Setzt man sich vor die Hartplastik-Armaturen des improvisierten Technologieträgers, läuft der verklärte Film vom Rallye-Mythos im Kopfkino ab, allein dafür lieben ihn die Fans. Damals war er neu so teuer wie ein Elfer. Künftig wird man es nicht mehr bereuen, seinerzeit, 1982, keinen 911 SC gekauft zu haben. Der Urquattro mit den scharf geschnittenen Doppel-Scheinwerfern liegt jetzt schon bei achtbaren 23.000 Euro. Der BMW M3 bietet nicht nur Fahrspaß Beispiel BMW M3. Anders als die Nachfolger mit gleicher Bezeichnung war der erste Vierzylinder M3 eine kompromisslose Fahrmaschine, eigens für den Rennsport homologiert und auf Rundkursen erfolgreich. Das wird von den Fans honoriert, das beschleunigte den M3 nachhaltig auf der Werteskala, nur original muss er sein. Es dürfte schwer sein, überhaupt ein Auto zu finden, das mehr Fahrspaß bietet. Dabei ist er mit seinen zarten 200 PS weder Leistungsprotz noch Hubraumwunder. Er pfeift sogar auf einen Turbolader und fährt, wertmäßig betrachtet, Kreise um seinen Erzrivalen von einst, den Mercedes 190 E 2.3-16. Der kostet gerade mal die Hälfte, aber nicht mehr lange. Den speziell bei normalen Alltagskisten zählt für eine gute Preisprognose die Abgehobenheit, die Aura des Topmodells. Das Paradebeispiel für eine steile Preiskarriere heißt immer noch 500 E, made by Porsche - er kostet jetzt schon 21.000 Euro. Ein 2.6 reicht deshalb beim Baby-Benz beileibe nicht aus. Erst der 16V ist der Bringer im harmlosen Rauchsilber wie bei Ayrton Senna damals 1984 - teuer wie eine S-Klasse und gern mit Sportsitzen aus Leder, das Sperrdifferenzial serienmäßig. Exzellentes Markenimage und Langzeitqualität Beispiel Porsche 944. Auch er ist ein kompromisslos fahraktives Auto, vor allem in den leistungsgesteigerten Versionen 944 S und S2. Als S2 hat er sich preislich schon prächtig erholt, da liegt er bereits bei 13.500 Euro und rückt dem längst H-tauglichen Boulevard-Sportwagen 928 S schon bedenklich nahe. Die Rehabilitation der Transaxle-Vierzylinder-Modelle ist voll im Gange. Ein versöhnliches Signal von Porsche noch, die Transaxle endlich so lieb haben müssten wie Audi den Quattro, und alles liefe bestens für den 944. Exzellentes Markenimage, eine hervorragende Langzeitqualität und große Fahrfreude sind eindeutige Signale für einen Kursgewinn an der Klassikerbörse. Der weichgespülte 924 hingegen wird wegen der V.A.G-Regalteile wohl künftig bei 8800 Euro stagnieren. Nur das H-Kennzeichen ließ ihn an den Porsche-motorisierten 924 S vorbeiziehen.B Beispiel Mercedes 450 SLC 5.0. Tendenziell trotz faktisch unterlegener Dreigang-Automatik ist er ein bisschen teurer als der 500 SLC. Beim stärksten SLC greift der Topmodell- Bonus, die übrigen Modelle werden sich stetig, aber mit deutlichem Achtungsabstand entwickeln. Selbst ein Achtzylinder muss nicht zwingend sein, der 280 SLC wird den subjektiv weniger temperamentvolleren 350 SLC überholen. In seiner radikal-modischen Siebziger-Jahre-Façon bis hin zu den Farben und Polstern gilt der SLC heute nicht nur unter Werbe-Kreativen als cool und stylish. Das steigert seinen Marktwert. Auch sein einstiges Handicap, nicht von der Limousine abgeleitet zu sein, wird nun honoriert. Eine ebenso späte, aber nachhaltige Entdeckung des Marktes sind die großen BMW-Coupés, die in Leistung und Schönheit endlich als wahre Alternative zum frühen Elfer begriffen werden. Noch sind sie deutlich günstiger. Kommentar Frank Wilke über den Wandel in der Klassiker-Wertschätzung oder der neue Trend zu Design, Image und Lifestyle. Auch wenn viele Oldtimerpreise in den letzten Jahren rasant gestiegen sind, die Formel "Kaufen, wegstellen, reich werden" klappt nicht immer. Auch bei klassischen Fahrzeugen wird der Preis durch das Verhältnis von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Nachfrage wiederum hängt stark vom Publikumsgeschmack ab, und der kann sich über die Jahre deutlich ändern. In den Siebzigern kaufte man einen Oldtimer vor allem aus Nostalgie oder Freude an alter Technik, in den letzten Jahren sind immer stärker Aspekte wie Fahrspaß, Ästhetik, Image und Lifestyle hinzugekommen. Der Trend geht zum offenen, leistungsstarken Auto mit markanter Optik und klangvollem Markennamen - große Limousinen tun sich da schon schwerer, selbst wenn sie von Premiumherstellern wie Mercedes oder Rolls-Royce kommen. Das Gleiche gilt für viele Vorkriegsfahrzeuge oder Mittelklassewagen der Fünfziger: Es fehlen die Käufer, die mit diesen Autos emotional noch etwas verbinden. Sportwagenfans greifen statt zum Porsche 356 immer häufiger zum 911, weil er in puncto Optik und Fahrleistungen ihrem Bild vom Sportwagen eher entspricht. Gerade darin liegt für Oldtimerfans aber auch eine Chance: Wer nicht mit dem Massengeschmack geht, kann für überschaubares Geld ausgefallene, interessante Autos kaufen. Der Spaß am Oldtimer ist nicht vom Wert abhängig! Quelle: Motor Klassik |
verfasst am 02.01.2012
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