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Spritpreis auf Rekordhoch - Benzin wird nie mehr billiger

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1,694 EUR kostete diese Woche E10, Diesel und Super sind noch teurer. Es sind die höchsten Spritpreise aller Zeiten. Viele Verbände und Politiker reagieren. Aber nur verbal. Denn eine Lösung hat keiner.

Ein Kommentar von Björn M. Tolksdorf

Zu den Spritpreisen haben alle etwas zu sagen. Der ADAC zückt reflexartig seine Standards: Die Pendlerpauschale müsse erhöht werden, die Preiserhöhung sei allein durch den schwachen Euro und das teurere Rohöl nicht zu rechtfertigen. Ein Barrel Öl der Sorte Brent kostete am Montag mehr als 114 Dollar, Anfang Juli lag der Preis noch bei 89 Dollar.

Die Politik ruht noch in der Sommerpause. Das Bundesfinanzministerium lehnt eine Senkung der Mineralölsteuer ab, die Linke will den Benzinpreis staatlich kontrollieren: Parteichef Bernd Riexinger forderte eine Senkung um 12 Cent - und zwar sofort.

Im Land der Austern und der Streiks ist die Politik-Pause schon vorbei: Die französische Regierung will die Steuern auf Benzin und Diesel vorläufig senken. Zumindest bis ein Mechanismus zur Regulierung der Preise erreicht sei, sagte Premierminister Jean-Marc Ayrault am Mittwoch.

Benzin viel zu billig?

Die Italiener sind schon weiter. Hier knackte der Benzinpreis inzwischen die psychologisch wichtige Zwei-Euro-Marke. Das dürfte dem Spiegel-Online-Redakteur Michail Hengstenberg gefallen. Der Oldtimer-Liebhaber schreibt auf SPON: Benzin ist noch viel zu billig. Das merkt man dran, wie viele Autofahrer z. B. vor roten Ampeln noch zu sinnlosen Überholmanövern ansetzen, findet der ehemalige „Carsablanca“- Chefredakteur.

Damit vertritt Hengstenberg die „etwas andere Meinung“: Beim letzten Rekordhoch im März waren bei unserer Umfrage nur 3,8 Prozent der MOTOR-TALKer der Meinung, dass Benzin teuer sein darf. Die meisten von Euch versuchen, sparsam zu fahren oder öfter mal aufs Auto zu verzichten.

Energie wird nicht mehr billiger

Aber gibt es überhaupt einen Königsweg? Die Antwort laut klar und kurz: Nein! Steigende Energiekosten sind kein Exklusivproblem der Autofahrer. Der weltweite Energiebedarf steigt – und die Energie-Erzeugung wird dabei teurer und riskanter. Zu allem Überfluss ist die politische Lage in vielen ölfördernden Staaten instabiler denn je. Die Zeiten sind hart für die Diktatoren, die uns jahrzehntelang belieferten.

Moralisches Dilemma auswärts, ökologisches Dilemma zuhause: Man kann in Europa durchaus Öl und Gas gewinnen, zu Preisen und mit ökologischen Folgen, die - noch - nicht akzeptiert würden. Man geht hierzulande schon gegen Stromleitungen und Windkrafträder auf die Straße. Dabei ist das Teil der unverzichtbaren Infrastruktur, die wir brauchen, um aus der Atomenergie auszusteigen.

Wir bekommen also die Rechnung, auf die eine oder andere Weise - und wir können froh sein, wenn der Absender sich mit schnödem Geld zufrieden gibt.

Der Nachkriegstraum lebt weiter

Der Ursprung unserer Erwartungshaltung, unser Mobilitätsverständnis, stammt noch aus den 1950er Jahren: Damals begannen Stadtplaner und Architekten, die Landschaft zu zersiedeln und den kompakten Sozialraum zu opfern. Das edle Ziel: Licht und Luft in der Wohnung, menschenwürdige Lebensverhältnisse für Alle. Der Preis: Viel längere Wege. Die Lösung, die nie funktioniert hat: Die autogerechte Stadt.

Das ist inzwischen Geschichte: Seit 30 Jahren verfolgen die Stadtplaner das Leitbild der Urbanität und der kurzen Wege in der Innenstadt. Nur, wir machen nicht mit: Wir mögen unser Haus im Grünen und das Einkaufszentrum am Stadtrand. Und wir mögen die Freiheit, überall hinfahren zu können.

Wir lieben es, uns für das Auto zu begeistern: Wir wollen das Beste. Das wollte auch Chuck Berry, schon vor 60 Jahren: In „No Money Down“ tauscht er einen alten Ford gegen einen feuchten Cadillac-Traum. Ein viertüriges de Ville-Cabrio mit verchromten Felgen, Servolenkung, einem großen Motor, Klimaanlage, Klappbett, Kurzwellenradio, Fernseher und Telephon - I gotta talk to my baby, when I'm ridin' alone. Sabber.

Chrom, V8 und Hamburg-Mümmelmannsberg

1966 Cadillac De Ville, Q: OSX 1966 Cadillac De Ville, Q: OSX Genau da hängen wir: Chuck Berrys Cadillac-Phantasie ist noch heute mehrheitsfähig. Wenn das Chrom blitzt und der Motor blubbert, fühlen wir die Freiheit; auch wenn sie an der nächsten Ampel endet. Also träumen wir – bevor es mit dem geleasten Kia Rio ab in den Stau geht.

Aber demnächst müssen wir uns entscheiden. Leben wir weiter den Nachkriegstraum aus langen Wegen und tollen Autos? Das wird kosten, und es wird nicht mehr billiger. Es sei denn, wir definieren unsere Mobilitätsbedürfnisse neu: Vernünftiger, eingeschränkter, unerotischer? Flexibler, anstrengender, anspruchsloser?

Für die Mehrheit stellt sich die Frage vielleicht gar nicht. Sie werden sich – wie schon die Mehrheit in den 1950ern – die uneingeschränkte Mobilität gar nicht mehr leisten können. Denn wenn jede Tankfüllung weh tut, kann von uneingeschränkt keine Rede mehr sein.

Elektroautos? Autos mit Fesseln, mit einer noch zu kleinen Reichweite. Dagegen lädt der zitierte Kia Rio gerade zu zum Träumen von Freiheit ein. Das Träumen; das zumindest werden wir uns auch in Zukunft leisten können. Träume von Chrom und V8, und von Hamburg-Mümmelmannsberg.

Bildnachweis: © Minerva Studio - Fotolia.com, © iconeer - istockphoto.com

Quelle: MOTOR-TALK

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