Eigentlich war er nur ein Rekord mit Sechszylinder und mehr Chrom. Aber mit viel Power für wenig Geld ärgerte der Commodore BMW und Mercedes. Ein Rückblick.
Köln - 1967 war Respektlosigkeit in. Im Kino lief plötzlich Sexualaufklärung, der Wankelmotor rüttelte an den Prinzipien des Motorenbaus. Respektlos war auch Opel: Den bürgerlichen Rekord beförderte man mit kräftigem Sechszylinder und etwas Chrom zum Commodore. Der überraschend billige Commodore fegte als 200 km/h schneller Einspritzer GS/E vorbei an weit teureren BMW und Mercedes. „6-Bombe. 130 PS. Die kennen keinen Respekt“, textete die Opel-Werbung schon beim GS mit Vergaser und ergänzte „Die Starken sind nur so lange mächtig, bis ein Stärkerer kommt“. Auch in der Zulassungsstatistik besetzte der Commodore kurze Zeit die Pole-Position seines Segments. Begehrt war der Opel nicht nur als viertürige Limousine, sondern auch als Hardtop-Coupé. Ein Zweitürer mit verführerischen Linien und optionalen Rallyestreifen, der sogar dem Mercedes 250 CE davonfuhr, aber ein Drittel weniger kostete. Quelle: Opel Richtig rar waren die Commodore Cabriolets, die der Kölner Karossier Karl Deutsch aus Coupés konstruierte und die über das Opel-Händlernetz vertrieben wurden. Sogar einen Commodore Kombi gab es, wenn auch nur als Studie (Commodore Voyage). Wer einen großen Opel Caravan kaufen wollte, musste also weiterhin Vierzylinder-Rekord fahren. S-Klasse aus RüsselsheimRekord und Commodore machten Opel froh. Ab 1968 erzielte die deutsche GM-Tochter jedes Jahr Rekordergebnisse. Anfang der 1970er-Jahre wurde Opel die Nummer eins in Deutschland und überholte kurzzeitig Volkswagen. Allerdings erst mit den nächsten Generationen von Rekord und Commodore. Vom ersten Commodore wurden knapp 160.000 Einheiten ausgeliefert. Für eine S-Klasse – tatsächlich bewarb Opel seinen Sechszylinder unverfroren als „Sonderklasse“ – sehr respektabel. Konnte der Commodore mit dieser Zahl doch sogar den legendären Kapitän in den Schatten stellen. Das Erfolgsrezept: flotte Fahrleistungen bei günstigen Preisen. Die vergleichsweise simple Technik konnte Opel geschickt kaschieren, und sie erwies sich als äußerst standfest. „Er ist nur mit dem Hammer kaputt zu kriegen“, zitierte das Opel-Marketing Tests der Motorpresse. Die verfasste geradezu euphorische Lobeshymnen. Zumindest, wenn die rasenden Reporter einen extrascharfen Commodore GS oder GS/E bewegten. Schon der durch zwei Registervergaser 130 PS starke GS brachte es in Coupéform auf getestete 194 km/h. Noch mehr ging ab 1970 mit dem Commodore GS/E. Die Bosch D-Jetronic-Benzineinspritzung erlaubte 20 zusätzliche PS. An Überholprestige mangelte es dem Commodore ohnehin nicht: Der mattschwarze Kühlergrill differenzierte ihn im Rückspiegel ausreichend vom braven Rekord. Auf Plakaten zeigte Opel ihn am liebsten beim Überholvorgang und textete: „Die meisten sehen ihn nur von dieser Seite“ - nämlich von der rechten, aus der Perspektive des Überholten. Die Basis war kaum gefragtQuelle: OpelDabei störte es Commodore-Käufer und Fachpresse nicht einmal, dass die Sechszylinder unter Volllast nur konzentriert auf Kurs gehalten werden konnten, dröhnten und sich schüttelten – und gelegentlich Zierleisten oder andere weniger wichtige Teile abfielen. So etwas erlaubte sich die Konkurrenz damals ja ebenfalls. Dazu zählten die Kölner Ford 20M und 26M, die allerdings bis auf die raren RS-Versionen mehr auf Komfort als auf Tempo setzten. Tatsächlich war der nur 4,57 Meter messende Commodore gut 15 Zentimeter kürzer als die Kölner Konkurrenz und mit 1.130 Kilogramm leichtgewichtig. Trotzdem betrugen die Testverbrauchswerte zwischen 12 und 20 Liter je 100 Kilometer, was damals für Wagen der 95- bis 150-PS-Liga als günstig bewertet wurde. Und weniger wollte fast niemand: Der Basis-Commodore 2200 mit 95 PS wurde nur gut 1.300-mal gekauft. Außerdem wurde der Commodore, im Unterschied zum Rekord mit gleicher Rohkarosserie, kaum als zweitürige Limousine ausgeliefert. Besonders die von Steinmetz getunten und auffällig lackierten Commodore wurden von Porsche-Piloten als „Gelbe Gefahr“ gefürchtet. Und bei der Rallye Monte Carlo gewann Marie-Claude Beaumont auf einem Gruppe-1-Commodore 1970 sogar den Coupe des Dames. Richtig komfortabel wurden die Sechszylinder-Opel, wenn sie mit einem der ersten speziell für Europa konstruierten Dreigang-Automatik-Getriebe ausgeliefert wurden. Diese Automatik ersetzte 1968 das bis dahin verwendete Chevrolet-Powerglide-Getriebe und machte den Commodore zu einem souveränen Gleiter, der laut zeitgenössischer Fachpresse auch bei der Agilität kaum Wünsche offen ließ - aber zwei Liter mehr verbrauchte. Der dritte Commodore wurde zum LadenhüterMit 33.000 Zulassungen allein in Deutschland erreichte der Commodore 1970 den Gipfel seiner Karriere. In der 2,5-Liter-Klasse verkaufte sich nur der Mercedes 250 besser, Ford kam mit den 2,6-Liter-Typen 20 M/26 M nicht einmal auf 10.000 Einheiten. Noch weniger Liebhaber fand nur der 1967 noch als Wankel-Wunderwagen gefeierte NSU Ro 80. In Vergleichstests fuhr der avantgardistische Ro 80 dem Opel zwar regelmäßig davon, in den Verkaufsräumen aber blieb er ein Ladenhüter. Diese undankbare Rolle fiel dem Commodore erst in seiner dritten und letzten Generation zu, die Opel ab 1978 in die kleine Nische zwischen Rekord E und Senator A quetschte. Zuvor aber zeigte der Commodore B zwischen 1972 und 1977 noch einmal, was geht, wenn 200-km/h-Flitzer zu Opel-Preisen verkauft werden. Rund 141.000 Coupés und viertürige Limousine fanden damals Fans, die Spaß daran hatten, ihr 13.000-Mark-Fahrzeug an gleichstarken Wettbewerbern der 20.000-Mark-Preisregion zu messen. Quelle: SP-X (Wolfram Nickel) |