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Autonome BMW: Mitfahrt, Technik, Ausblick - Blaues Licht leuchtet blau

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Autonomes Fahren kennen wir schon seit Jahren von einigen Herstellern. BMW zeigt jetzt erstmals eine Entwicklung, die so in Serie gehen könnte. Erste Mitfahrt.

Das Lenkrad für Autonomie-Level 3: BMW setzt auf blaues Licht, wenn das Auto von allein fährt Das Lenkrad für Autonomie-Level 3: BMW setzt auf blaues Licht, wenn das Auto von allein fährt Quelle: BMW

München – John J. Rambo kannte die Magie blauen Lichts. Sein wortkarger Dialog in Rambo III hat Kultstatus: „Was ist es? Blaues Licht? Was macht es? Es leuchtet blau.“ Kurz. Prägnant. Tiefsinnig. Ein paar Entwickler von BMW scheinen Rambo III oft geschaut zu haben. Denn das interessanteste Bauteil im nächsten autonom fahrenden Auto wird blaues Licht sein.

Spätestens 2021 sollen BMW auf Autobahnen autonom fahren. Dann, wenn der i Next oder eine Ableitung davon auf die Straße kommt. Auch in anderen neuen Fahrzeugen soll die autonome Technik eingesetzt werden. Wie sie funktioniert, konnten wir bei einer Versuchsfahrt rund um München erleben.

Der 7er sieht von außen unscheinbar aus, hat nur am Heck klebt ein Aufkleber mit der Aufschrift „Versuchsfahrzeug“. Innen wird der Unterschied zur Serie deutlicher. Zwei Kontrollmonitore hängen an den Kopfstützen. Dazu gibt es ein tiefschwarzes Cockpit mit wenigen Anzeigen und ein neues Lenkrad mit dünnem LED-Kranz. Das hat es in sich.

Blaues Licht = autonomer Modus

Nur der Aufkleber am Heck weist auf den nicht serienmäßigen Zustand des BMW hin Nur der Aufkleber am Heck weist auf den nicht serienmäßigen Zustand des BMW hin Quelle: BMW

Schon seit 2011 fährt BMW auf der A9 autonom, bisher allerdings mit selbstentwickelten Karten. „Im jetzigen Stadium verwenden wir normale hochauflösende Karten von Here“, sagt Nico Kämpchen, Teilprojektleiter für autonomes Fahren bei BMW. Er tippt kurz auf den „Auto“-Button an der linken Seite des Lenkrads und das Auto übernimmt die Steuerung.

Im Cockpit steht „automatisierte Fahrt“. Der LED-Kranz leuchtet nun dezent blau. Bis auf 130 km/h beschleunigt der 7er, bremst selbständig ab und lenkt durch Kurven. Auf einen Tipp am Blinker hin schert die Limousine aus und überholt einen Lkw. „Bis zur Serienreife wird das Fahrzeug das aber selbst machen“, erklärt Nico Kämpchen. Um den Verkehr zu beobachten, stehen vorne drei und hinten eine Kamera zur Verfügung. Dazu kommen neun Radar- und Lidar-Sensoren. Damit erkennt das Fahrzeug frühzeitig herannahende Autos und das weitere Umfeld.

All das können Prototypen von Mercedes und Audi auch. BMW verspricht, dass das Serienauto in spätestens vier Jahren lange Strecken auf Autobahnen autonom fahren kann, über Autobahnkreuze und Übergänge zu neuen Autobahnen hinweg. „Wenn es der Gesetzgeber bis 2021 zulässt, fährt unser Auto von München nach Hamburg autonom“, sagt er. Allerdings nur auf Autobahnen, nicht auf Landstraßen. „Dafür wird es aber ein echtes Level-3-System werden, bei dem der Fahrer die Kontrolle abgibt und sich während der Fahrt anderen Dingen widmen kann.“

BMW muss auf bessere Karten warten

Voraussetzung dafür sei allerdings auch die komplette Abdeckung von hochauflösenden Karten von Here. Das Unternehmen, an dem unter anderem Audi, BMW und Mercedes beteiligt sind, will dies bis dahin schaffen. Derzeit erfassen weltweit Fahrzeuge mit speziellen Sensoren auf dem Dach die Straßen. Ab nächstem Jahr werden die Grunddaten permanent aufgefrischt. Alle neuen BMW-Modelle mit einer neuen Sensorgeneration, aber auch Fahrzeuge anderer Marken, können dann die Straßen scannen und die aktuellen Daten ans Backend weitergeben.

Die HD-Karten seien wichtig, da sie derzeit schon bis auf 10-20 Zentimeter genau arbeiten und damit einzelne Fahrspuren anzeigen. Zum Vergleich: GPS navigiert nur auf rund fünf Meter genau. „Künftig sollen Straßenregeln hinzukommen, damit das System weiß, wann man an einer roten Ampel rechts abbiegen darf. Das erkennt nämlich derzeit kein normaler Sensor“, sagt Dietmar Raabe von Here. Diese Infos müssen aber einzeln editiert werden.

Wenn die Ausfahrt näher kommt, ändert sich das Farbspiel der LEDs im Lenkradkranz Wenn die Ausfahrt näher kommt, ändert sich das Farbspiel der LEDs im Lenkradkranz Quelle: BMW Schon heute hat BMW weltweit rund 600.000 Fahrzeuge auf den Straßen, die die Infos aufnehmen können, davon rund 200.000 in Deutschland. Mit Audi und Mercedes steigt die Anzahl der fahrenden Scanner. „Das ist auch wichtig, damit künftig in nahezu Echtzeit eine neue Baustelle sofort erkannt und in die Karte online integriert wird“, sagt Raabe.

Notstopp an der Ausfahrt

Auf dem Zusatzmonitor im Fond des 7ers fliegen während der Fahrt auf der Autobahn gelbe Kästchen und weiße Quadrate als Hindernisse vorbei. Gelb bedeutet nicht Bewegliches Dinge wie Bäume, weiß steht für herannahende Fahrzeuge. Der BMW orientiert sich währenddessen an den roten Fahrbahnlinien.

Vor einem Lkw bremst das Versuchsfahrzeug kurz ab, mit einem Tipp auf den Blinker überholt es, beschleunigt und setzt sich wieder vor ihn – ganz flüssig, ohne hektische Lenkbewegungen oder lauten Kick-down. Etwa 45 Sekunden vor der gewünschten Ausfahrt ändert sich die Farbe der Lenkrad-LED. Wie bei einer Sanduhr nehmen die blauen LEDs von oben ab – ein Zeichen, dass der Fahrer das Steuer wieder übernehmen soll.

Reagiert er nicht, leuchten die LEDs zuerst orange und anschließend rot. „Greift der Fahrer dann immer noch nicht ins Lenkrad, legt das Auto einen Notstopp hin. Keine Vollbremsung, sondern ein kontrolliertes Abbremsen auf dem Standstreifen, um den Verkehr nicht zu behindern“, sagt Kämpchen.

Erst im nächsten Jahrzehnt

Auch wenn Ende des Jahres 40 Fahrzeuge pro Tag rund 40 Terabyte Daten sammeln werden, Data-Ingenieure damit die Server füttern und das Deep-Learning der Maschinen vorantreiben, dauert es noch ein paar Jahre, bis das Auto selbständig fährt. Denn die Roboterautos benötigen ungefähr den Faktor 100 an Rechenkapazität im Vergleich zu heute.

„In diesem Jahrzehnt wird es kein Serienangebot für vollautonomes Fahren geben, das unseren Premiumanspruch erfüllt“, sagt BMW-Entwicklungschef Klaus Fröhlich. Alle Rambo-Freunde müssen sich also noch ein paar Jahre gedulden, bis das blaue Licht am Lenkrad leuchtet.

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