Ohne Schnaps keine NASCAR. So skurril die Anfänge von Tourenwagenrennen in den USA sind, so populär sind sie heute: NASCAR ist die altmodische Mutter aller Race-Serien in den USA, die Grand-Am mit ihren Endurance-Rennen die hippe Tochter. Der Alkohol hat Schuld. Sagt sich leicht? Richtig. Aber diesmal stimmt's: ohne Schnaps keine NASCAR. So einfach ist das. Wem das alleine zu eingleisig ist, der kann auch noch der amerikanischen Regierung den Schwarzen Peter dafür zuschieben, dass junge Wilde in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts beim ständigen Flüchten vor der Polizei lernten, wie man mit Autos umgeht. Denn die führte am 16. Januar 1920 die Prohibition ein, um den Alkoholmissbrauch einzuschränken. Prompt suchten Schmuggler gute Fahrer für gut bezahlte nächtliche "Botentouren" – ein Job für die später so genannten "Moonshiner" und "Bootlegger". Chauffeurstalente, die ihr Können mit "Learning by Doing" ständig verbesserten. Das Ergebnis ist die "National Association for Stock Car Auto Racing", kurz NASCAR. Heute steht NASCAR für die beliebteste Rennserie in den USA: Dabei fahren (anfangs) mehr als 40 technisch hoffnungslos veraltete und deshalb sehr bodenständige Renn-Tourenwagen mit Silhouette-Karosserien vier Stunden lang in Ovalen mit überhöhten Kurven. Das zieht bis zu 250.000 Menschen live zu den Rennstrecken, die von fast jedem Platz fast jeden Teil der Rennstrecke einsehen können. Polizeikugeln, Enterhaken und ölige Nägel Anders als bei der europäischen automobilen Top-Serie, der Formel 1, werden die Fahrer – jeder auf seine Weise ein Held – nicht von Bodyguards abgeschirmt, die Autos nicht mit Decken vor neugierigen Blicken geschützt, und die Teamwerkstätten können an jedem Rennwochenende besichtigt werden. So sollte Motorsport sein: ganz nah am Fan. Dass das so wurde und dass das so ist, dafür steht ein Name: Bill France. Der findige Amerikaner traf sich am 14. Dezember 1947 im Dachgarten des Streamline-Hotels in Daytona mit wichtigen Promotern und gründete NASCAR. Er beobachtete nämlich schon länger das wilde Treiben in Daytona Beach: Seit 1902 gab es dort Geradeaus-Rennen, 1936 das erste 250-Meilen-Oval-Race. Damals natürlich noch durch Sand. Einziges Reglement: Die Autos mussten "stock" sein – also serienmäßig und unverbastelt. Da war die Prohibition schon längst Geschichte, sie wurde am 5. Dezember 1933 zu einem weiteren überstanden Kapitel amerikanischer Irrwege. Immerhin hatte sie einen Haufen verwegener Piloten geboren. Die hatten ihr Handwerk von der Pike auf gelernt und wussten immer eine Antwort auf Innovationen der Ordnungshüter: Polizeikugeln auf die Kühler der beliebten Moonshiner-Autos wie Ford Coupés entgegneten sie mit Eisenplatten davor. Dann kamen die Cops von hinten – mit massiven Haken, um sich in die Heckstoßstangen einzuklinken. Darauf lockerten die Gangster die Bumper und die Polizei hatte nur noch ein Stück Chrom an der Angel. Später warfen die anonymen Schnapstransporter Nägel und Öl aus den Fenstern. Die Folge waren wilde Hetzjagden über Wald, Wiese und Weide, was dazu führte, dass die erschreckten Kühe keine Milch mehr gaben. Was wiederum den Schnapsbrennern zugute kam – irgendwas musste man ja trinken. Moderne Cowboys Hatten die Piloten frei, trafen sie sich zum Kräftemessen irgendwo in der Provinz. Das professionalisierte sich fast von allein: 1940 hingen schon 10.000 Zuschauer in den Dünen in Daytona, ab 1946 schossen überall kleine Rennstrecken aus dem Boden der US-Staaten. Die Fahrer blieben, was sie seit der Prohibition waren: Moderne Cowboys, die rülpsten, soffen und sich prügelten. Kurz: Ihr Benehmen passte zu ihrem lauten, öligen und stahlharten Geschäft. Der findige France wusste das zu nutzen. Er baute 1959 in Daytona einen festen Superspeedway, schon längst hatte seine Organisation verstärkte Aufhängung und bessere Stoßdämpfer erlaubt, ein Überrollkäfig wurde Pflicht. 5.7-Liter-Motoren mussten es sein, oben liegende Nockenwellen nein, Vierfach-Holley-Vergaser ja. Technisch sind die Autos ungefähr auch noch heute so. Nur haben sie jetzt rund 800 PS unter der Silhouette-Haube. Ende des vorigen Jahrtausends erlebte die NASCAR ihren Höhepunkt. Mehr als 15 Millionen Zuschauer erlebten pro Saison live die 2200 Rennen in 13 verschiedenen Rennserien. NASCAR setzte pro Jahr fünf Milliarden Dollar um, 1998 verdiente die NASCAR nur mit Souvenirs und Devotionalien rund eine Milliarde Dollar. Allein der damalige Superstar Dale Earnhardt (2001 in Daytona tödlich verunglückt) steckte 50 Millionen Dollar aus dem Fanartikelverkauf ein. Und Jeff Gordon, einer der ersten erfolgreichen Teflon-Sonnyboys im Geschäft, kassierte die damalige größte Tagesgage: 1.637.625 Dollar. Er ist der erste US-Fahrer, der mehr als 100 Millionen Dollar in seiner Karriere einfuhr. Dafür zog er aber auch eine neue Klientel auf die Zuschauerplätze: die Golfer-Upperclass. Das passt perfekt zum Image der NASCAR-Rennserien als "weißer Sport". Denn der Platz hinterm Cockpit war und ist für Farbige so gut wie nicht zu erreichen: Es gibt kein College, wo man das Fahren erlernen kann, die Piloten müssen sich mit ihrem eigenen Geld hocharbeiten. Auch wenn die NASCAR-Boomjahre vorbei sind, gelten der Sprint-Cup und die nachrangigen Rennserien immer noch als zuschauerträchtigste Veranstaltungen. Noch heute ist die NASCAR fest in der Hand des France-Clans. Seit 2003 führt Bill France' Enkel Brian die Geschäfte. Er ist nicht unumstritten: Er strich Veranstaltungen auf beliebten Ovalen, ließ Toyota als nicht-amerikanischen Hersteller als Teilnehmer zu und führte 2007 (als Folge von Earnhardts Crash) das "Car of Tomorrow" vor – mit zum Beispiel einer Einheitskarosserie, die die Autos unabhängiger von Aerodynamik machen soll und mit verbessertem Unfallschutz. Rolex Sports Car Series und Continental Tire Challenge Wem das zu bodenständig ist, der wird sich bei den moderneren Sportwagen-Prototypen wohl fühlen: Die Rennen der Grand-Am Road Racing Series verfolgen nach eigenen Angaben bis zu 20 Millionen Menschen. Die Hauptrennen der 1999 gegründeten Grand-Am sind die Rolex Sports Car Series mit dem 24-Stunden-Rennen Rolex 500 in der Grand-Am –Heimatstadt Daytona sowie die Continental Tire Sports Car Challenge. Die NASCAR klinkte sich 2008 in das zuschauerträchtige Spektakel ein, so dass sich alle Rennen nun organisatorisch unter einem Stetson befinden. Die Grand-Am-Rennen unterscheiden sich zur NASCAR-Serie besonders in den Autos und den Strecken. Die Rennwagen sind Sportwagen-Prototypen (Rolex Series Daytona Prototype Category) oder hoch gezüchtete Seriensportwagen (GT Category) wie M-BMW, Corvette, Mustang, Camaro und Porsche GT3. Bei der Continental Tire Challenge fordern die Grand-Sport-Klasse (hubraumstarke GT) sowie Street Tuner (kleinere Limousinen und Coupés, manche sogar mit Frontantrieb) Aufmerksamkeit. Bekannte Grand-Am-Strecken sind besonders Daytona, Montreal und Watkins Glen, wobei alle Strecken immer eine Straßenkurse sind, in Daytona zum Beispiel eine Trasse hauptsächlich im Infield des Ovals. Die überhöhten Kurven werden dabei nur wenig eingebunden. Wer die Gand-Am-Rennserien gegenüber der NASCAR-Serien für langweilig hält, sollte sich mal so einen Fight ansehen. Das Rennen in Hometown Daytona zum Beispiel – immer die große Eröffnung der neuen Saison – ist durchaus zu vergleichen mit europäischen Langstreckenrennen wie Le Mans oder dem 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Auch technisch. Wohl deshalb arbeiten die deutsche DTM und die Grand am ab 2013 zusammen: Dann soll in den USA eine neue Meisterschaft nach dem deutschen DTM-Reglement die Amis begeistern. Zum Glück kein Grund für NASCAR- und Grand-Am-Fans, ihre Kalender umzuschreiben: Die "US-DTM" läuft im Rahmen der Races der Top-Veranstaltungen NASCAR-Sprint-Cup und Grand-Am-Rolex-Sports-Cars-Serie. Videos Video 1 Video 2 Video 3 Video 4 Video 5
Quelle: Chromjuwelen |
verfasst am 28.03.2011
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