Mit der K 1600 Grand America schickt BMW einen weiteren Langstrecken-Cruiser ins Rennen, der sich die Spitzenpositionen im Modellprogramm sichert. Und das auch beim Preis.
München - Wer einen sechszylindrigen, überlegen motorisierten Zweirad-Dampfer durch die Lande steuern möchte, kann bei BMW seit Anfang 2018 zwischen zwei Modellen wählen: Zur bereits bekannten, 2017 überarbeiteten K 1600 GTL gesellt sich die neue K 1600 Grand America. Sie basiert auf der besonders „long and low“ anmutenden K 1600 B, der Bagger-Variante der 1600er-Baureihe. Mit serienmäßigen Trittbrettern, Motorschutzbügeln und Rückfahrhilfe stellt sich die Grand America in punkto Ausstattung an die Spitze des bayerischen Modellprogramms. Mit einem Gewicht von 364 Kilogramm schlägt sie die ebenfalls mit Topcase und auch sonst (fast) allen Schikanen ausgestattete GTL. Und zwar um gleich 14 Kilo. Auch beim Preis schlägt die Grand America das Schwestermodell. Mit gut 26.000 Euro steht sie an der Spitze der Preisliste. Bereits seit 2010 im Programm, spendieren die Bayern der Grand America das 160 PS starke 1,6 Liter-Sechszylinder-Triebwerk, mit dem auch die K 1600 GTL unterwegs ist. Es läuft seidenweich, hängt bestens am Gas, strotzt vor Kraft bei niedrigsten Drehzahlen und brennt, wenn gewünscht, ein Feuerwerk ab, das auch anspruchsvolle Fahrer nicht kalt lässt. Selbst mit kaum über 5,5 Litern Verbrauch kann man durchaus zügig auf Land- und Bergstraßen 100 Kilometer weit fahren. Benzinökonomie der bayerischen MotorenbaukunstQuelle: SP-X/fbn Die Kraftübertragung via Sechsganggetriebe, optionalen Schaltassistenten und Kardan fällt gegenüber dem beeindruckenden Motor etwas ab: Die Geräusche aus Kardan und Getriebe bei Lastwechseln und gelegentlich beim Einlegen des ersten Ganges entsprechen nicht wirklich der Preisklasse. Der optionale Zweiwege-Schaltassistent hingegen ist erstklassig. Dasselbe lässt sich von der Dreischeiben-Bremsanlage mit Teilintegralsystem sagen: Sie beißt heftig zu, ohne dass die samt Fahrer und Gepäck immerhin mehr als eine halbe Tonne wiegende Maschine unruhig wird. Das ABS regelt im Bedarfsfall sauber, die serienmäßige Pro-Version beherrscht auch die Disziplin kräftiger Verzögerung in Schräglage. Sehr komfortabel zeigt sich das Fahrwerkseinstellsystem ESA: In wenigen Sekunden hebt sich das Heck, wenn auf Zweipersonenbetrieb geschaltet wird. Bessere Erfahrungen machten wir mit der strafferen „Road“-Dämpfungseinstellung. Die „Cruise“-Dämpfung scheint hierzulande überflüssig – die Präzision des Fahrwerks leidet, das Fahrgefühl wird schwammig. Leichtes Pendeln ab 140 km/hDie Grand America basiert auf der Bagger-Version mit abgesenktem Heckrahmen. Gegenüber dessen Basis liegt wegen der Zusatzausstattung deutlich mehr Last auf dem Hinterrad der K 1600 Grand America. Zudem wirkt das große Topcase als aerodynamischer Störenfried. Ist man solo unterwegs, überzeugt der Geradeauslauf nur bis etwa 140 km/h, dann beginnt leichtes, stets ungefährliches Pendeln. Damit empfindsame Fahrer nicht in Panik geraten, wird bei 162 km/h elektronisch abgeregelt. Verglichen mit der GTL ist das freilich dürftig, denn die darf immerhin 220 km/h rennen. Mit Sozius liegt die Grand America stabil. Ein Reisebike für die Weiten NordamerikasQuelle: SP-X/fbn Windschutz (bis Tempo 140 zumindest), Sitz- und Fahrkomfort wurden auch von unserer Sozia in den höchsten Tönen gelobt. Das Platzangebot für Gepäck ist gut, wenn auch wegen der nach hinten abfallenden Seitenkoffer geringer als bei der GTL. Noch mehr Lob dürfte es ab Herbst 2018 geben, wenn serienmäßig Zusatzlautsprecher geliefert werden, die ins Topcase integriert sind. In einsamen Regionen wie in Kanada kann die K 1600 Grand America eine ausgezeichnete Figur abgeben: Der ruhige Verkehr, die großen Distanzen und die geringen Tempowechsel selbst auf kurvigen Strecken machen den Bayern-Dampfer zu einem vorzüglichen Reisemotorrad in den Weiten Nordamerikas. Hierzulande liegen die Dinge anders: Die Straßen sind enger, die Kurvenradien geringer, die Steigungen kräftiger. Man muss demzufolge viel mehr am Lenker arbeiten und trotz des mächtigen Sechszylinder-Drehmoments viel öfter schalten. Schade, dass der Fahrer dafür stets den linken Fuß vom sehr nützlichen, schräggestellten Trittbrett nehmen muss, weil dort kein zusätzlicher Schalthebel ist. Der befindet sich, ganz konventionell, an der linken Fußraste. In solchen Momenten kommt der ketzerische Gedanke an eine Getriebeautomatik auf, die man auch per Knopfdruck bedienen könnte. Das Cruisen steht im VordergrundBewusst sollte einem Interessenten der K 1600 Grand America zweierlei sein: Mit dem Basispreis von 26.150 Euro ist es noch nicht getan, wenn man ein Freund der Vollausstattung ist. Nicht zusätzlich bestellbar für dieses höchst komfortable Motorrad ist die sonst bei der Marke übliche Agilität. Statt der Möglichkeit zum bissigen Anreißen steht bei ihr das Cruisen im Vordergrund, was durchaus auf anspruchsvollem Geschwindigkeitsniveau stattfinden kann. Aber bei Hektik am Lenker leidet die Fahrfreude. Ein versierter Fahrer bewältigt mit der Grand America zwar auch die engen Haarnadeln am Tiroler Hahntennjoch, aber weit mehr Spaß machen die größeren Kurvenradien am Großglockner. Und die schönen Strecken dorthin. Technische Daten - BMW K 1600 Grand America
Quelle: SP-X |